Homosexuellen-Rechte: Die ÖVP lenkt ein

Homosexuellen-Rechte: Die ÖVP lenkt ein
Adoption, künstliche Befruchtung, komplette Gleichstellung: Die SPÖ fordert Fakten bis Sommer - Spindelegger ist offen für Gespräche.

Ob Conchita Wurst und ihr Song-Contest-Sieg tatsächlich politische Folgen haben werden? Neben der schwelenden Standort-Debatte, die auf fruchtbaren politischen Boden gefallen ist, ist nun auch die Diskussion über die Rechte Homosexueller in Österreich neu aufgeflammt.

Ungleichheiten beseitigen

Befeuert wird sie durch die SP, die die Gunst der Stunde genutzt hat: Klubobmann Andreas Schieder forderte vor der Ministerratssitzung am Dienstag, dass die Gespräche über das Adoptionsrecht für Gleichgeschlechtliche, das Recht auf künstliche Befruchtung sowie zu einer kompletten Gleichstellung im Eherecht bis zum Sommer soweit sein sollten, dass „wir in die Legistik gehen können."

Die künstliche Befruchtung für homosexuelle Frauen, die derzeit "nur illegal oder im Ausland" möglich sei, müsse erlaubt werden und die Verpartnerung Gleichgeschlechtlicher der Ehe gleichgestellt werden. Angesichts des Siegs von Conchita Wurst beim Songcontest sei die Diskussion über Homosexuellen-Rechte sei möglich, meinte Schieder.

Spindelegger offen

Die Reaktion der ÖVP darauf war eine ungewohnte: Vizekanzler Michael Spindelegger stellte am Dienstag nach dem Ministerrat nämlich ebenso rasche gesetzliche Änderungen bei der Gleichstellung von Homosexuellen in Aussicht. Auf die Frage, ob es noch vor dem Sommer dazu kommen könnte, äußerte sich Spindelegger offen: "Wenn wir das bis Sommer diskutiert haben, wäre das okay."

Es gebe in der Gleichstellungs-Debatte Bewegung innerhalb seiner Partei, so der Vizekanzler. Die beiden dafür zuständigen Ressortleiter, Familienministerin Sophie Karmasin und Justizminister Wolfgang Brandstetter, hätten einen entsprechenden Gesprächsprozess eingeleitet. Auf konkrete Maßnahmen wollte sich Spindelegger nicht festlegen. Man müsse sich nun anschauen, wo genau Verbesserungsbedarf bestehe.

40-Punkte-Katalog

Spindelegger erklärte, es liege ein Katalog mit 40 Punkten vor, bei denen eingetragene Partnerschaften anders geregelt sind als die Ehe. Diese müssten nun diskutiert werden. Auf die Frage, ob es bei der Gleichstellung von Homosexuellen Grenzen gibt, denen die ÖVP nicht zustimmen würde, meinte Spindelegger: "Ich habe hier keine Grenzen zu setzen". ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hatte zuvor noch abgewunken.

Unterschiedliche Reaktionen

Unterschiedlcih reagierten die Oppositionsparteien NEOS und FPÖ auf den Vorstoß der SPÖ - Niki Scherak, NEOS-Menschenrechtssprecher, zeigte sich erfreut über die Diskussion; FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller bekräftigte, ganz auf Parteilinie, ihre Ablehnung gegenüber Ehe und Adoptionsrecht für Homosexuelle.

Kitzmüller begründete die Haltung ihrer Partei im Hinblick auf das Adoptionsrecht in einer Aussendung damit, dass das "Wohl des Kindes" im Vordergrund stehen müsse. Außerdem sei die Ehe eine "besondere Form der Partnerschaft" zwischen Mann und Frau. "In Wahrheit zeugt es von billigem Populismus, wenn Politiker von SPÖ und ÖVP den Erfolg beim Songcontest als 'Trägerrakete' für ihre gesellschaftspolitischen Ideologien verwenden", so Kitzmüller.

