Das letzte TV-Duell in der Analyse

Hofer matchte sich mit Thurnher. Van der Bellen lag die ruhige Diskussion mehr
Das abschließende Duell im ORF zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer war wie eine "nette Leit-Show": Beide Kandidaten gaben sich "präsidenziell" und wenig angriffig.

Es war, als wollten sie den verpatzten Auftritt in ATV wiedergutmachen. Beim abschließenden Fernseh-Duell vor der Stichwahl am Sonntag waren die beiden Kandidaten für die Hofburg, Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer, extrem zurückhaltend.

Hofer lieferte sich mit Moderatorin Ingrid Thurnher mehr Auseinandersetzungen als mit seinem Kontrahenten. "Sie reden hier mehr als ich, kandidieren Sie auch?" konterte Hofer auf bohrende Fragen der ORF-Moderatorin.

Das letzte TV-Duell in der Analyse
Hofer sei in einigen Passagen "sehr, sehr geschickt" gewesen, sagt Bachmayer. Zum Beispiel, als er von Turnher gefragt wurde, wie er die Österreicher charakterisieren würde. Hofer: "Sie sind fleißig, aber sie unterscheiden sich von den Deutschen durch ihre Gemütlichkeit."

Inhaltlich brachte die Konfrontation nichts Neues. Die Debatte schleppte sich durch die üblichen Themen von EU über die verfassungsmäßigen Rechte des Bundespräsidenten bis hin zu Fragen der Abstimmung der Außenpolitik mit der Bundesregierung. Über die neue Bundesregierung sagten beide, dass sie sie erst beurteilen wollen, wenn es erste Arbeitsergebnisse gebe. Hofer sagte aber, als FPÖ-Abgeordneter unterstütze er den Neuwahlantrag seiner Partei, als Bundespräsident würde der die Regierung aber nicht entlassen, sondern arbeiten lassen.

Beim Thema Unabhängigkeit räumte Van der Bellen ein, dass am Anfang mit der Betonung seiner Überparteilichkeit vielleicht "ein bisschen übertrieben wurde". Er verwies auf sein Personenkomitee mit viertausend Unterstützern aus allen politischen Lagern außer der FPÖ. Hofer führte für sich ins Treffen, dass er als Dritter Nationalratspräsident auch schon überparteilich agiere. Seine Werthaltungen als Freiheitlicher – "Freiheit ist der wichtigste Wert" – werde er jedoch auch als Bundespräsident nicht ablegen.

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Wenig Überraschungsmomente gab es für die Politik-Experten: "Es war zu erwarten, dass sich die beiden wie weichgespült geben. Das war Kammermusik im Vergleich zur letzten Diskussion", so Medientrainer Gerald Groß. Der TV-Experte ortete deutliche Vorteile für Alexander Van der Bellen, weil dem Ex-Grünen-Chef die ruhige Spielmethode bei der TV-Konfrontation mehr liegt. "Norbert Hofer musste seine Waffe der zugespitzten Formulierungen beim ORF-Portier ablegen. Er benötigte viel Energie, um diesen ruhigen Diskussionsstil durchzuhalten. "

Pointierte Formulierungen gab es kaum. "Man hatte fast das Gefühl, dass die beiden einen Nichtangriffspakt geschlossen hatten", bilanziert Groß. Der FPÖ-Kandidat suchte sich eine andere Angriffsfläche und fand sie in der Person von Ingrid Thurnher. Die ORF-Moderatorin musste sich Vorwürfe gefallen lassen wie: "Aber die meiste Redezeit von uns dreien haben Sie. Wollen Sie statt uns kandidieren?" Wenige Minuten später die nächste Attacke: "Ich weiß nicht, warum Sie das Gesicht verziehen?"

Zurückhaltung

OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sagt, die beiden Kandidaten seien aufgetreten wie "der nette Präsident von nebenan": betonte Zurückhaltung, Freundlichkeit. Bachmayer: "Insbesondere Hofer verzichtete auf Angriffe gegen Van der Bellen."

