Homo-Ehe: Justizminister gegen völlige Gleichstellung

Justizminister Wolfgang Brandstetter
Wolfgang Brandstetter will an Differenzierung festhalten – trotz Adoptionserlaubnis für schwule Paare.

Österreich ist auf dem Weg zur Gleichberechtigung homosexueller Menschen einen Schritt weiter. Dass schwulen und lesbischen Paaren untersagt ist, Kinder zu adoptieren, ist verfassungswidrig. Das haben die Höchstrichter am Mittwoch befunden (mehr dazu siehe hier). Aktivisten jubeln. "Wir sind überglücklich", sagt Anwalt Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda. Ob dieser Entscheidung gebe es auch "keinen Grund mehr, homosexuellen Paaren die Ehe vorzuenthalten. Wir wollen vollkommene Gleichstellung."

Traditionelle Ehe als Leitbild

Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger äußert sich zurückhaltend zum Thema Ehe: "Aus heutiger Sicht ist gegen die eingetragene Partnerschaft nichts einzuwenden. Laut Artikel 12 der Menschenrechtskonvention besteht eine Ehe aus Mann und Frau." Auch Justizminister Wolfgang Brandstetter verwahrt sich gegen die Homo-Ehe. "Wir wollen das traditionelle Rechtsinstitut der Ehe zwischen Mann und Frau weiterhin als Leitbild fördern, es sollten aber sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen zur eingetragenen Partnerschaft beseitigt werden", sagt er dem KURIER. "Zwischen einer Ehe und einer eingetragenen Partnerschaft gibt es aber eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung – diese soll aufrecht bleiben. Ich sehe keine Notwendigkeit, das zu ändern. Selbstverständlich müssen sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierungen beseitigt werden. Daran arbeiten wir." Gemeint ist damit etwa, dass sich Homosexuelle nicht auf allen Standesämtern "verpartnern" dürfen. ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin sagt ebenfalls: Es werde "am Abbau von Diskriminierungen, was die eingetragene Partnerschaft betrifft", gearbeitet: "Etwa der Zugang zum Standesamt."

Nicht nur darauf drängt der Koalitionspartner. SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek möchte auch "die Weiterentwicklung des Papamonats zu einem Babymonat, die Möglichkeit eines gemeinsamen Familiennamens – und die Öffnung der Ehe". Das begehren auch Grüne und Neos. Mit der ÖVP wird sie das nicht durchbringen. Diese werde "weiter die traditionelle Familie mit Vater, Mutter und Kind forcieren und fördern", sagt Parteichef Reinhold Mitterlehner. Dem jetzigen Urteil der Höchstrichter werde aber Genüge getan.

Neues Gesetz bis Jahresende

Graupner ist Advokat des lesbischen Paars, das den Sieg vor dem Verfassungsgericht errungen hat. Die Frauen hatten ein Stiefkind adoptiert (seit 2013 ist das möglich), dann bemühten sie sich um ein "Fremd"-Kind. Erfolglos. Ab 2016 können sie auch ein solches adoptieren. Bis Jahresende, so die Frist der Höchstrichter, muss die Regierung das entsprechende Adoptionsgesetz ausarbeiten. Damit können Lesben und Schwule auch Kinder aus dem Ausland adoptieren.

Dort, wo Graupner & Co rechtlich hinwollen, sind sie damit noch nicht. Österreich ist dann das einzige europäische Land, in dem Adoption erlaubt ist, nicht aber der Ehebund. Das Recht auf diesen will Graupner erkämpfen – trotz des ÖVP-Widerstands. "Wir fordern, dass es noch dieses Jahr im Parlament eine Abstimmung ohne Klubzwang über die Ehe gibt", sagt der Jurist dem KURIER.

Für ihn ist an der Zeit, dass Politiker von sich aus handeln, nicht auf Geheiß der Justiz: "Das Parlament hat das letzte Mal 1989 ein Gesetz aus eigenem Stück für die Rechte Homosexueller erlassen. In den vergangenen 25 Jahren passierte es immer auf Druck der Gerichte."

Homo-Ehe: Justizminister gegen völlige Gleichstellung

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare aufgehoben: Homosexuelle dürfen seit 2013 zwar die leiblichen Kinder eines der beiden Partner adoptieren, die gemeinsame Adoption fremder Kinder ist ihnen jedoch untersagt. Dies wurde nun gekippt. Bis 31. Dezember hat die Regierung nun Zeit eine neue Gesetzesregelung zu schaffen.

