Schelling und die Hypo: ÖVP-Strahlemann im Härtetest

Schelling und die Hypo: ÖVP-Strahlemann im Härtetest
Schellings Milliarden-Poker: Der Finanzminister muss die Hypo und die Steuerreform politisch stemmen.

Dieser Tage passiert Ungewöhnliches. In Sozialen Medien und an Stammtischen, also dort, wo nichts Gutes über Politiker geschrieben und befunden wird, kommt Lob für einen dieser Zunft: Hans Jörg Schelling rede nicht nur, er sage etwas; er eiere nicht herum, er handle. Auch die Roten, ja selbst Oppositionelle zollen dem Schwarzen Respekt.

Parteifreunde aus den Ländern toben. Niederösterreichs Landesrat Wolfgang Sobotka hat Schelling via KURIER gar gedroht: "Bei Philippi sehen wir uns wieder!"

Vor einer Woche hat der Finanzminister Gewagtes und Weitreichendes entschieden: Es gebe kein weiteres Steuergeld für die Hypo-Bad Bank Heta. Nicht nur Banken und Versicherungen im Ausland, auch die Hypos der Bundesländer bleiben auf ihren Millionen-Forderungen sitzen. Die Landeshauptleute fühlen sich hintergangen, nicht eingebunden habe sie Schelling bei dem "von langer Hand" vorbereiteten Coup. Erwin Pröll grollt: "Wir haben am Weg in die nächsten Jahre viele Berührungspunkte mit dem Finanzminister. Deswegen ist es wichtig, dass die Vertrauensbasis stimmt, wir uns auf Augenhöhe begegnen."

Problemlöser

Eine heikle Situation für Schelling. Er wäre nicht der erste ÖVP-Ressortchef, den Landesfürsten demontieren.

Schelling lässt sich von dem Gezeter nicht beirren: "Wir haben alle Varianten geprüft. Diese ist die beste."

Schon beim Amtsantritt vor einem halben Jahr hat er, als Erbe der Hypo-Milliarden-Last, kundgetan: "Die Probleme sind lösbar." Das will der gebürtige Vorarlberger, der in St. Pölten lebt, beweisen. Nicht nur in Sachen Hypo, auch bei der Steuerreform, über die Rot und Schwarz heute erneut verhandeln – und die am 17. März stehen soll.

Zauderer und Zögerer, Vorsichtler und Rücksichtler war Schelling nie. Er gibt, wie einst als Manager in der Privatwirtschaft, die Linie vor. ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war nicht kategorisch gegen Vermögenssteuern – bis Schelling konstatierte, solche kämen nicht infrage. Die SPÖ war erbost, weil er – trotz Verhandlungsgeheimhaltungsgelöbnisses – öffentlich bestätigt hatte, dass die Mehrwertsteuer auf bestimmte Güter erhöht werden soll.

Selbstbewusst ist der 61-jährige 1,91-Meter-Mann. Und so stellt er sich gern zur Schau. Andere Minister nervt, wenn sie Journalisten vor der dienstägigen Regierungssitzung belagern, Schelling genießt die Aufmerksamkeit – und schweigt nicht; er referiert. Dieses Gehabe bringt Neider – in der eigenen Partei. Ein Gschaftlhuber sei Schelling, der alles zu wissen und zu können glaube, sagen ÖVPler.

Auch wenn er sich zu vermarkten versteht, Schaumschläger ist Schelling nicht. Er kennt sich aus in der Materie, arbeitet sich in Neues rasch und akribisch ein. Das und sein Ehrgeiz haben ihn schon in der Vergangenheit beruflich weit gebracht. In den 1980er-Jahren werkte er sich bis in die Geschäftsführung von Kika-Leiner hoch; er überwarf sich aber mit Rudolf Leiners Schwiegersohn – und wechselte zum Konkurrenten Lutz. Unter seiner Ägide stieg der Umsatz auf zwei Milliarden – Lutz wurde damit zu einem der größten Möbelhäuser.

Schelling verkaufte seine Anteile, machte damit ein Vermögen – und sich selbst finanziell unabhängig von allem und jedem.

Das macht auch frei für die Politik. Die war für Schelling kein Neuland, als er das Finanzressort bezog. Stadtrat in St. Pölten war er, ein Jahr lang Nationalratsmandatar, Vizepräsident der Wirtschaftskammer.

