Gunter Griss: "Als Ehemann bringe ich ein Opfer"

Irmgard Griss beim Interview mit Ehemann Gunter. Die beiden Spitzenjuristen aus Graz fanden erst spät ihr Liebesglück. Gunter Griss erledigt das Controlling im Wahlkampf seiner Frau
Wer ist der Mann hinter der Kandidatin? Das Interview über späte Liebe und Patchwork.

Sie sind zwar beide Spitzenjuristen, aber ihre Ehe ist alles andere als trocken und von Sachlichkeit getragen. Das Ehepaar Irmgard und Gunter Griss lebt das Modell einer bunt zusammengewürfelten Patchwork-Familie mit fünf Kindern und zehn Enkeln. Das Geheimnis ihrer Ehe ist vor allem Respekt. Denn als Ehemann ist der Grazer Rechtsanwalt alles andere als begeistert von der Bundespräsidentschaftskandidatur seiner Frau. Trotzdem steht er hinter ihr. Warum, das erzählt das Ehepaar Griss im KURIER-Interview:

KURIER: Herr Griss, wie haben Sie reagiert, als Ihre Frau Sie mit dem Wunsch konfrontierte, als unabhängige Bundespräsidentschaftskandidatin ins Rennen zu gehen?

Gunter Griss: "Als Ehemann bringe ich ein Opfer"
Irmgard und Gunter Griss im Interview am 24.01.2016, Graz.
Gunter Griss: Die Frage der Kandidatur begleitete meine Frau das gesamte letzte Jahr. Ich habe zu ihr gesagt, du musst dich entscheiden. Wenn du kandidieren willst, dann unterstütze ich dich. Auch wenn ich innerlich gespalten bin. Als Ehemann wollte ich die Kandidatur nicht. Aber wenn ich die Situation aus der Sicht des Bürgers beurteile, dann kann ich nur sagen: Die Kandidatur ist eine riesige Chance, in ein starres Politsystem Bewegung zu bringen. Als Ehemann bringe ich ein Opfer für die Allgemeinheit. Aber manchmal ist das eben notwendig.

Warum sagt der Ehemann in Ihnen Nein zur Kandidatur?

Gunter Griss: Weil es privat viele Nachteile bringt, denn wir sind eigentlich in einem Alter, wo wir endlich unseren Interessen nachgehen könnten. Die Kandidatur war natürlich auch nie Teil unserer Lebensplanung. Aber meine Frau liebt eben die Herausforderung und besitzt auch einen gewissen Ehrgeiz.

Einer Ihrer Söhne ist für den Internetauftritt der Kampagne zuständig. Welche Aufgabe haben Sie im Wahlkampf übernommen?

Gunter Griss: Mein Sohn war sofort Feuer und Flamme dafür, dass wir Crowdfunding organisieren. Ich bin der Controller im Hintergrund, habe ausgerechnet, wie hoch das Minimalbudget sein muss, um einen Wahlkampf zu führen. So optimistisch wie meine Frau und mein Sohn sind, was die Spendenfreudigkeit betrifft, bin ich nicht. Denn dieser Weg ist absolutes Neuland. Es geht auch nicht, zur Gänze oder doch zu einem beträchtlichen Teil von einer Person finanziert zu werden, denn dann steht man im Verdacht, die Standpunkte des Gönners zu vertreten. Dann ist man nicht mehr unabhängig.

Irmgard Griss: Im Moment haben wir rund 350.000 Euro gesammelt. Dass wir in so kurzer Zeit so viel Geld zusammenbringen, überrascht mich völlig.

Die Popularität hat Ihre Frau vor allem dem Hypo-Bericht zu verdanken. Welchen Rat haben Sie Ihr damals gegeben? Das Angebot anzunehmen oder abzulehnen?

Gunter Griss: Ich war skeptisch, ob es noch möglich sein wird, die Ursachen für das Debakel zu finden. Dann befürchtete ich, dass es von der Politik eine gewisse Erwartungshaltung geben wird, in welche Richtung der Bericht inhaltlich gehen soll. Hier habe ich meiner Frau geraten, dass sie darauf bestehen muss, absolut freie Hand zu bekommen.

Frau Griss, so wie Sie Ihr Mann beschreibt, scheuen Sie offenbar kein Risiko?

Gunter Griss: "Als Ehemann bringe ich ein Opfer"
Irmgard Griss:Ich habe keine Angst. Mein Mann meinte, ich betrete bei der Hypo ein politisches Minenfeld, wo ich nur meinen Ruf ruinieren kann. Aber innerlich dachte ich mir: Das gibt es doch nicht, dass man bei der Hypo nicht nachvollziehen kann, warum die Bank in dieser griechischen Tragödie endete. Vieles lag damals im Dunkeln. Das hat mich gereizt. Die Idee, dass ich eine internationale Expertengruppe zusammenstelle, kam von meinem Mann. Auf diesen Gedanken wäre ich gar nicht gekommen. Er drängte mich auch, diesen Job unbedingt ehrenamtlich zu erledigen, um jeden Verdacht der Befangenheit auszuräumen.