Scherak hingegen bezeichnete es als erfreulich, dass die SPÖ den Druck auf die ÖVP in den Bereichen Adoptionsrecht und künstliche Befruchtung erhöhen will. "Genauso muss man lobend anerkennen, dass sich die ÖVP in diesen wichtigen Grundrechtsfragen öffnet", so Scherak in einer Aussendung. Der Bundesvorsitzende der Schwulen und Lesben in der SPÖ, Peter Traschkowitsch, übte in einer Aussendung Kritik an der ÖVP: "Der Koalitionspartner kennt offensichtlich nur eine Taktik: alles auf die lange Bank zu schieben, hoffend die Angelegenheit werde sich von selbst regeln".

Wo die Homo-Ehe gilt

Nach dem Triumph von Conchita Wurst gibt sich Österreich jetzt nicht nur stolz, sondern auch sehr liberal und tolerant. Aber: Sind Homosexuelle in Österreich tatsächlich gleichberechtigt – oder hängen sich Politik und Gesellschaft jetzt bloß ein regenbogenfarbenes Mascherl um?

Fest steht: Seit 2010 gibt es auch in Österreich die Möglichkeit der Eintragung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft (EP). Eine Ehe ist das nicht. Das Standesamt beispielsweise blieb homosexuellen Paaren bisher verwehrt, das soll, das muss sich nun ändern – der Verfassungsgerichtshof hat im Vorjahr festgehalten, dass Eingetragene Partnerschaften auch außerhalb der (meist eher schmucklosen) Amtsräume der Bezirksverwaltungsbehörden geschlossen werden dürfen.

Kinder nur für Heteros

Der größte und bedeutendste Unterschied zur Ehe zeigt sich, wenn Kinder ins Spiel kommen: Schwule und Lesben dürfen nicht adoptieren, auch künstliche Befruchtung bleibt ihnen bis heute verwehrt. Letzteres Verbot hat wieder der VfGH kippen müssen, er hat dem Gesetzgeber aber eine Übergangsfrist bis Ende des Jahres gewährt. Das Adoptionsverbot hingegen besteht weiter – Homosexuelle müssen sich mit Pflegekindern „begnügen“, die man ihnen theoretisch jederzeit wieder wegnehmen kann. Niederösterreich, das sich jetzt lautstark als Austragungsort für den Song Contest 2015 ins Spiel bringt, verwehrt ihnen als einziges Bundesland auch das.

„Das Adoptionsrecht, die Unterschiede zwischen Eingetragener Partnerschaft und Ehe und das Fortpflanzungsmedizingesetz“ sind daher auch für Christian Högl von der Homosexuellen Initiative Wien (HOSI) „die Dinge, die jetzt dringend fallen müssen und fallen werden“.

Aber auch der Diskriminierungsschutz im Dienstleistungsbereich müsse endlich angegangen werden, sagt Högl. „Im Arbeitsrecht haben wir diesen Schutz bereits. Ein Wirt beispielsweise darf eine lesbische Kellnerin nicht nur nicht diskriminieren, er muss sie als Arbeitgeber auch vor Anpöbelungen durch Gäste schützen. Gleichzeitig kann er aber als Dienstleister sagen: Ich will kein lesbisches oder schwules Paar als Gäste in meinem Wirtshaus haben und sie rausschmeißen. Das ist absurd.“

Generell habe aber "in den letzten zehn Jahren eine Revolution stattgefunden", meint Högl. "Dass einmal eine Mehrheit der Bevölkerung dafür sein wird, dass Homosexuelle Kinder adoptieren dürfen, wie eine aktuelle Umfrage besagt, hätte ich mir vor zehn Jahren nicht gedacht. Die Gesellschaft ist da offenbar weiter als die Politik."

