Islamgesetz: Kurz trifft Obersten Rat der IGGiÖ

Neue Regeln für Muslime: Kurz will an den Grundsätzen festhalten.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft hält an ihrer Kritik fest. Am Freitag ist ein heikles Treffen geplant.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) hält an ihrer Kritik am Islamgesetz fest. Sie findet den Entwurf von Integrationsminister Sebastian Kurz und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer diskriminierend. Auch das Verbot einer Finanzierung aus dem Ausland wird bemängelt.

Kommenden Freitag will sich Kurz deshalb mit dem Obersten Rat der IGGiÖ treffen. Dieses 15-köpfige Gremium ist das höchste geschäftsführende Organ der Glaubensgemeinschaft. Für Kurz wird der Termin alles andere als einfach. Dem Vernehmen nach haben die Ratsmitglieder den Präsidenten der IGGiÖ, Fuat Sanaç, de facto entmachtet, wegen dessen unklarer Rolle bei der Entstehung des Gesetzes. Dazu kommt, dass Ratsangehörigen Verbindungen mit Organisationen wie den Muslimbrüdern oder der türkischen Millî-Görüş-Bewegung nachgesagt werden. Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz warnt in einem Bericht, dass Millî Görüş ein antidemokratisches Staatsverständnis zeige und westliche Demokratien ablehne.

Kurz stellt im KURIER-Gespräch in Abrede, dass das Islamgesetz diskriminierend sei. "Ganz im Gegenteil, damit gibt es Rechtssicherheit für den Islam in Österreich. Auf der anderen Seite bekennen wir uns zum Vorrang staatlichen Rechts, und natürlich versuchen wir Einflüsse aus dem Ausland zu verhindern."

Geringe Änderungen

Der Minister schließt dennoch nicht aus, dass es geringe Änderungen geben könnte. "Wenn es sachliche und begründete Kritikpunkte gibt, kann man sicher da und dort noch an Formulierungen arbeiten. Wir sind auch ganz bewusst im Dialog mit der Glaubensgemeinschaft." An den Eckpunkten hält er fest: "In den großen, zentralen Fragen werden wir selbstverständlich Kurs halten, weil unser Wertesystem ist ein Islam österreichischer Prägung ohne eine Bevormundung aus dem Ausland."

Heinz Faßmann, Leiter des Expertenrates für Integration, sprach sich gestern in der ORF-Sendung Hohes Haus für eine Übergangsfrist bei der Auslandsfinanzierung aus.

KURIER: Herr Sanaç, Sie sprachen bei der Pressekonferenz am Mittwoch davon, dass Sie in den letzten 30 Jahren noch nie so traurig waren. Wie groß ist Ihre Verärgerung?

Fuat Sanaç: Ich bin sehr aufgewühlt. Wir kämpfen seit 17 Jahren um die Novellierung des Islamgesetzes. 2005 wurde sie abgelehnt. Als unser Ex-Staatssekretär Sebastian Kurz in die Regierung kam, haben wir das "Dialogforum Islam" gebildet. Ein Thema des Diskurses war die Modernisierung des Islam-Gesetzes. Von den Experten des Dialogforums wurde klargestellt, dass dieses Gesetz aus dem Jahr 1912 novelliert gehört. Aber was wir jetzt haben, ist leider, wenn es weiter so bleibt, keine Novellierung, sondern ein vollkommen neues Gesetz; kompliziert und gegen das Gleichheitsprinzip. Für mich ist der Entwurf eine Lex Islam mit fünf Problempunkten. Nur ein Beispiel: Im Gesetzesentwurf bekommt der Bundeskanzler künftig das Recht, die Islam-Kultusgemeinden aufzulösen. Dieses Gesetz ist ein Jahrhundertprojekt, da muss jeder Punkt sitzen. Wir dürfen uns keine Fehler erlauben, sonst wird es nur Unruhe verursachen.

Das Verbot wird wohl nicht wegen eines Bagatell-Vorfalls ausgesprochen werden können ...

Im Gesetz werden viele Gründe für die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit der Islamischen Religionsgemeinschaft genannt. Ich frage mich, was passiert, wenn bei einer der nächsten Legislaturperioden ein links- oder rechtspopulistischer Kanzler an die Macht kommt und wegen Beschwerden ein Verbot verhängt. Wohin gehen wir dann?

Die IGGiÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich) behauptet, sie wurde informiert, aber nicht eingebunden. Minister Kurz und Minister Ostermayer behaupten, Sie haben alles mitgetragen. Ist der Krach von Ihnen bewusst provoziert?

Wissen, verhandeln oder den Entwurf bekommen heißt nicht, dass ich mit dem ganzen Entwurf einverstanden war, ganz umgekehrt. Ich habe zwei Entwürfe bekommen. Einen im Juni, worauf ich auch eine Stellungnahme geschrieben habe, und den letzten am 26. September – einen Tag, bevor ich ins Ausland gereist bin. Meine Bitte war, mit dem Gesetzesentwurf nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, bis ich wieder da bin. Das hat man nicht gemacht. Wir hätten das Problem ganz einfach lösen können, wenn wir den Entwurf in unseren Gremien diskutiert und dann abgesegnet hätten.

Angesichts der vielen Interpretationen des Korans, die maßgeblich zur Radikalisierung beitragen: Warum wehren Sie sich gegen die einheitliche Übersetzung des Korans?

