Heeres-Streitführer im Wortgefecht

Johanna Mikl Leitner, Norbert Darabos, Streitgespräch, Interview
Wehrpflicht Ja oder Nein? Die Kampagnen-Chefs und Sicherheitsminister im KURIER-Gespräch.

Streitgespräch. Er will ein Profi-Heer etablieren, sie an der Wehrpflicht festhalten: Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sind die Antipoden in der Wehrpflicht-Debatte. Für den KURIER trafen sie einander zum ersten Schlagabtausch:

KURIER: Frau Minister, laut einer IFES-Studie können sich 576.000 junge Österreicher vorstellen, einige Jahre im Berufsheer zu dienen. Minister Darabos braucht für sein Modell nur 2500 Freiwillige. Glauben Sie wirklich, ein Profi-Heer fände nicht genug Personal?

Johanna Mikl-Leitner:
Lassen wir Umfragen beiseite, schauen wir in die Realität: In vielen Ländern, die die Wehrpflicht aufgegeben haben, gibt es massive Rekrutierungsprobleme: Schweden hat das Werbe-Budget fürs Militär massiv angehoben und kann nur 80 Prozent der Posten besetzen. Der Slowakei und Tschechien geht’s ähnlich, Spaniens Militär muss bis nach Südamerika ausweichen, um Freiwillige anzuwerben. Und auch in Deutschland gibt es in den ersten drei Monaten eine Ausfallsquote von 25 Prozent.

Norbert Darabos: Ich muss Ihnen leider widersprechen. Mein deutscher Amtskollege, ihr Parteifreund de Maiziere, hat mir erst kürzlich bestätigt, dass die Rekrutierung hervorragend funktioniert, in Schweden gibt es für 3000 Plätze 30.000 Bewerber. Europas Berufsarmeen funktionieren. Die angeblichen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung sind kein Argument.

Ein Argument gegen das Berufsheer lautet, es verkommt zu einem Söldner-Heer. Eine berechtigte Sorge?

Mikl-Leitner: Das ist eine berechtigte, weil reale Sorge. Schauen wir nach England: Dort rekrutiert das Berufsheer praktisch am Ausgang der Gefängnisse, und die Militärpolizei hat alle Hände voll zu tun, die Berufssoldaten im Zaum zu halten.

Darabos: Mit Verlaub, aber das ist Gräuelpropaganda! Wenn Sie behaupten, für ein Berufsheer würden sich nur Rambos begeistern, verunglimpfen Sie unsere Soldaten. Im Jagdkommando etwa dienen vernünftige junge Männer, die besonnen vorgehen. Ich war im Tschad und weiß, welche Qualitäten sie haben. Und weil Sie Deutschland angesprochen haben: Dort werden die Kandidaten psychologisch geprüft, damit eben nicht am rechten Rand rekrutiert wird.

Heeres-Streitführer im Wortgefecht
Johanna Mikl Leitner, Norbert Darabos, Streitgespräch, Interview

Warum genügt es nicht, Herr Minister, bloß den Wehrdienst zu reformieren?

Darabos: Die Panzerschlacht im Marchfeld ist passé, die einzigen Nicht-EU-Mitgliedsstaaten in unserem Umfeld, Schweiz und Liechtenstein, sind keine Bedrohung. Die Herausforderungen haben sich grundlegend geändert, deshalb brauchen wir weder Massen-Heer noch Zwangsdienst. Profis können neue Aufgaben wie Auslandseinsätze oder Cyber War besser erledigen als Grundwehrdiener. Und die jungen Menschen könnten früher in Job oder Studium einsteigen.

Mikl-Leitner: Ich würde mir wünschen, dass Sie den Wehr- und Zivildienst nicht ständig als Zwangsdienst bezeichnen. Unsere Kinder gehen zur Schule, das ist auch kein Zwang, sondern Pflicht. Fakt ist: Mit ihrem Modell kaufen die Österreicher die Katze im Sack, bei der Wehrpflicht wissen sie, was sie haben, nämlich: eine 100-prozentige Garantie, dass unser Land sicher ist.

Darabos: Sie erinnern mich an Julius Raab, der hat einmal gesagt: Das Fernsehen setzt sich nie durch.

Mikl-Leitner: Wir müssen nicht jedem Trend nachrennen! Wären wir in den 70er-Jahren dem Trend des Atomstromes nachgelaufen, hätten wir heute in Zwentendorf ein AKW. Ein anderes Argument für die Wehrpflicht wurde noch gar nicht gebracht: 25 Prozent der Rekruten haben Migrationshintergrund, die können sich als Österreicher fühlen. In einem Heer mit Wehrpflicht sind alle gleich, man lernt Teamgeist, Kameradschaft. Mir sind diese Werte wichtig.

Darabos: Mir auch, nur unterliegen Sie einem Irrtum: Integration funktioniert im Bundesheer nicht besser. Experten sind sogar der Meinung, dass der Grundwehrdienst integrationshemmend ist. Außerdem wehre ich mich dagegen, dem Bundesheer den gesamten gesellschaftlichen Rucksack umzuhängen: Im Grundwehrdienst soll Integration passieren, Disziplin vermittelt werden, und und und. Die Armee kann in sechs Monaten nicht leisten, was Eltern, Schule oder Gesellschaft in 18 Jahren davor versäumt haben.

Heeres-Streitführer im Wortgefecht
Johanna Mikl Leitner, Norbert Darabos, Streitgespräch, Interview

Befürworter der Wehrpflicht argumentieren gern mit dem Zivildienst. Frau Minister, Hand aufs Herz: Kommt die Rettung wirklich 20 Minuten später, wenn die Wehrpflicht fällt?

Mikl-Leitner: Das sage nicht ich, sondern Experten wie der oberösterreichische Rotkreuz-Präsident. Der weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: Ohne Zivildienst kommt die Rettung 10 bis 30 Minuten später.

Darabos: Wieder Panikmache! Früher gab’s gar keine Zivildiener, trotzdem kam die Rettung rechtzeitig.

Mikl-Leitner: Richtig, aber heute muss die Rettung mehr leisten als vor 40 Jahren. Ambulante Behandlungen haben massiv zugenommen.Darabos: Das freiwillige Sozialjahr bietet noch bessere Leistungen.

Herr Minister, was sagen Sie als Ex-Wahlkampfstratege zur Mobilisierung der SPÖ? Bis auf das Punsch-O-Mobil ist bisher wenig zu sehen ...

Darabos: Derzeit mobilisieren wir intern. Die öffentliche Kampagne wird erst in der Endphase greifen.

Aber sind Sie noch handlungsfähig, wenn Sie am 20. Jänner verlieren?

Darabos: Ich konzentriere mich auf die Werbung für das Profi-Heer.

Nach der Volksbefragung steht ein Koalitionspartner jedenfalls als Verlierer da. Für die Zusammenarbeit ist das nicht unbedingt gedeihlich, oder?

Darabos: Im Unterschied zu anderen Ländern kann die Bevölkerung in Österreich bei der Frage der Wehrpflicht mitentscheiden ...

Mikl-Leitner: ... und ÖVP und SPÖ sind reif genug, die Entscheidung zu akzeptieren. Eine Koalition muss eine Volksbefragung aushalten.

Kommentare