"Durch Arbeit kann man heute kaum reich werden"

Hans Peter Haselsteiner hat den Brief des Finanzministers an Millionäre "erhalten und weggeworfen"
Hans Peter Haselsteiners Plädoyer: Runter mit Steuerquote, rauf mit Ertragssteuern.

KURIER: Herr Haselsteiner, kürzlich sorgten heimische Millionäre für Aufsehen, weil sie gefordert haben: "Lasst uns mehr Steuern zahlen, wir wollen mehr zum Allgemeinwohl beitragen!" Gehören Sie auch zu dieser Gruppe?

Hans Peter Haselsteiner: Im Prinzip ja.

Sie würden tatsächlich gerne mehr ins Budget einzahlen?

Von gern kann keine Rede sein, zumal jeder derartigen Debatte vorausgeschickt werden muss, dass die Steuerquote zu hoch ist. Österreichs Steuerquote ist eine Beraubung der Bürger durch verschiedene Gruppen – und die Politik duldet das.

Wer sind die Gruppen?

Zum Beispiel die Föderalisten, die ein System aufrechterhalten wollen, obwohl sie wissen, dass es Milliarden kostet. Oder die Pensionsmillionäre, die unglaubliche Privilegien kassieren. Bei der Steuerdebatte muss man zunächst immer sagen: Die Steuerquote gehört runter. Sonst geht das alles in die falsche Richtung.

Aber die Debatte jetzt lautet ja: Mehr Steuern auf Vermögen, weniger auf Arbeitseinkommen.

Das stimmt nicht. Die Debatte jetzt geht in die Richtung: Wie lukriere ich noch mehr Steuergeld? Gäbe es eine Verpflichtung der Regierung, dass die Steuerquote durch Maßnahmen keinesfalls steigen wird oder gar sinkt...

...dann würden Sie auch mehr Vermögenssteuern zahlen?

Dann sehe ich darin eine Begründung, der man sich schwer entziehen kann. Es ist sattsam bekannt, dass Arbeit sehr hoch und Vermögen sehr niedrig besteuert werden.

Die SPÖ will Vermögen über 1 Million Euro mit 0,5 Prozent besteuern. Ein guter Vorschlag?

"Durch Arbeit kann man heute kaum reich werden"
Austrian construction group Strabag CEO Hans Peter Haselsteiner sits at his desk ahead of an interview with Reuters in Vienna July 4, 2012. Strabag, emerging Europe's biggest construction group, is suffering from relentless price pressure as austerity-focused governments hold back on projects and rivals fight to win contracts at any price, Chief Executive Peter Haselsteiner said. Haselsteiner told Reuters he still considered the company's full-year profit target to be extremely ambitious, but assumed that the key German market at least would remain strong this year and next. Picture taken July 4, 2012. To match Interview STRABAG/INTERVIEW REUTERS/Lisi Niesner (AUSTRIA - Tags: BUSINESS CONSTRUCTION)
Ich habe mich immer gegen Substanzsteuern ausgesprochen, weil ich sie für ungerecht und unfair halte. Vermögenssubstanzsteuern haben mit der tatsächlichen Steuerkraft nichts zu tun, es gibt Menschen, die auf Vermögen sitzen, real aber kein Geld haben. Wovon ich viel halte, sind Vermögenstransfersteuern. Wenn es bei jemandem in der Kassa klingelt, dann kann er einen Teil davon abgeben.

Sie plädieren für eine höhere Kapitalertragssteuer?

Wenn jemand etwas erbt oder geschenkt bekommt, ist die Kapitalertragssteuer mit 25 Prozent ohnehin erst der halbe Spitzensteuersatz, da gibt es noch Spielräume. Ertragssteuern sind eindeutig, da kann man nicht sagen: Das trifft Kleine besonders hart.

Soll es eine Obergrenze geben?

Bei Steuerdebatten ist eine Obergrenze nie sinnvoll. Ich wüsste nicht, wie man das logisch begründet. Schauen Sie sich das 13. und 14. Monatsgehalt an. Das begünstigt die am stärksten, die es am wenigsten brauchen. Je höher das Einkommen, desto größer ist der Effekt dieser Steuerbegünstigung.

Also den Steuervorteil beim 13. und 14. ab einer gewissen Einkommenshöhe abschaffen?

Das ist eine heilige Kuh. Aber wenn man eine Steuerreform andenkt, kann man sich dem nicht entziehen.

Halten Sie den Zugang der ÖVP – wir reden erst über Einsparungen durch Reformen und dann über die Steuerreform – für klug?

