Hält das Aus für "Land der Schuldenberge"?

Michael Spindelegger: Erste Budgetrede
Michael Spindeleggers erste Budgetrede überraschte zu Beginn und mit manchem Lob – nicht aber mit den versprochenen Reformen.

Einen Satz lang schien an diesem Dienstag alles anders. Michael Spindelegger sparte sich eine lange Einleitung, stattdessen drückte er sich kräftig vom gläsernen Rednerpult ab – und legte einfach los. "In unserem Land der Berge gibt es einen zu viel: den Schuldenberg."

Das Land der Berge als Land der Schulden? Wie bitte? Was war das gerade?

Die Nationalratsabgeordneten schienen ein wenig irritiert, Raunen im Plenarsaal, Unruhe. Und während manch Mandatar in den verteilten Unterlagen noch – vergeblich – nach dem Auftakt-Satz suchte (Spindelegger hatte sich ausbedungen, die wörtliche Rede nicht vorab verteilen zu müssen) setzte der Minister gleich forsch nach. "Mit dem Schuldenmachen muss Schluss sein!"

Die Nachlese zur Budgetrede gibt es hier.

Provokanter Start

"Der Anfang der Rede war provokant und gut", sagt Wolfgang Bachmayer.

Hält das Aus für "Land der Schuldenberge"?
Der Meinungsforscher und Politik-Analyst vom OGM-Institut war für den KURIER Zaungast im Hohen Haus, um Michael Spindeleggers erste Budget-Rede zu analysieren.

Dem ÖVP-Chef, der bisher nicht gerade als Volkstribun verschrien war, ist es offenbar also tatsächlich gelungen, zu Beginn einen rhetorischen Treffer zu landen. "Das ,Land der Schuldenberge‘ ist ein Wortspiel, das wohl eine Zeit lang diskutiert wird", sagt Bachmayer.

Das ist die gute Nachricht für Michael Spindelegger. Die schlechte lautet: Der erste Satz blieb, befundet Experte Bachmayer, gleichzeitig der einzige, der bei Zuhörern hängen bleiben wird. Denn in den 62 Minuten, die folgen sollten, konterkarierte der ÖVP-Chef seinen einprägsamen Einstieg mit einem ordentlichen Wust an Zahlen und einer vergleichsweise matten Botschaft, die sich laut Bachmayer in dem Satz zusammenfassen lässt: "Ein Schuldenabbau tut eigentlich eh nicht so weh."

Hält das Aus für "Land der Schuldenberge"?
Neues gab es im Zuge der Budget-Rede erwartungsgemäß nicht zu hören – die Zahlen waren seit Wochen bekannt, zumindest in groben Zügen.

Spindelegger verteidigte den rigiden Sparkurs der Jahre 2014/’15 ("Mit den Schulden von heute begründet man die Steuern von morgen"); er verwies gleich zu Beginn auf die budgetären Lasten der Hypo-Pleite – eine "dankbare General-Erklärung", wie sie Experte Bachmayer nennt.

Und um seinem eigenen Anspruch zu genügen und nicht allzu negativ zu werden, stellte der Vizekanzler auch eine Steuer-Reform in Aussicht – sobald das Budget diese eben zulasse.

Eingangssteuer senken

Hält das Aus für "Land der Schuldenberge"?
Im Fokus stand für den Ressortchef dabei zunächst einmal der Eingangssteuersatz ("36,5 Prozent sind zu hoch, da findet sich kein Anreiz zum Arbeiten"), und auch das "Vereinheitlichen" mancher Abgabe: Als Beispiel nannte Spindelegger das von Kellnern kassierte Trinkgeld.

Zur Berechnung der Sozialversicherung werde es zwar herangezogen, lohnsteuerpflichtig sei es aber nicht. Für den Finanzminister ein Widerspruch, der nicht sein darf. Im Ministerium sucht man bereits nach ähnlich widersprüchlichen Regelungen. Allerdings nicht, um diese zu besteuern, sondern um die Arbeitnehmer zu entlasten, wie es im Umfeld des ÖVP-Chefs hieß.

Gelobt

Ein Mal, die Budget-Rede war beinahe zu Ende, vermochte Spindelegger seine Zuhörer noch kurz zu überraschen.

Als hätte sich die ÖVP gar nie an den kolportierten Pensionsprivilegien in den ÖBB gestoßen und als hätte sie nie die staatlichen Zuschüsse kritisiert, pries Spindelegger plötzlich die Bundesbahnen. "Die ÖBB sind zwar teuer, aber das müssen sie auch sein – immerhin ist die Bahn das umweltfreundlichste Verkehrsmittel." Begeisterter Applaus der SPÖ-Abgeordneten, überraschte Gesichter bei den Schwarzen.

Experte Wolfgang Bachmayer fehlten an diesem Tag vor allem die großen Reform-Ansagen ("Was ist mit der Föderalismusreform?"). Und so bleibt dem Kiebitz nur noch eines zu sagen: "Wenn es stimmt, dass eine Budget-Rede die in Zahlen gegossene Politik ist, dann waren das diesmal deutlich mehr Zahlen als Politik."

