Heer setzt auf mehr Schutz und Hilfe im Inland

Heer setzt auf mehr Schutz und Hilfe im Inland
Neue Strategie: Kampf gegen Terrorismus.

Anfang Juli 2013 hat der Nationalrat eine neue Sicherheitsdoktrin beschlossen. Am Dienstag präzisierten Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) diese Strategie und passten sie der Realität an: Der Sparzwang des Heeres und neue Bedrohungsszenarien, wie die Terrorgefahr und die Cyberkriminalität. In der Verteidigungsstrategie wird in diesem Zusammenhang von "einsatzwahrscheinlichen Aufgaben" gesprochen, alle Investitionen sind auf diese neuen Aufgaben auszurichten. Von einem "Panzerkrieg" geht man heute nicht mehr aus.

Anschläge verhindern

Konkret geht es bei diesen neuen Aufgaben darum, dass Soldaten künftig stärker für die Kontrolle und den Schutz von kritischer Infrastruktur eingesetzt werden sollen. Darunter versteht man Verkehrsknotenpunkte, Airports, transnationale Straßenverbindungen, Brücken, Stromnetze, Kraftwerke oder das für Europa wichtige Erdgas-Verteilerzentrum in Baumgarten (NÖ).

Ein Schwerpunkt der Heeresaufgaben bleibt weiterhin der Assistenzeinsatz bei Katastrophen im Inland.

"Die neue Verteidigungsstrategie ist ein stärkeres Bekenntnis zur österreichischen Landesverteidigung", heißt es im Innenministerium. Ressortchefin Mikl-Leitner weist darauf hin, dass "das Bundesheer unser Land und seine kritische Infrastruktur schützen und rasch bei Notfällen helfen muss".

Neben den innerstaatlichen Aufgaben soll das Bundesheer auch weiterhin einen "militärischen Solidarbeitrag zum sicherheitspolitischen Handeln der EU" leisten. "Es gibt kein sicheres Österreich ohne sichere EU und ohne eine stabile Nachbarschaft." Auslandseinsätze seien gleichbedeutend wie die Landesverteidigung, betonte Verteidigungsminister Klug.

In EU-Kreisen in Brüssel geht aber trotzdem die Sorge um, Österreich könnte wegen seiner Sparzwänge und die stärkere Neuausrichtung auf die Landesverteidigung bei seinem internationalen Engagement nachlassen. "Österreich war bisher ein verlässlicher Partner", sagt ein EU-Botschafter zum KURIER.

Die neue "Teilstrategie Verteidigungspolitik" legt erstmals konkret die "einsatzwahrscheinlichen Aufgaben" des Bundesheers fest. Der Fokus liegt künftig auf sogenannten nicht-konventionellen Bedrohungen. Die internationalen Einsätze des Bundesheers werden außerdem auch als wesentliches Element zur Verteidigung der nationalen Sicherheitsinteressen definiert.

Die Teilstrategie konkretisiert die Österreichische Sicherheitsstrategie für den militärischen Bereich und ist das neue verteidigungspolitische Gesamtkonzept Österreichs. Es löst die alte, aus dem Jahr 2005 stammende Teilstrategie ab. Ziel und Zweck ist es, darzustellen, welches Bundesheer in Zukunft - Zeithorizont zehn Jahre - benötigt wird, um auch weiterhin die militärische Sicherheit des Landes garantieren zu können.

"Die Verteidigungspolitik basiert auf einer engagierten Neutralitäts- und einer solidarischen Europapolitik", heißt es zunächst. Im Kapitel zur militärischen Sicherheits- und Risikolage wird festgehalten, dass eine unmittelbare konventionelle militärische Bedrohung des österreichischen Staatsgebietes - also beispielsweise die klassische Panzerschlacht - "zumindest mittelfristig nicht absehbar" sei. Gleichzeitig gewinnen demnach "nicht-konventionelle Formen" organisierter Gewaltanwendung durch staatliche und nicht-staatliche Akteure auch für Österreich an Bedeutung. Dabei geht es etwa um Terrorismus oder Cyberangriffe.

Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil die Strategie vorgibt, dass Fähigkeiten, die ausschließlich der Abwehr konventioneller Angriffe dienen, auf die "Stufe der Aufwuchsfähigkeit" reduziert werden. Dabei sollen aber alle Waffengattungen in einer entwicklungsfähigen Größenordnung erhalten bleiben.

Wahrscheinlichkeiten gelistet

Als Paradigmenwechsel sieht man im Verteidigungsministerium auch, dass nun Prioritäten für die Aufgaben des Bundesheers festgehalten wurden. Hier geht es um die vom Minister viel zitierten "einsatzwahrscheinlichen Aufgaben". Das sind jene Aufgaben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit oder permanent wahrzunehmen sind, nur durch das Bundesheer erfüllt werden können und unterschiedliche Bereitschaftsgrade der Truppen erfordern. Alle Aufgaben sind dabei gleich wichtig, betont man im Bundesheer, aber unterschiedlich dringlich.

In der Kategorie hoher Bereitschaftsgrad finden sich da etwa die Überwachung des Luftraumes, Abwehr von Cyber-Angriffen, Assistenzeinsätze bei Katastrophen im Inland oder Beiträge zur internationalen militärischen Sicherheitskooperation. In der niedrigsten Kategorie findet sich beispielsweise eben die Abwehr konventioneller Angriffe. Es handelt sich dabei um kein starres System, vielmehr soll die Liste laufend aktuellen Entwicklungen angepasst werden. In der Teilstrategie wird betont, dass sich alle Investitionen auf die neuen einsatzwahrscheinlichen Aufgaben auszurichten haben.

Internationalisierung

Neu ist auch, dass die Trennung zwischen Inlands- und Auslandseinsätzen dahingehend überwunden wird, als die internationalen Einsätze auch als wesentliches Element zur Verteidigung der nationalen Sicherheit definiert werden: "Auch internationale Einsätze tragen zur Verteidigung österreichischer Sicherheitsinteressen bei." Südosteuropa bleibt dabei die Schwergewichtsregion. In Abhängigkeit vom Stabilisierungsfortschritt in Südosteuropa sei das internationale Engagement nach Osteuropa bzw. in die Schwarzmeerregion, den Nahen und Mittleren Osten sowie nach Nord- und Sahel-Afrika zu erweitern.

Weiters wurde europäische Kooperation als neues Grundprinzip festgeschrieben. Das Bundesheer habe insbesondere das Potenzial, sich im Bereich der Gebirgsausbildung, der ABC-Abwehr sowie der Ausbildung besonders einzubringen. Auch sei die Beteiligung an den EU-Battlegroups für vertiefende Zusammenarbeit zu nutzen.

Zur Bewältigung des Auftrags des Bundesheers ist noch einmal ein Gesamterfordernis von 55.000 Soldaten dargestellt. Diese beinhalten auch 12.500 Soldaten für Katastrophenhilfseinsätze im Inland und lagebedingt mindestens 1.100 Soldaten als Dauerleistung für Auslandseinsätze.

Außerdem hält nun auch die Teilstrategie Verteidigungspolitik fest, dass die Wehrdienstreform umgesetzt, die Miliz gestärkt, der Dienst für Frauen im Bundesheer attraktiviert und das Dienstrecht geändert werden sollen.

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