"Lohnsteuersenkung nur mit neuen Steuern machbar"

Hans Peter Haselsteiner ist überzeugt, nur mit Reform wird die Lohnsteuersenkung nicht gelingen
Der Multi-Millionär und Neos-Unterstützer über die Vorarlberg-Wahl, die Sanktionen und warum nur mit Reformen und Ausgabenkürzungen keine Lohnsteuersenkung finanzierbar ist.

KURIER: Herr Haselsteiner, heute wählt Vorarlberg einen neuen Landtag. Welches Ergebnis erwarten Sie sich von den Neos? Soll es zweistellig werden?

Hans Peter Haselsteiner:Wenn die Neos die zehn Prozent überspringen, wäre es schon eine tolle Leistung, aber auch acht Prozent sind großartig. Das Wahlziel muss sein, eine absolute Mehrheit zu verhindern und so die ÖVP in eine Koalition zu zwingen, damit die Allmacht ein Ende hat.

Hans Jörg Schelling ist nun seit drei Wochen Finanzminister. Sehen Sie schon Tendenzen, dass der Ex-Manager freier agiert als die gelernten Politiker?

Politik wird in Österreich fast ausschließlich von Berufspolitikern gemacht und darin liegt folgendes Problem: Die politische Kaste hat mit Ausnahme ihrer politischen Karriere keine befriedigende Alternative. Dieser Zustand setzt schon sehr früh ein, spätestens um die 40. So wird die Wiederwahl zum einzigen und vordringlichen Ziel. In der Folge geht es nicht mehr darum, gute Politik zu machen, sondern nur darum, wiedergewählt zu werden. Das ist die Schwäche des Systems. Das Schielen auf die Wiederwahl fällt bei Schelling weg, insofern ist er in seinen Entscheidungen freier. Denn dieses Schielen verhindert nachgewiesenerweise das Treffen von vernünftigen Entscheidungen.

Haben Sie nun Hoffnung, dass Hans Jörg Schelling wirklich Reformen durchziehen wird?

Das glaube ich durchaus. Das Trio Mitterlehner, Schelling und Mahrer – der ja ein Querkopf ist – sind eine erstaunliche Konstellation. Ich hoffe, dass die Herren Pröll & Co. das Trio arbeiten lassen.

Welche Erwartungen haben Sie von der geplanten Steuerreform? Wird die Gegenfinanzierung ohne neue Steuern funktionieren?

Jede Steuererhöhung ist unmoralisch, bis die Bundesregierung nicht nachgewiesen hat, dass sie alle anderen Potenziale ausgeschöpft hat. Hier ist aber seit Jahrzehnten nichts passiert. Der Druck ist nach wie vor viel zu schwach, was die Föderalismusreform oder die vielen Punkte im Reformpapier des Rechnungshofes betrifft.

Sie rechnen demnach mit neuen Steuern?

Reformen sind träge in der Wirkung und sind in der Anfangsphase sehr kostspielig, bis sie sich positiv im Budget niederschlagen. Trotzdem müssen sie unbedingt gesetzt werden. Daher wird man, wenn man eine namhafte Steuerreform haben will, an einer Gegenfinanzierung mit neuen Steuern oder Steuererhöhungen nicht herum kommen.

Sie sind ein Befürworter der Reichensteuer. Experten behaupten, eine Vermögenssteuer ist, falls nur Reiche besteuert werden, eine Bagatellsteuer. Wirklich effizient ist sie nur als Massensteuer. Wollen Sie das wirklich?

Immerhin würde die Bagatellsteuer zwischen 800 Millionen bis eine Milliarde Euro bringen. Dann müssten wir nicht wichtige Projekte, wegen Bagatellkosten von einigen Hunderttausend absagen, wie es momentan der Fall ist. Die Steuerfrage ist auch eine Empfindungsfrage des Individuums. Es geht hier maßgeblich um Fairness. Wenn die Fairness so ausschaut, dass in allen anderen Ländern die vermögensbezogenen Steuern fünf Prozent des Gesamtaufkommens ausmachen und bei uns nur 0,5 Prozent, fragen sich die Menschen mit Recht: Wie haben es sich die Vermögenden bei uns gerichtet? Aber da wollen meine Familie und ich nicht dabei sein.

Viele befürchten, dass eine vermögensbezogene Steuer von fünf Prozent einen Abfluss des Vermögens ins Ausland auslösen würde ...

Ich habe immer gesagt, dass ich Vermögenssubstanzsteuern ablehne. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man ein großes Vermögen haben kann, aber kein Geld, die Steuern zu zahlen. Ich halte es nicht für wünschenswert, dass die Menschen gezwungen werden, sich der Steuerlast wegen von ihrem Vermögen zu trennen. Dass ist kein gesellschaftspolitisch sinnvolles Konzept. Aber ich glaube, dass alle anderen Arten von vermögensbezogener Steuern zu rechtfertigen sind. Eine Substanzsteuer nehme ich – im Übrigen auch die Neos – aus: die Grundsteuer. Die ist einfach ein Witz, die gibt es eigentlich nicht, weil wir sie seit Jahren mit dem Einheitswert künstlich niedrig gehalten haben.

Welche neuen Steuern meinen Sie nun konkret?

Man kann eine Erbschafts- und Schenkungssteuer einführen. Ich bin auch ein vehementer Vertreter der Tobin-Tax und glaube, dass eine Transaktionssteuer möglich und auch vollkommen unschädlich ist. Wenn diese Steuer nur den Hochgeschwindigkeitshandel unmöglich macht, wäre es schon ein riesiger Dienst an der Gesellschaft. Denn mir konnte noch niemand erklären, welchen Wert es für die Wirtschaft hat, wenn innerhalb von einer Stunde ein Börsentitel 3000-mal mit einer 0,02-Prozent-Spanne gehandelt wird.