Finanzminister Michael Spindelegger will mit dem Doppelbudget 2014/’15 die "Trendwende für Österreich" einleiten und nach dem angepeilten strukturellen Nulldefizit 2016 de facto keine neuen Schulden mehr machen.

Sein Zahlenwerk zeigt noch nicht, wie das gehen soll. Gespart wird bis auf wenige Ausnahmen (Landwirtschaft) nach der Rasenmähermethode. Investiert wird teils weniger, als schon für das Regierungsprogramm mühsam zusammengekratzt wurde (z. B. im Wohnbau). Und Reformen werden angeregt bis angestoßen, von einer Umsetzung (z. B. bei der Steuerentlastung) ist Rot-Schwarz oft weit entfernt.

Selbst in Bereichen, in denen größere Einschnitte längst beschlossen sind und zu wirken beginnen – vor allem im Pensionsbereich – sieht man noch zu wenig von den Einsparungen. Die Folge ist, dass die Ausgaben des Bundes für Pensionen bis 2018 um weitere 20 Prozent steigen. Hier geht es nicht um Peanuts, sondern um zusätzliche Milliarden.

Experten wie IHS-Chef Christian Keuschnigg fordern daher eine raschere Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters sowie eine schnellere Anpassung des Frauen-Pensionsantrittsalters an jenes von Männern. Die Regierung habe zwar "gewisse Schwerpunkte" gesetzt, "aber grundlegende Reformen im Prinzip weiter aufgeschoben", sagt der Wirtschaftsforscher.

Insgesamt lastet auf dem Doppelbudget natürlich die Hypo. Die notverstaatlichte Bank treibt das Defizit gewaltig in die Höhe und die Schulden des Staates auf einen Rekordstand. Spindelegger hat aber bewusst kein neues Sparpaket geschnürt, die Bevölkerung wäre ihm nicht (mehr) gefolgt. So wird das wirkliche Sparen auf die Jahre ab 2015/’16 verschoben.

Das zeigt sich auch im Bildungsbereich von Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Die jetzige Schul-Spardebatte ist nur ein Anfang, für die Folgejahre werden neue "Steuerungs- und Korrekturmaßnahmen" sowie das "Ausschöpfen von Effizienzpotenzialen" eingefordert. Rein an den Zahlen sieht man ein steigendes Bildungsbudget. Das ist aber nur den steigenden Personalkosten geschuldet.

WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller lobt den Versuch Spindeleggers, Konsolidierung und Zukunftsinvestitionen in Einklang zu bringen, Strukturreformen müssten aber folgen. Auch ihr geht es wie vielen anderen Fachleuten darum, dass die Regierung endlich Spielraum für eine Steuerentlastung schaffen muss. Schratzenstaller: "Umfassende Strukturreformen sind nur angedeutet. Die müssen jetzt folgen." Der Finanzausgleich, das teure Förderwesen oder der Gesundheitsbereich werden hier immer wieder zu Recht genannt.

SPÖ und ÖVP haben sich nach scharfer Kritik vor allem aus ÖGB und AK auf die Reform der Grunderwerbsteuer geeinigt. Entgegen des Begutachtungsentwurfs kommt es nach der Einigung vom Dienstag zu zwei kleinen Adaptierungen: Bei der Definition des begünstigten Familienkreises sowie beim Freibetrag bei Unternehmens-Übertragungen.

Sogar Bundeskanzler Werner Faymann gestand im Pressefoyer nach dem Ministerrat ein, dass seine Partei lieber eine Systemänderung gehabt hätte: Nämlich, generell Verkehrswerte als Steuerbemessungsgrundlage heranzuziehen anstatt der veralteten Einheitswerte. Bei diesen bleibt es jetzt bei Vererbungen und Schenkungen innerhalb der Familie, denn die ÖVP stemmte sich erfolgreich gegen eine "Erbschaftssteuer durch die Hintertür".

Hier setzt die Kritik von Finanzrechtler Werner Doralt an, der auch die Neuregelung für verfassungswidrig hält. Die Einheitswerte seien viel niedriger als die Verkehrswerte bzw. hätten sich regional stark auseinanderbewegt und stünden daher untereinander bereits in einem Missverhältnis. Dass die Expertenkritik vom Tisch gewischt wurde, erklärt Doralt mit dem Zeitdruck, unter dem die Politik stand. Bis Ende Mai musste eine Neuregelung gefunden werden, sonst hätten bei allen Immobilien-Transaktionen die wesentlich höheren Verkehrswerte herangezogen werden müssen. Was einer kräftigen Steuererhöhung für die Betroffenen gleichgekommen wäre.

Die letzten Adaptierungen betreffen den Familienkreis: Neffen, Nichten und Geschwister gehören jetzt doch nicht zum engsten Kreis, müssen also den höheren Steuersatz von 3,5 Prozent zahlen. Begünstigt (2 Prozent) werden dafür Lebensgefährten. Und: Der Freibetrag von 365.000 Euro soll nun doch nur bei Schenkungen von Firmen, nicht aber bei Unternehmensverkäufen geltend gemacht werden können.

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