Nicht unbedingt. Eine Steuerreform kann man zu jedem Zeitpunkt machen, weil die Reform nur klärt, ob das Steuersystem in sich stimmig ist. Steuern müssen zueinander in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Die Entrümpelung bzw. Steuer-Ersparnis des Staates ist eine zweite Baustelle. Am Ende geht es darum, dass die Politik den Menschen eine Veränderung aufzwingt. Die Debatte muss aber geführt werden, denn manches ist absurd.

Was zum Beispiel?

Zum Beispiel wie sich Nationalbanker oder AUA-Piloten wehren, wenn sie Einschnitte bei Pensionsprivilegien in Kauf nehmen sollen.

Die Regierung müsste derlei Privilegien mutiger angehen?

Es wird ihr nichts anderes übrig bleiben. Nicht, wenn sie ein Budget haben will, das für folgende Generationen Sinn macht.

Trauen Sie der Regierung diese Kraft noch zu?

Mein Zutrauen ist nicht sehr hoch. Wären Fähigkeit und Bereitschaft da, hätten wir davon etwas gesehen.

Ganz grundsätzlich: Ab wann ist man reich? Ab einer Million Euro, wie die Politik meint?

Man ist reich, wenn man glücklich ist. Materiell wohl dann, wenn man mehr Geld hat als man ausgeben will.

Sie fördern karitative Projekte von Pater Sporschill. Wie viel von Ihrem Vermögen geben Sie für Spenden aus?

Das Verhältnis hab’ ich nie nachgerechnet.

Ihre Familienstiftung schüttet 51 Prozent für soziale und kulturelle Zwecke aus – gilt das nach wie vor?

Das gilt nach wie vor.

Sollte das zur Regel werden?

Das muss jeder selbst wissen, unsere Familie hat das so entschieden. Ich halte aber nichts von genereller Freiwilligkeit. Wir haben doch alle Lebenserfahrung und wissen: Es gibt immer Leute, die beim Zahlen am Klo sind, damit die anderen die Rechnung übernehmen.

Was halten Sie von dem Brief, in dem der Finanzminister Millionäre, die eine Reichensteuer wollen, ersucht, stattdessen für Forschung und Unis zu spenden?

Ich habe ihn auch bekommen – und weggeworfen.

Ist den Wohlhabenden bewusst, in welch guter Position sie in Österreich leben?

Manchen ja. Ich selbst sehe meine Situation nicht als selbstverständlich. Wenn man keine Angst haben muss, dass die Kinder entführt werden oder man eine über die Birne gezogen bekommt, wenn man also wohlhabend sein darf und das genießen kann, ist man privilegiert. Im Gegenzug muss man dafür etwas tun. Die Gesellschaft braucht einen Kitt und der besteht darin, dass möglichst viele das Gefühl haben, jeder leistet seinen fairen Beitrag. In Österreich, wo es sich viele richten, ist diese Debatte zu führen – auch die Pensionsdebatte.

Die Hofratswitwe mit einer guten Pension ist auch reich?

Was heißt, die ist Millionärin! Wenn jemand eine Jahrespension von 100.000 Euro hat und 60 Jahre alt ist, ist er Millionär. Als ASVG-Versicherte müssten Sie Millionen gespart haben, damit Sie sich diese Pension über Jahre leisten können. Haben Sie das?

Nicht, dass wir wüssten.

Eben! Aber die Hofratswitwe hat das, auf Staatskosten und gesichert. Dass diese Pensionisten geschützt werden, ist unverständlich.

Wer schützt diese?

Die Regierung. Da verstehe ich auch meinen Freund Rudolf Hundstorfer nicht.

Der prominente Wirtschaftswissenschafter Thomas Piketty behauptet, mit Arbeit könne man nicht mehr reich werden, nur durch Erben. Hat er recht?

Sein Buch ist polemisch, aber in dem Fall trifft er einen bedrückenden Punkt. Durch Arbeit kann man heute tatsächlich kaum reich werden.

Karriere Der gebürtige Wörgler (*1944) trat in das Bauunternehmen seines Schwiegervaters ein und machte daraus durch Zukäufe den STRABAG-Konzern, bei dem er bis 2013 Vorstandsvorsitzender war. Haselsteiners geschätztes Vermögen: 800 Millionen Euro.

Politik 1994 bis 1998 war Haselsteiner Nationalratsmandatar des Liberales Forums (LIF). Nach dem Ende des LIF blieb er ein Förderer und unterstützte zuletzt die mit dem LIF fusionierten Neos.

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