Die gab sich am Montag allerdings auch überaus engagiert. „In der letzten Legislaturperiode ist es nicht gelungen, mit dem Koalitionspartner den Schutz gegen Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung auszubauen und anzugleichen“, sagte etwa Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). „Wir werden aber umgehend wieder die Gespräche in dieser Angelegenheit aufnehmen und hoffentlich rasch zu einem Gesetzesbeschluss kommen.“

ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin wiederum erklärte am Montag, sie wolle mit Hundstorfer darüber reden, dass auch gleichgeschlechtliche Pflegeeltern in Karenz gehen können. Dessen Antwort: „Damit rennt sie bei mir offene Türen ein.“

Für Stephan Auer-Stüger, SPÖ-Bezirksrat in Wien-Margareten, und seinen Partner Thorsten kommt eine derartige Änderung, so sie denn tatsächlich kommt, zu spät. Als ihr Pflegesohn zu ihnen kam, musste Thorsten seinen Job kündigen, damit er sich um das wenige Wochen alte Baby kümmern konnte. Heute lebt das Paar mit dem mittlerweile dreijährigen Pflegesohn und dessen zweijähriger Schwester zusammen - "und selbst wenn wir in Oberösterreich auf dem Land sind, ist es kein Problem, dass da zwei Männer mit zwei Kindern kommen", sagt Stüger. Der aber einschränkt: "Mir persönlich geht's gut. Das liegt einerseits an unserem privaten Umfeld, aber auch an der Stadt Wien. Auf Bundesebene und in erzkonservativen Kreisen schaut die Sache aber anders aus."

Aber selbst aus diesen Kreisen kamen am Montag überraschend neue Töne. „Die Frage ist nicht, ob einer schwul ist, sondern ob er ein guter Kerl ist“, sagte Michael Unger, Pfarrer in Conchita Wursts Heimatgemeinde Bad Mitterndorf, zur Kathpress.

Vorurteile im Alltag

Hat Österreich die Homophobie also tatsächlich überwunden, wenn selbst aus dem katholischen Lager solche Aussagen kommen? „Es hat sich natürlich in den letzten Jahren einiges entwickelt“, sagt Johannes Wahala von der Beratungsstelle Courage, an die sich Jahr für Jahr gut 1000 Homosexuelle und Transgender-Personen wenden, sehr oft sind das Jugendliche. "Bei Jugendlichen ist noch sehr viel Leid da. Sie haben Angst, dass sie von den Eltern abgelehnt oder in der Schule gehänselt oder gemobbt werden, wenn sie sich outen."

Sind diese Ängste begründet? "Ja, durchaus", meint Wahala. „Eine ganz so tolerante und von Respekt geprägte Gesellschaft, wie jetzt getan wird, sind wir sicher nicht.“ Es gebe immer noch viele „Vorurteile und Zerrbilder wie ,Schwule sind keine echten Männer und Schwanzlutscher‘, und ,Lesben haben einfach keinen Mann abbekommen‘. Nicht nur Jugendliche scheuen da vor einem Comingout zurück." Auch Lehrer beispielsweise wagen laut Wahala diesen Schritt oftmals nicht, "weil es dann sofort heißt: Die oder der ist eine Gefahr für die Jugendlichen". Zudem habe "jetzt, wo Homosexuelle durch das offenere, liberale Klima sichtbarer geworden sind, auch die offene homophobe Gewalt zugenommen."

Dass es "Diskriminierung gibt, auch mit Gewalt, und sich diese Leute oft nicht trauen, sich auf die Beine zu stellen oder Hilfe zu holen", bestreitet auch Christian Högl von der HOSI nicht. "Aber wenn jemand sagt, Homosexuelle seien die Parias der Gesellschaft, dann stimmt das einfach nicht. Wir müssen endlich den Opferstatus abschütteln und das Selbstbewusstsein der Leute stärken."

Was Selbstbewusstsein ist, habe Conchita Wurst eindrucksvoll gezeigt.

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