In der Familie Griss wird also viel politisiert?

Gunter Griss: Wir reden viel. Das ist auch gut so. Auch viele unserer Rechtsfälle haben wir miteinander besprochen. Ich glaube, Friedrich Nietzsche hat einmal gesagt: "Wenn eine Ehe funktionieren soll, dann stell dir vor, dass du mit dieser Frau ein Leben lang ein Gespräch führen sollst und frage dich dann: Geht sich das aus? " (lacht).

Irmgard Griss: Es war lustig zu beobachten, dass unsere Buben durch unsere Diskussionen schon im Kindesalter ein richtiges Rechtsverständnis hatten. Sie wussten schon sehr früh, was ein Vertragsverhältnis bedeutet oder was ein Urheberrecht ist.

Kann man mit einer Richterin, die es gewohnt ist Urteile zu sprechen und immer das letzte Wort hat, überhaupt streiten?

Gunter Griss: Ja, durchaus. Denn wenn meine Frau eine Meinung hat, dann bringt man sie nur sehr schwer davon ab. Da kann die Diskussion auch heftig werden, und es kommt zur Situation, dass wir zwei unterschiedliche Meinungen in uns tragen. Wir schlafen dann mehrmals darüber. Im Folgegespräch und mit dem nötigen Abstand schafft man es, von seiner apodiktischen Meinung loszulassen. So kommen wir immer wieder auf einen gemeinsamen Nenner.

Sie sind eine Patchwork-Familie. Frau Griss, wie schwierig war es für Sie, von den drei Kindern Ihres Mannes akzeptiert zu werden?

Irmgard Griss: Das war keine leichte Situation. Aber in erster Linie für die Kinder. Mein Mann lebte acht Jahre alleine mit den Kindern. Als ich in die Familie kam, waren die Kinder 13, 14 und 15 Jahre alt. Das ist ein kein leichtes Alter. Aber die Tatsache, dass ich einen fast eineinhalbjährigen Sohn mit in die Beziehung brachte, hat die Situation erleichtert. Alle drei waren vom ersten Tag an reizend zu Johannes.

Gunter Griss: Johannes wurde von mir adoptiert. Obwohl meine Kinder mitten in der Pubertät waren, gab es keine Proteste. Kinder sind da oft viel aufgeschlossener und vorurteilsfreier, als man denkt. Ich traue mich zu sagen, dass sie heute als Erwachsene nicht nur eine große Anerkennung für Irmgard haben, sondern, dass hier auch eine echte Zuneigung besteht.

Irmgard Griss: Das große Glück war, dass die Haushälterin geblieben ist. So haben die Kinder meines Mannes ihre wichtigste Bezugsperson im Alltag nicht verloren.

Sie waren in den 70er-Jahren einer der wenigen alleinerziehenden Väter?

Gunter Griss: Das war eine schwierige Phase, denn ich war voll in der Kanzlei engagiert. Als meine erste Frau und ich entschieden haben, dass die Kinder nach der Scheidung bei mir leben, habe ich daher sofort eine Haushälterin gesucht. Zusätzlich haben mir meine Mutter und meine Schwester geholfen. Sonst hätte ich es nicht geschafft. Meine Aufgabe war es, mich um die Schule und alle Freizeitunternehmungen zu kümmern.

Hätten Sie ohne Haushälterin diese Karriere hinlegen können?

Irmgard Griss: Nein, ich hatte sehr viel Glück. Als unser gemeinsamer Sohn Rudolf in Graz zur Welt kam, war ich noch Richterin am Oberlandesgericht in Wien. Deswegen beantragte ich, noch ein halbes Jahr nach dem ersten Jahr in Karenz bleiben zu können, das hat das Justizministerium aber nicht genehmigt. Ich musste also anfangs mit dem Baby nach Wien fahren oder es bei Haushälterin lassen. Wenig später hatte ich nochmals Glück, da der Präsident des Oberlandesgerichts mir erlaubte, dass ich zu Hause in Graz arbeiten konnte, und nur zu den Verhandlungen nach Wien kommen musste. Ohne dieses Entgegenkommen hätte ich meinen Beruf nicht weiter in Wien ausüben können. Ich bin ihm noch heute sehr dankbar.

Wie hat die Liebe begonnen? Haben Sie sich bei Gericht kennengelernt?

