Haslauer kritisiert Töchterle-Absetzung

Wilfried Haslauer
Wilfried Haslauer trauert Töchterle nach und behält sich vor, dass auch Salzburger Mandatare ausscheren.

KURIER: Herr Landeshauptmann, 2013 brachte die Wende in Salzburg. Sie führen eine Koalition aus ÖVP, Grünen, Team Stronach. Wie läuft’s?

Wilfried Haslauer: Wir verstehen uns menschlich gut und diskutieren sehr viel miteinander. Wir haben eine enorme ideologische Spannweite, es ist ein spannendes, intellektuelles Sparring. Die Prinzipien unserer Regierung sind, auf die Partner Rücksicht zu nehmen und ihnen Erfolge zu gönnen.

Im Bund haben SPÖ und ÖVP wechselseitig die Erfolge verhindert. Sehen Sie die Koalition auch so kritisch wie manche andere Landespolitiker?

Ich bin kein besonderer Freund der Großen Koalition, aber es gibt keine Alternative. SPÖ und ÖVP haben sich wohl oder übel zusammenfinden müssen. Das gibt dann wenig Motivation, in einzelnen Punkten nachzugeben. Ich glaube aber trotzdem, dass unter diesen schwierigen Voraussetzungen, auch wenn es nicht der große Reformhit ist, das Regierungsprogramm eine tragfähige Basis für die nächsten fünf Jahre darstellen kann.

Sie haben das Bildungskapitel für die ÖVP verhandelt. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

In der Frühkindpädagogik, bei den Kernkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen in der Volksschule und bei der Ganztagsbetreuung haben wir sehr gute Fortschritte erzielt.

Eine nach innen differenzierte Gesamtschule, wie sie die westlichen Bundesländer favorisieren, war in der ÖVP nicht durchsetzbar?

Ich habe erneut die Erfahrung gemacht, dass die ÖVP eine sehr pluralistische Partei ist. Die Bandbreite an Meinungen reicht von der nach innen differenzierten Gesamtschule für die 10- bis 14-Jährigen bis zur militanten Verteidigung des derzeitigen äußerlich differenzierten Systems mit der Langform der AHS.

Die militanten Verteidiger setzen sich durch.

Ich sage es weniger drastisch: Die Bereitschaft zu einem Kompromiss ist noch nicht da.

Halten Sie es für richtig, das Wissenschaftsministerium der Wirtschaft zuzuschlagen?

Ich habe in den Gremien nie hinter dem Berg gehalten mit meiner Meinung, dass ich es für keine gute Signalwirkung halte, dass die Wirtschaft die Wissenschaft dominiert. Ich hege aber keine Zweifel, dass Minister Mitterlehner die beiden Bereiche hervorragend führen wird. Nichtsdestotrotz bin ich ausgesprochen unglücklich darüber, dass Karlheinz Töchterle die Regierung verlassen hat. Ich habe von ihm eine sehr, sehr hohe Meinung.

Aus manchen ÖVP-Ländern hagelt es Kritik an der Regierung. Was ist da los?

Die ÖVP legt aus ihrem föderalen Selbstverständnis heraus wert darauf, dass alle Regionen in der Bundesregierung vertreten sind. Es belastet uns und ist ein großer Diskussionspunkt in der Partei, dass der Westen und der Süden sehr knapp bzw. gar nicht in der Regierung vertreten sind. Das halte ich persönlich auch für problematisch. Wir anerkennen, dass sich der Obmann sein Team selbst aussuchen können muss. Wir aus dem Westen haben versucht, dazu unseren Beitrag zu leisten, indem wir nicht darauf bestanden haben, dass aus jedem Land – Vorarlberg, Tirol, Salzburg – ein Minister kommen muss, sondern nur einer für den Westen als Untergrenze. Nun ist eine gewisse Betonung von Wien und Niederösterreich festzustellen.

Jetzt scheren ÖVP-Abgeordnete bei Abstimmungen im Parlament aus. Wird das zur Regel?

Man kann Karlheinz Töchterle nicht zumuten, zuzustimmen, dass es sein Wissenschaftsministerium nicht mehr gibt. Dafür muss man menschlich Verständnis haben und die Größe, das zu akzeptieren. Aber natürlich, so etwas schlägt immer weitere Kreise, und es ist eine gewisse Bewegung im System des Klubzwangs – den es ja offiziell ja gar nicht gibt. Es kann Konstellationen geben, wo auch Salzburger Abgeordnete sagen: ,Da können wir nicht mit.‘ Dieses Recht werden wir uns sicher nicht nehmen lassen.