Homo-Ehe: Justizminister gegen völlige Gleichstellung
Wolfgang Brandstetter nimmt sich der jugendlichen Straftäter an.
Justizminister Wolfgang Brandstetter will diesen Termin einhalten und den Entscheid "fristgerecht umsetzen". Auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner betonte, dass man das Urteil respektieren und entsprechend umsetzen werde. Klar sei aber, dass die ÖVP weiter die traditionelle Familie mit Vater, Mutter und Kind forcieren und fördern wolle. "Aber das lässt sich beides miteinander vereinbaren", so Mitterlehner. Das VfGH-Erkenntnis werde gemeinsam mit der SPÖ zeitgerecht bis Ende des Jahres umgesetzt.

Die Aufhebung begründete Präsident Gerhart Holzinger damit, "dass es keine sachliche Rechtfertigung für eine ausschließlich nach der sexuellen Orientierung ausgerichtete differenzierende Regelung gibt". Grundlage für die Aufhebung war das in der Europäische Menschenrechtskonvention geregelte Recht auf Privat- und Familienleben (Artikel 8). Dieses begründet zwar kein Recht auf Adoption - wenn es ein derartiges Recht gibt, müsse das aber diskriminierungsfrei geregelt werden, so Holzinger.

Kindeswohl kein Argument

"Von vornherein ungeeignet", das Adoptionsverbot für Homosexuelle zu rechtfertigen, waren aus Sicht der Verfassungsrichter Bedenken, das Aufwachsen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften könnte dem Kindeswohl schaden. Auch der "Schutz der Ehe" ist aus Sicht des VfGH kein geeignetes Argument dafür. Der Verfassungsgerichtshof hat sich damit zum wiederholten Mal gegen die Diskriminierung homosexueller Paare ausgesprochen. Als "Ersatzgesetzgeber" sieht Präsident Gerhart Holzinger seinen Gerichtshof dennoch nicht: "Zum Ersatzgesetzgeber werden wir deshalb nicht, weil wir keine Gesetze erlassen, sondern nur Gesetze aufheben können."

Hier die Entscheidung des VfGH im Volltext

"Ich verteile keine Zensuren"

Ob eine aufrechte Eingetragene Partnerschaft künftig Voraussetzung für die Adoption von Kindern durch Homosexuelle sein könnte oder nicht, wollte Holzinger daher nicht beurteilen. Dies sei Sache des Gesetzgebers. Auch ob das bereits mehrmals angefochtene Gesetz über die Eingetragene Partnerschaft handwerklich gelungen sei oder nicht, wollte er nicht einschätzen: "Ich verteile keine Zensuren."

Aus heutiger Sicht unbedenklich ist aus Sicht Holzingers aber, dass Heterosexuelle eine "Ehe" schließen dürfen, während es für Homosexuelle die "Eingetragene Partnerschaft" gibt. Dies deshalb, weil auch die Menschenrechtskonvention die Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau definiere: "Über diese verfassungsrechtliche Definition kommt man nicht so einfach hinweg."

ÖVP bisher dagegen, SP erfreut

Die Möglichkeit für Homosexuelle, das leibliche Kind eines der beiden Partner zu adoptieren ("Stiefkindadoption") wurde 2013 geschaffen, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Österreich wegen des Verbots verurteilt hatte. Die SPÖ forderte seither zwar auch die Möglichkeit der "Fremdkindadoption" für Homosexuelle, die ÖVP lehnte das jedoch bisher ab.

Dementsprechend erfreut ist Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek: "Das ist ein wichtiger Schritt für mehr Rechte für Homosexuelle." Sie fordert rasche Konsequenzen aus dem VfGh-Urteil: "Es hat gezeigt, Österreich muss sich hier bewegen. Lippenbekenntnisse sind zu wenig, es braucht legistische Änderungen. Gleiches Recht für gleichgeschlechtliche Liebe ist ein Menschenrecht.“

Öffnung der Ehe gefordert

Erfreut über die VfGH-Entscheidung zeigte sich auch die in Wien für Antidiskriminierung zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Sie forderte nun Bewegung bei der ÖVP und die völlige rechtliche Gleichstellung: "Jetzt muss die Ehe geöffnet werden."

Auch Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda hat sich am Mittwoch "überglücklich" über die Aufhebung des Adoptionsverbots gezeigt. Dder Anwalt der beiden Frauen, auf deren Fall die Entscheidung basiert, sprach von einem "vollen Erfolg" und forderte die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

Laut Graupner ist Österreich das einzige Land Europas, in dem es zwar die vollen Adoptionsrechte für homosexuelle Paare gibt, ihnen die Ehe aber verwehrt wird: "Alle Staaten, die diese vollen Adoptionsrechte für gleichgeschlechtliche Paare haben, haben auch die Eheschließungsmöglichkeit." Graupner verwies auch darauf, dass sich die Eingetragene Partnerschaft nach wie vor in 40 Punkten von der Ehe unterscheidet. Nun gehe es auch gar nicht mehr darum, dass die Verpartnerung wie angekündigt am Standesamt stattfinden kann, drängte er auf die völlige Gleichstellung.

Wo die Homo-Ehe gilt

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