"Wir sind mit vielem in Verzug"

"Wir haben viel zu oft den falschen Weg beschritten."
Der Finanzminister will Bund-Länder-Kompetenzen neu ordnen und 1 Milliarde für die Wirtschaft.

KURIER: Herr Finanzminister Schelling, laut WIFO-Chef Karl Aiginger werden Sie 2016 das Nulldefizit nicht erreichen, wenn Sie nicht sparen. Hat die Regierungsklausur in Krems Sie dem Sparziel nähergebracht?

Im Bundesfinanzrahmen, den wir demnächst beschließen, bekennt sich die Regierung zum strukturellen Nulldefizit 2016. Wenn wir das Ziel schaffen wollen, kann es nicht ständig Zusatzwünsche der Ressorts geben. Wir müssen restriktiv sein. Ein leicht nach oben revidiertes Wachstum kann uns zwar helfen, aber wer darauf setzt, dass man mit Wachstum das Budget sanieren kann, irrt. So viel Wachstum, wie wir dazu bräuchten, gibt es nicht. Bei der Klausur ist es gelungen, Projektteams und Sparziele festzulegen. Das wird nun abgearbeitet.

Das haben die Bürger schon oft gehört, und wurden ebenso oft enttäuscht. Warum soll man nun Vertrauen haben?

Wir haben viel zu oft den falschen Weg beschritten. Wir haben eine Abstimmung übers Bundesheer gemacht, ohne zu wissen, was das Heer genau tun soll. Die Bildungsreform ist in einen langen Streit über das Lehrerdienstrecht ausgeartet. Nun gehen wir anders vor, siehe Steuerreform: Ziele, Terminpläne, Verhandlungsteams, Umsetzung. Wir sind bei vielen Reformen in Verzug.

Bleiben wir bei den Terminen. Am 17. November ist Abgabeschluss für die Bildungsreform...

... und am 29. Februar 2016 für das Pensionspaket. Bei den Pensionen geht es nicht um ein paar kurzfristige Maßnahmen, sondern um eine langfristige Absicherung des Systems. Dazu müssen wir etwas tun. Wir werden alle Maßnahmen, die mit 1. 1. 2014 zur Anhebung des faktischen Pensionsantritts-alters in Kraft getreten sind, bis Ende 2015 evaluieren. Das Finanzministerium wird alle Zahlen systematisch analysieren, gemeinsam mit dem Sozialministerium. Sollten die Maßnahmen nicht greifen, wird es weitere geben. Mir ist ein besonderer Dorn im Auge, dass in der Pensionskommission fünf Stellschrauben vereinbart sind, um im Pensionssystem nachzujustieren, doch es wird nie auch nur an einer Schraube gedreht, weil sich die Kommission nie einigt, an welcher.

Sozialminister Hundstorfer hat Ihre Vorschläge "Schall und Rauch" genannt ...

Ich hab’s gehört. Jetzt ist das Projekt dennoch fixiert. Mit Zeitplan. Aber durch Zerreden von Einzelvorschlägen kommen wir nicht weiter. Beispiel Frauen, da geht es ja nicht um eine Erhöhung des Pensionsalters – die kommt ja, das ist bereits Gesetz. Es geht nur um die Frage, den Anstieg vielleicht früher beginnen zu lassen und dafür in kleineren Schritten. Aber eben nur, wenn es ein Gesamtpaket gibt.

Die Regierung will, dass die Verwaltungskosten um 1,7 statt um 2,7 Prozent steigen dürfen. Wie werden Sie das umsetzen?

Jeder, Länder, Bund, ausgegliederte Fonds, muss Maßnahmen vorschlagen, wie er dieses Ziel erreicht. Und bewerten, ob sie den gewünschten Effekt bringen. Dann werden wir wahrscheinlich halbjährlich den Sparprozess evaluieren.

Gibt es Sanktionen, wenn sich jemand nicht an die Kostenbremse hält?

Darüber werde ich mit den Ländern beim Finanzausgleich reden.

Moment – Sie wollen bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich auch eine Föderalismusreform angehen?

Wir drehen uns ja seit dem Österreich-Konvent in den Kompetenzfragen im Kreis. Bei der nun geplanten Bildungsreform wird ja eines der Kompetenzthemen erledigt. Beim Finanzausgleich werden wir eine Aufgabenkritik machen, wie wir die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit in eine Hand bringen, ergebnisoffen. Das Geld wird knapp, beim Bund, in den Ländern und in den Gemeinden. Einer bestellt, der andere zahlt – das muss aufhören.

Sollen die neun Bundesländer selbst Steuern einheben dürfen?

Ich hielte für gut, wenn sie in manchen Bereichen auch für die Einnahmen verantwortlich wären. Das darf aber zu keinem ruinösen Steuerwettbewerb führen. In der Schweiz ist das noch mit direkter Demokratie unterlegt. Die Länder könnten etwa bei Sonderprojekten ihre Bürger fragen: Wollt ihr das? Und wie finanzieren wir das?

Also könnte es für Projekte länderweise Zuschläge auf Bundessteuern geben?

Wenn die Bürger dafür stimmen. Das ist eine Möglichkeit, die technisch geprüft wird.

Herr Minister, Sie senken jetzt um fünf Milliarden Euro die Lohnsteuern. Die Wirtschaft fordert nun für sich niedrigere Lohnnebenkosten. Welches Volumen peilen Sie an?

Es muss spürbar sein. Eine Milliarde Euro wäre gut, es muss aber finanzierbar sein.

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