Haben Sie ein spezielles Anliegen an den Bund?

Unsere Medizin-Uni wird derzeit privat, von Stadt, Land und den Beiträgen der Studierenden finanziert. Nun geht es um eine Finanzierung durch den Bund. Außerdem soll der Bund dem Salzburger Landesklinikum die medizinische Forschung und Ausbildung abgelten, analog zu Wien, Graz und Innsbruck.

Wie lautet Ihre Prognose für die Bundesregierung?

Nach dem holprigen Start kommt es jetzt darauf an, was die beiden Parteien mit ihren Parteichefs aus dem Arbeitsprogramm machen. Da ist alles drinnen – von sehr positiv bis ganz negativ. Und – das ist ja mit Händen zu greifen – es ist eine klimatische Verbesserung in der öffentlichen Wahrnehmung zu finden. Dann kann diese Regierung durchaus wieder Sympathien gewinnen.

Die Wissenschaft ist ins Wirtschaftsministerium gewandert. Na und? Sie war auch schon einmal beim Verkehr, bei der Kultur und bei der Schule. Karlheinz Töchterle ist ein gescheiter, sympathischer Gesprächspartner. Aber hat er politisch etwas durchgesetzt? Eher nicht. Es kann für die Wissenschaft daher sogar besser sein, wenn sie nicht von einem ehemaligen Rektor, sondern von einem Minister vertreten wird, der sowohl in der Partei als auch in der Politik fest verankert ist und ein Ressort mit Gewicht leitet.

So weit die Theorie. In der politischen Praxis, wo es oft nur um Symbole geht, wurde es als falsches Signal aufgefasst. Außerdem muss die Liebe Reinhold Mitterlehners zu seinem neuen Ressort erst wachsen. Seine neue Klientel ist durchaus anstrengend. Die Rektoren neigen ja dazu, ihre jeweiligen Minister zu verachten, wenn diese nicht zumindest habilitiert sind (wobei auch Ex-Professor Tuppy als besonders durchsetzungsschwacher Minister galt). Die Studenten wiederum haben dem Minister ihre Mobilisierungsfähigkeit schon vorgeführt. Besser wäre es allerdings, würden sie diese für wirklich wichtige Anliegen aufsparen. Nein, damit ist jetzt nicht der übliche „Gender“-Quatsch gemeint, mit dem sich die rot-grüne Hochschülerschaft hauptamtlich beschäftigt. Es geht um die ureigenen Sorgen der Studenten: Knock-out-Prüfungen selbst im allerletzten Studienabschnitt und Unilehrende, die sich um sie keinen Deut scheren (können). Interessanterweise wird seit Jahrzehnten über die Lehrer an den Schulen geklagt, aber niemanden kümmert’s, dass sich die Unilehre oft in einem deutlich beklagenswerteren Zustand befindet.

Drohende Ökonomisierung?

Denjenigen, die jetzt die Unis wegen drohender „Ökonomisierung“ schwarz beflaggt haben, sei übrigens ein Blick in die Schweiz empfohlen: Das Land gibt drei Prozent des Volkseinkommens für Forschung und Entwicklung aus, mehr als Österreich. Der überwiegende Anteil kommt aus privaten Unternehmen, der Staat kümmert sich um Grundlagenforschung. Die Schweiz zählt zu den innovativsten Ländern der Welt. Ein bisschen von diesem Geist würde Österreich nicht schaden.

Bei uns herrscht eine besonders perfide Spielart der „Ökonomisierung“: Die Unis sind scheinbar hürdenfrei, aber es braucht einen langen Atem (und begüterte Eltern), um sich durchzuschlagen. Reinhold Mitterlehner kann das Getöse um sein neues Amt nutzen, um positiv zu überraschen. Und Töchterle? Der hat sich jetzt endgültig als überparteilicher Präsidentschaftskandidat qualifiziert: stimmt für den Antrag von Neos und Grünen im Parlament (für ein eigenes Wissenschaftsressort) und kündigt an, sich „nach Möglichkeit“ gegenüber der ÖVP loyal zu verhalten, aber nicht um jeden Preis (schließlich ist er nach wie vor parteilos). Er steht der Macht demütig gegenüber: Im Talk bei „Stöckl“ sprach er Donnerstagnacht davon, nur ein „scheinbar Mächtiger“ gewesen zu sein. Und er zitierte weiterhin fehlerfrei gescheite, lateinische Sprüche. „Viribus unitis“ – na bitte, wer könnte besser für die Hofburg geeignet sein?

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