Hofburgwahlzeugen: gutgläubig, unwissend, bequem

Die Richter des VfGH vor Beginn der Verfahrens
Wahlzeugen bestätigen am ersten Verhandlungstag Regel-Verletzungen, keiner glaubt an Wahl-Manipulation.

Unwissen, Gutgläubigkeit und Bequemlichkeit sind Eigenschaften, die im Zusammenhang mit einer staatstragenden Aufgabe besser nicht vorkommen sollten.

Dieses Bild vermittelten aber die ersten Zeugen, als sie am Montag im Anfechtungsverfahren zur Bundespräsidenten-Stichwahl am Verfassungsgerichtshof ausgesagt haben. Das Mega-Verfahren startete mit Wahlleitern und Beisitzern aus sechs Bezirken. Die FPÖ beanstandet Rechtswidrigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen in 94 von 113 Bezirken. Bis Ende der Woche sollen 90 Zeugen den 14 Höchstrichtern Rede und Antwort stehen. Der Eindruck nach Tag 1: Einige Vorwürfe stimmen. Aber egal, wie haarsträubend die gelebte Praxis ausgesehen haben mag, an eine mögliche Manipulation glauben nicht einmal die befragten FPÖ-Beisitzer.

Rechte verletzt

Eine große Rolle dürfte diese Einschätzung für das Erkenntnis des Höchstgerichts nicht spielen, glaubt der ehemalige Verfassungsgerichtshofspräsident Ludwig Adamovich. "Es geht um die prinzipielle Frage, ob Rechtsvorschriften verletzt wurden, die dem Schutz eines ordnungsgemäßen Ablaufs dienen."

Das heißt: Schon wenn die Möglichkeit geschaffen wurde, im großen Stil zu schummeln, könnte das Grund genug für eine Wahlwiederholung sein.

Noch lassen sich die Höchstrichter nicht in die Karten schauen. "Wurden Sie darüber in Kenntnis gesetzt, wann die Briefwahlstimmen ausgezählt werden, und dass Sie dabei sein sollten?", lautet eine der ersten Fragen an die Wahlzeugen. "Ich bin davon ausgegangen, dass meine Anwesenheit erst bei der abschließenden Sitzung erforderlich ist", antwortet etwa ein FPÖ-Beisitzer aus dem Bezirk Innsbruck-Land. Er glaubt, dass Helfer das Auszählen ab 9 Uhr erledigt haben – genau wisse er es aber nicht.

In einigen Behörden soll es auch offizielle Beschlüsse gegeben haben, diese Arbeiten den Beamten zu überlassen. Das sei prinzipiell erlaubt, sagt die Anwältin der Grünen, Maria Windhager: "Entscheidend ist nur, dass sie die Möglichkeit bekommen, dabei zu sein."

Am offensichtlichsten wurden die Widersprüche durch die Protokolle. Einige hatten diese nicht gelesen. "Das ist so schnell die Runde gegangen", sagt ein Beisitzer aus dem Tirolerischen Schwaz. "Es ist so schnell herumgereicht worden", erklärt eine Beisitzerin aus einem anderen Bezirk. Dass vieles zum formalen Ablauf nicht stimmte, ist ihnen daher entgangen. So bestätigten sie etwa, dass mit der Auszählung zur gesetzlich vorgeschriebenen Zeit, am Montag um 9 Uhr, begonnen wurde – was vielerorts nicht stimmte.

In Villach-Stadt hat eine FPÖ-Beisitzerin in der Kommissionssitzung sogar darauf hingewiesen. "Als ich um 9.15 Uhr gekommen bin, war schon alles erledigt." Obwohl sie urgierte, wurde das nicht ins Protokoll aufgenommen. Warum sie trotzdem unterschrieben hat, will Richter Georg Lienbacher wissen. "Ich habe darauf vertraut, dass alles passt. Ich wollte nie jemanden irgendeiner Manipulation bezichtigen."

Eine Grüne Beisitzerin aus Innsbruck-Land bringt es auf den Punkt: "Ich habe mir gedacht, wenn da ein Jurist am Werk ist, wird schon alles stimmen." Ein Sager, der Gelächter auslöst. Sogar Präsident Holzinger muss grinsen. Heute wird die Verhandlung fortgesetzt. Mit einem Erkenntnis wird Anfang Juli gerechnet.

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Wer ist dieser Herr Augustin, und warum sagt er nicht als Zeuge aus? Eine Frage, die sich einige Medienvertreter in der Pause nach der Einvernahme der Wahlbeisitzer aus dem Bezirk Oststeiermark stellten. „Ein Augustin scheint in keinem Protokoll namentlich auf. Es wusste nicht einmal jemand, ob das sein Vor- oder Nachname ist“, sagt FPÖ-Anwalt Rüdiger Schender.

Interessant ist der Herr Augustin deshalb, weil er bei der Auszählung der Briefwahlstimmen eine tragende Rolle gespielt hat. Der Beamte ist für die eigentliche Wahlleiterin eingesprungen, da diese am Wahlsonntag plötzlich erkrankt ist, erklärt Bezirkshauptmann Alexander Majcan.

Montagfrüh, als die Auszählung gesetzlich beginnen hätte müssen, habe der Herr Augustin angerufen und ihm mitgeteilt, dass bereits alles erledigt sei. Er und seine Helfer hätten das bis Mitternacht erledigt – quasi in Heinzelmännchenmanier. Es wäre anders nicht zu schaffen gewesen – diese Rechtfertigung reichte Majcan, der am nächsten Tag brav, wie alle anderen Kommissionsmitglieder, das Protokoll unterfertigte. Majcan, der übrigens einen Doktortitel hat, verzichtete darauf, den hilfreichen Herrn Augustin darin zu vermerken.

Die Südoststeiermark ist nur ein Beispiel für den lockeren Umgang der Behörden mit den Gesetzen, der jetzt vor dem Höchstgericht zu Tage tritt. Die 14 Verfassungsrichter nehmen sich viel Zeit, sich ein Bild zu machen, den Geschichten auf den Grund zu gehen. Nur ein Bruchteil der Zeugen ist am ersten Tag drangekommen, daher wird in der kommenden Woche weiterverhandelt. In Phase zwei sollen dann die Parteienvertreter – Grüne und FPÖ – zu Wort kommen.

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