Gunther Griss: Nein. Als ich in Paris ein Postgraduate-Studium absolvierte, bekam ich eines Tages von meiner Schwester einen Anruf. Sie meinte, dass zwei Freundinnen von ihr als Au-Pair-Mädchen nach Paris kommen und bat mich, dass ich mich um sie kümmere. Das führte zu unserer ersten Begegnung am Bahnsteig am Gare de l ’Est in Paris.

Irmgard Griss: Das war 1969.

Also in der Stadt der Liebe funkte es?

Irmgard Griss: Das kam erst viele Jahre später. Dazwischen heiratete mein Mann, wurde dreifacher Vater.

Sie sind Jahrgang 1946 und kommen von einem Bauernhof. Wie hat man auf eine Karrieremutter wie Sie damals reagiert? Gab es Vorurteile?

Irmgard Griss: Ich bekam nie Vorwürfe. Aber ich habe mein erstes Kind auch erst mit 38 bekommen. Das war Mitte der 80er-Jahre. Da gab es schon weniger Vorurteile gegenüber Müttern mit Job. Davor hatte ich nie den Plan, zu heiraten oder Kinder zu bekommen.

Kinder waren nie fixer Bestandteil Ihrer Lebensplanung?

Irmgard Griss: Nein, Kinder hatte ich nie geplant. Ich wollte arbeiten und im Ausland studieren. Die Kinder haben sich dann so ergeben. Gott sei Dank!

Ihr Mann war der Anwalt der Thomas-Bernhard- Stiftung. Sie wollen in die Hofburg am Heldenplatz einziehen. Wie stehen Sie zu Thomas Bernhards "Heldenplatz", das bei seiner Premiere als Skandalstück galt?

Irmgard Griss: Ich schätze seine klare Sprache. Er war ein sehr kritischer und mutiger Österreicher. Thomas Bernhard hält unserer Gesellschaft den Spiegel vor. Ich glaube, dass seine Werke dazu beigetragen haben, dass wir in Österreich etwas aufgeklärter werden und unsere Schwächen besser sehen.

Er bezeichnete die Österreicher als unmündig. Sind wir mündiger geworden?

Irmgard Griss: Das ist ein Prozess. Aber unmündig zu sein, ist auch sehr bequem. Auch für diejenigen, die an der Macht sind, denn da regiert es sich leichter. Deswegen fordere ich ja auch immer das Fach Kritisches Denken in der Schule.

Frau Griss, Sie lesen sehr gerne. Welcher der Schriftsteller, deren Bücher Sie gelesen haben, hat auch Ihr Handeln beeinflusst?

Irmgard Griss: Ich habe alle Bücher von Jane Austen gelesen. Im Buch "Stolz und Vorurteil" sagt die Hauptfigur Lizzy: "Ich erinnere mich an Vergangenes nur so weit, als es mir Freude macht". Es ist ganz entscheidend, dass man sich nicht in Kränkungen und verlorene Chancen vergräbt. Viele Menschen investieren viel zu viel Lebensenergie, um sich mit Dingen zu beschäftigen, die man nicht mehr ändern kann. Auch bei Gericht habe ich es oft erlebt, dass ein verlorener Prozess ein ganzes Leben vergiften kann, weil sich die Menschen nicht loslösen können.

Herr Griss, gesetzt den Fall, Ihre Frau zieht in die Hofburg ein. Soll Sie dann Heinz-Christian Strache als Bundeskanzler angeloben? Würden Sie mit Ihrer Frau darüber diskutieren?

Gunter Griss: Selbstverständlich, obwohl ich nicht glaube, dass wir hier von einem realistischen Szenario ausgehen. Wir reden diese Gretchenfrage mit einer gewissen Lust herbei. Aber wenn ein Bundespräsident mit der Situation konfrontiert ist, dass sich eine Mehrheit zwischen FPÖ und ÖVP oder auch zwischen FPÖ und SPÖ gebildet hat, dann wird er keine andere Möglichkeit haben, als diese Regierung anzugeloben. Alles andere würde eine Staatskrise auslösen. Sicherlich würde man sich das Programm und die Regierungsmannschaft sehr genau anschauen. Aber die Angelobung bei einer Mehrheit verweigern? Das geht nicht, denn da stellt sich der Bundespräsident offen gegen die Verfassung.

Frau Griss, Herr Griss, Sie feiern demnächst Ihren 30. Hochzeitstag. Was würden Sie als das Geheimnis Ihrer langjährigen Ehe bezeichnen?

Irmgard Griss: Reden, reden, reden, gepaart mit gegenseitiger Wertschätzung.

Gunter Griss: Die wechselseitige Achtung muss ab der ersten Stunde eine Säule der Beziehung sein. Der Eros und der Amor sind wichtig, aber zu wenig für eine Basis.

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