Wie stehen Sie zu den Sanktionen gegen Russland?

Ich lehne Sanktionen als Unternehmer ab, aber in diesem besonderen Fall halte ich sie für alternativlos. Ich hoffe, dass die Sanktionen nicht schmerzhaft sind – weder für uns noch für die Russen. Andererseits hoffe ich, dass die Sanktionen die Russen ausreichend warnen, dass es mit der Putin-Politik so nicht weitergehen kann. Aber das sind Hoffnungen.

Spürt die Strabag die Sanktionen?

Nein, wir erwarten auch keine negativen Auswirkungen. Dafür müsste es schon zu einer richtigen wirtschaftlichen Konfrontation zwischen der EU und Russland kommen.

Ist es für die Ukraine realistisch, in Zukunft ein unabhängiger Staat zu sein?

Das ist für mich unbestritten. Wichtig ist nun, dass das Töten ein Ende hat. An eine Entwaffnung ist nicht zu denken. Auch wird der eine oder andere kleine Konflikt nicht zu verhindern sein. Im Prinzip müsste der aktuelle Ist-Zustand eingefroren werden. Sowohl Russland als auch der Westen müssten als nächsten Schritt gemeinsam mit den Ukrainern einen Verfassungsvorschlag erarbeiten, wie die Ukraine mit den Minderheiten umgeht. Wie setzen sie den Föderalismus um? Wie wird die Kultur der Minderheit geschützt? Wie lösen sie das Sprachproblem? Welche Autonomie bekommt die Minderheit? Das ist ein großes Versäumnis der Ukraine, aber auch des Westens, dass sie ein solches Bekenntnis der Ukraine nicht schon längst eingefordert haben. Diese Maßnahme hätte brandlöschend gewirkt.

Welche Rolle muss die NATO im Friedensprozess spielen?

Wenn die NATO ein Signal gibt, dass es nicht ihr größter Wunsch ist, die dichteste Raketenbatterie an der russischen Grenze aufzustellen, wäre das auch hilfreich, den Konflikt einzufrieren. Der größte Fehler passierte beim NATO-Gipfel 1994. Damals hätte es der Westen in der Hand gehabt, dass es nie zu den Konflikten in Georgien und in der Ukraine kommt. Aber wir haben die Russen in Sicherheit gewiegt und sie in Wahrheit gelinkt. Dann hat die NATO noch ein Raketenschild in Polen gegen den Iran aufgestellt. Wäre ich Russe, würde ich mich fragen: Hat dieses Raketenschild in Polen nicht noch eine zweite Funktion? Da sind schon grundlegende Fehler gemacht worden. Die Europäer ließen sich das gefallen, sich vor den amerikanischen Karren spannen zu lassen.

Sie haben die Essl-Sammlung gekauft. Wie lange dauerte es, bis der Deal stand?

"Lohnsteuersenkung nur mit neuen Steuern machbar"
Erl-Intendant Gustav Kuhn (li.) mit Erl-Mäzen und Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner
Der Deal war im Prinzip in sechs Tagen abgeschlossen. Herr Essl hat mich in einer sehr korrekten und offenen Art kontaktiert. Es herrschte ein relativ großer Zeitdruck und wir waren uns nach drei Tagen einig. Die Banken benötigten dann noch drei weitere Tage. Herr Essl und ich haben weitgehend idente Interessen. Denn auch die Strabag hat ja keine unbedeutende Sammlung mit 2500 Werken, auch wenn sie nur halb so groß ist wie jene von Essl. Es war in unserem Interesse, die Essl-Sammlung intakt zu lassen, den Markt nicht zu destabilisieren und vor allem die Künstler nicht vor erhebliche Probleme zu stellen. Was sollen die Künstler noch verkaufen, wenn plötzlich Hunderte Werke auf den Markt zu kommen? Maria Lassnig betrifft das nicht mehr. Aber es gibt viele andere Künstler, die ernste Probleme bekommen hätten.

Was planen Sie auf der Donauinsel mit der Copa Cagrana?

Mein einziges Interesse ist, das es nicht so bleibt, wie es ist. Von Strabag-Büro schauen wir schon seit 10 Jahren auf die Copa Cagrana. Jedes Mal, wenn ein hochrangiger Besucher im Büro war, habe ich im Rathaus angerufen und mitgeteilt, dass sich mein Besuch wundert, wie sträflich Wien mit seiner Wasserlinie umgeht. Ich würde sofort einen Ideenwettbewerb ausschreiben. Denn die Copa Cagrana ist in diesem Zustand eine städteplanerische Herausforderung erster Ordnung.

Der gebürtige Wörgler (*1944) trat in das Bauunternehmen seines Schwiegervaters ein und machte daraus durch Zukäufe den STRABAG-Konzern, bei dem er bis 2013 Vorstands- vorsitzender war. Haselsteiners geschätztes Vermögen: 800 Millionen Euro. In der Politik war Haselsteiner von 1994 bis 1998 Abgeordneter des Liberales Forums (LIF). Nach dem Ende des LIF unterstützte er zuletzt die mit dem LIF fusionierten Neos. Haselsteiner hat auch ein Herz für die Kultur.Er finanzierte das Fest- spielhaus in Erl und kaufte die Essl-Sammlung um 100 Mio. Euro

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