"Alphatier"

Im Verhandeln ist Schelling geübt. Als Chef der Sozialversicherung gesundete er die maroden Krankenkassen – freilich auch mit Steuerzuschuss. Der rote Wiener Kassenobmann und Gewerkschafter Franz Bittner soll so angetan gewesen sein, dass er bedauerte, dass Schelling kein SPÖler ist. Bei den Koalitionsgesprächen 2013 war dieser auch mit von der Partie, an Mitterlehners Seite befasste er sich mit Pensionen und Finanzen. Nun ist er Mitterlehners mächtigster Minister. Da beide "Alphatiere" sind, fragten sich auch ÖVPler, wie lange es dauern würde, bis sie aneinandergeraten. Bis dato ist das nicht passiert.

Der Koalitionspartner kommt mit Schelling ebenfalls zurecht – ungeachtet dessen konservativen Weltbilds. "Man kann mit ihm auf sachpolitischer Ebene gut zusammenarbeiten", sagt SPÖ-Klubchef Andreas Schieder. Schelling sei wohltuend im Vergleich zu den Vorgängern Fekter und Spindelegger, urteilt ein anderer; er verstehe etwas vom Fach. Und er versucht, das Gegenüber auch zu unterhalten. Als in der Steuerreformgruppe Betrugsbekämpfung Thema war, erzählte Schelling einen Witz: "Ein Mann betritt eine Schweizer Bank, flüstert: ,Ich würde gern eine Million anlegen.‘ Der Beamte sagt: ,Sie müssen nicht leise reden. Armut ist keine Schande.‘"

Dass Schelling als Finanzminister in Pension geht, bezweifeln Parteifreunde. Er wolle politisch noch weiter nach oben. Als Alternative zu Erwin Pröll für die Hofburg wird er gehandelt. Schelling winkt ab: "Dass ich als Bundespräsident kandidiere, ist auszuschließen." Würde ihm nach der Wahl das Finanzressort erneut angeboten, würde er aber "überlegen".

Nach der Politik will sich Schelling auf sein Weingut, gepachtet vom Stift Herzogenburg, derzeit von Tochter Julia geführt, zurückziehen. "Das war von Anfang an so vorgesehen. Das habe ich für die Politik temporär unterbrochen." Der Wein und seine Frau Ursula werden wohl noch eine Weile auf ihn warten müssen.

... die Entscheidung, kein Geld mehr in die Heta zu geben:

Es war eine schwierige, aber klare Entscheidung, die mir keine schlaflosen Nächte bereitet – und mit deren Folgen sich meine potenziellen Nachfolger im Amt nicht herumschlagen werden müssen.

... sich selbst:

Ich bin genügsam und sparsam, ein Mensch mit schneller Auffassungsgabe, der kreative Lösungen anstrebt. Ich bin auch ehrgeizig, manchmal ungeduldig, wenn etwas nicht schnell geht. Ein Polterer bin ich nicht; meine Mitarbeiter haben mich nie schreien gehört.

... den Vorhalt, er sei ein Selbstdarsteller:

Ich bin einer, der Dinge, die er vertritt, gut verkauft – weil die Bevölkerung das Recht auf klar und verständlich Formuliertes hat. Wenn das als Selbstdarstellung gilt, bin ich stolz darauf.

... weitere Berufsambitionen:

Ich gehe davon aus, bis 2018 Finanzminister zu sein. Sollte ich nach der Wahl, bei entsprechender Konstellation, gefragt werden, weiter Finanzminister zu sein, würde ich überlegen. Es gibt noch große Probleme zu bewältigen.

... über ein etwaiges Angebot aus der ÖVP, 2016 für die Hofburg zu kandidieren:

Dass ich als Bundespräsident kandidiere, ist auszuschließen. Dieses Amt entspricht nicht meinem Charakter. Ich bin einer, der etwas bewegen will, aber kein Repräsentationstyp. Sie bekommen keinen Notariatsakt von mir, mein einfaches Nein muss reichen.

Privat & Beruf Geboren am 27. Dezember 1953 in Hohenems. Jusstudium in Wien, Betriebswirtschaft in Linz. 1981 Assistent der Geschäftsleitung von Leiner/Kika; 1988 Geschäftsführer. 1992 Wechsel zum Konkurrenten XXXLutz; bis 2005 Geschäftsführer. Auch in etlichen Aufsichtsräten – und Unternehmensberater bis 2014.

Politik 2001 Stadtrat von St. Pölten. 2004 Wirtschaftskammer-Vize. Von 1. Februar 2007 bis 28. Oktober 2008 Nationalratsmandatar. 2009 Sozialversicherungschef. Am 1. September 2014 (als Nachfolger Michael Spindeleggers) als Finanzminister angelobt. Schelling ist verheiratet, er hat zwei Töchter aus erster Ehe.

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