Auch bei der Frage nach der Vertretung nach außen sei Hofer besser gewesen als Van der Bellen. Der Grüne sagte: "Aufgabe des Bundespräsidenten ist die Vertretung nach außen." Hofer sagte: "Aufgabe des Bundespräsidenten ist, für Österreichs Interessen einzutreten." Dazu Bachmayer: "Hofer kommuniziert professioneller."

Israel-Kontroverse

"Geschwommen" ist Hofer laut Bachmayer beim Israel-Besuch. Hofer hatte gesagt, als er im Juli 2014 in Jerusalem war, sei zehn Meter neben ihm eine Frau, die Granaten trug, erschossen worden. Der ORF spielte ein Interview mit dem Polizei-Sprecher von Jerusalem ein, der sagte, es habe zu dieser Zeit überhaupt keinen solchen oder ähnlichen Vorfall gegeben. Hofer beschwerte sich, der ORF unterstelle ihm, er sage nicht die Wahrheit.

Einen ähnlichen Vorfall hat es zu dieser Zeit in Jerusalem gegeben. Eine Frau wurde dabei angeschossen. Lesen Sie hier mehr darüber.

Sein Talent für pointierte Formulierungen spielte Alexander Van der Bellen gestern bei der letzten TV-Konfrontation vor dem Wahlsonntag wahrlich nicht aus. "Wirkliche gute Sager hat Van der Bellen gestern nicht geliefert. Er wirkte in der ersten Hälfte zwar souveräner, aber ein wirklicher Satz blieb bei Van der Bellen nicht hängen", sagt Kommunikationstrainer Gerald Groß. Mehr die Lacher hatte Norbert Hofer auf seiner Seite, wenn er Ingrid Thurnher attackierte. "Am Beginn der Sendung war Van der Bellen noch inspiriert, aber ingesamt legte auch er ein Pflichtprogramm und keine Kür hin", beurteilt Groß die TV-Performance. "Die ganze TV-Diskussion war von überschaubarer Spannung. Aber das ist klar, wenn man mit angezogener Handbremse fährt, dann kommt man nicht auf Touren", sagt Groß.

Strategie

Die Strategie des Ex-Grünen-Parteichefs bringt der Medientrainer so auf den Punkt: "Man wollte niemanden mehr verschrecken, aber auch keinen neuen Wähler dazugewinnen." Wolfgang Bachmayer sieht es ganz gleich: "Nur ja niemanden verschrecken. Das war das oberste Prinzip." Bachmayer glaubt, dass Van der Bellen über Umfragen verfügt, wonach er vor Hofer führt. Und zwar glaubt er das deswegen, weil Van der Bellen die Strategie gewechselt habe. Im ATV-Duell sei er angriffig gewesen, und dies sei Van der Bellen nicht "passiert". Denn am Beginn des ORF-Duells gab Van der Bellen zu, dass er attackieren musste, "weil er im Rückstand war". Folglich sei der Wechsel zurück in das "großväterlich-behäbige Verhalten" ein Indiz, dass Van der Bellen glaube, in den Umfragen vorne zu liegen.

Betragensnoten

Verwundert ist Bachmayer, dass Thurnher die erste lange Sequenz der ORF-Konfrontation dem Privatsender ATV widmet: "Warum verteilt sie hier Betragensnoten über eine ATV-Debatte?"

Eine Entscheidungshilfe für etwaige Unentschlossene sei das Abschluss-Duell in diesem Wahlkampf nicht gewesen, sagt Bachmayer. "Beide präsentierten sich wählbar. Es hätte genügend Gelegenheiten für beide gegeben, auf den anderen hin zu stechen, aber beide haben das ausgelassen und definitiv darauf verzichtet."

Mangels Höhepunkte kamen die beiden Experten zum Schluss, die TV-Debatte sei "einschläfernd" gewesen. Die Funken seien nur zwischen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher geflogen.

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