Eine einheitliche Übersetzung ist unlogisch, unwissenschaftlich und unmenschlich. Kein Diktator verlangt das von uns. Nicht einmal in Nordkorea oder in China ist das möglich. Wenn eine einheitliche Übersetzung möglich wäre, dann hätten es die Saudis schon längst gemacht. Aber das gibt es in der islamischen Welt nicht. Wir sind nicht gegen die Koranübersetzung, aber man darf uns nicht diktieren, dass es nur eine Übersetzung geben darf. Das ist gegen jede Vernunft. Auch die Bibel gibt es in unterschiedlichen Übersetzungen. Ich selbst besitze fünf verschiedene Bibelvarianten, wo Jesus einmal als Erlöser, Richter oder Anwalt im Jenseits dargestellt wird.

Am Donnerstag gab es eine von der FPÖ organisierte Demonstration gegen die geplante Imam-Schule. Haben Sie mit Ausschreitungen gerechnet?

Eine Demonstration ist ein demokratisches Grundrecht, die hat mich nicht gestört. Ich habe mit bis zu 6000 Menschen gerechnet, aber es kamen nur 250. Trotzdem frage ich mich: Warum demonstriert man immer gegen Schulen? Ich war Mitbegründer und der erste Direktor des ersten Islam-Gymnasiums im 15.Bezirk. Da gab es damals einen riesigen Krach. Wir haben die Gegner jedes Jahr zur Abschlussveranstaltung eingeladen und bald erkannten sie, dass sie vollkommen falsch lagen.

Es herrscht viel Verwirrung um die geplante Schule in Wien-Simmering. Was ist dort wirklich geplant?

Diese Schule wird ein Wahrzeichen für Österreich werden.

Wie kommen Sie auf diese Idee?

Das werde ich erklären: Wir reden nun seit drei Jahren über die Theologische Fakultät auf der Uni Wien. Ich habe schon Minister Kurz gefragt, wie wir so schnell anerkannte Theologen für die Uni finden sollen. An der neuen Schule kann man fünf Jahre Theologie studieren und dann an die Uni gehen. In zehn Jahren haben wird dann anerkannte Theologen.

Die Schule hat kein Öffentlichkeitsrecht. Das bedeutet, die Studenten müssen zuerst in die Türkei an die Uni gehen.

Das stimmt, aber das ist ja kein Problem.

Genau dadurch entsteht die Angst vor der importierten Imamausbildung. Warum sucht die Schule nicht um Öffentlichkeitsrecht an und unterrichtet in Deutsch?

Die Angst ist unberechtigt. Diese Theologen sind in Österreich aufgewachsen und hier zur Schule gegangen. Sie können Deutsch und kennen die hiesigen Gesetze. Aber es geht in Wahrheit um die Finanzierung. Wir können sofort als Unterrichtssprache Deutsch einführen, wenn Österreich die Schule finanziert. Aber das tut es nicht. Die Türkei stellt die finanziellen Mitteln zur Verfügung.

Warum dann diese Verschleierungstaktik, indem die Schule zuerst als Kindergarten eingereicht wird?

Die Islamische Föderation hat das Grundstück unüberlegt gekauft. Sie wollten einen Kindergarten errichten, aber der Standort liegt zu sehr am Stadtrand. Es finden sich zu wenige Kinder. Dann kam die Idee mit der Imam-Schule. Ich habe den Kontakt zur Türkei hergestellt. Aber ich frage Sie jetzt eines: Wenn wir uns eine Prediger- und Priesterschule wünschen. Was glauben Sie, wie lange dauert die Umsetzung? Sicher nicht unter 20 Jahre.

150 Dschihadisten aus Österreich sind bis jetzt in den Irak gereist. Auf der Homepage des IGGiÖ wird der Dschihad als Kampf gegen sich selbst interpretiert. Sie vergleichen es mit der Überwindung des inneren Schweinehundes. Ist das nicht eine Verharmlosung?

Dschihad bedeutet nicht Krieg. Im Koran bedeutet Dschihad Kampf gegen sich selbst, um besser zu werden. Der Wort "Harb" bedeutet Krieg, das haben wir schon Hunderte Mal gesagt. Aber es will keiner hören. Seit ich in Europa bin, wird mir immer wieder der folgende Vers vorgehalten: "Tötet die Ungläubigen". Aber niemand liest den Satz weiter. Es heißt "Tötet die Ungläubigen, wenn sie euch angreifen." Ich kann Ihnen viele Passagen im Alten Testament aufzählen, wo ebenfalls zur Gewalt aufgerufen wird.

Sie haben zwei Söhne und zwei Töchter. Durften Ihre Töchter wählen, ob sie ein Kopftuch tragen wollen oder nicht?

Meine ältere Tochter trug lange Jahre freiwillig ein Kopftuch, bis sie einmal nach London fuhr und dann ohne Kopftuch zurückkam. Nun, wo sie erwachsen und verheiratet ist, hat sie vor einem Jahr wieder begonnen, ein Kopftuch zu tragen. Auch die Jüngere, die mittlerweile 18 ist, trägt kein Kopftuch. Jede Frau muss selbst entscheiden, ob sie ein Kopftuch tragen will oder nicht.

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