Werben um die frustrierten SPÖ-Wähler

Menschlichkeit statt Hass: Grünen-Chefin Eva Glawischnig setzt auf positive Impulse.
SPÖ und ÖVP sind für Eva Glawischnig nur noch traurige Wahlhelfer der Freiheitlichen.

Die Zehen im Gras, die Hände auf das gläserne Rednerpult gelegt, so steht Eva Glawischnig im Innenhof eines Wiener Flüchtlingshotels und erzählt von einer Putzfrau.
Es ist ihre Rede zur Lage der Nation, eine Analyse der Stimmung im Land, also etwas, was man nicht jeden Tag machen kann. Die Sonne hat schon jetzt ordentlich Kraft, und weil gute Ansprachen von klaren Bildern und einfachen Botschaften leben, erzählt Glawischnig von der Putzfrau im Kindergarten ihres Sohnes in Ottakring: „Ich komme öfter mit ihr ins Gespräch. Beim letzten Mal hat sie gesagt: ,Ich mach’ mir Sorgen, was mit all den Flüchtlingen wird. Kann ich irgendwie helfen? Ich kann Arabisch, ich könnte doch dolmetschen.“
Die hilfsbereite Putzfrau, das ist das Österreich, auf das Glawischnig stolz sein will: Die „Heimat der großen Herzen“, der Solidarität. Seit gestern wird diese Botschaft an 2700 Plätzen im Land propagiert – die Grünen haben eine Plakatkampagne gestartet (der KURIER berichtete). Geht es nach Glawischnig, leistet die „kleine“ Putzfrau mehr als mancher Politiker. Sie erklärt das so:

Wider die Hetze

Die einen, die Freiheitlichen, täten nichts als Menschen aufzuhetzen. „FPÖ-Politiker wissen, dass Frauen an der syrisch-türkischen Grenze ihre Kinder durch den Stacheldrahtzaun werfen, um sie vor den IS-Schlächtern zu retten – trotzdem demonstrieren sie vor Flüchtlingsheimen.“
Es gebe auf der Welt kein Problem, für das die korruptionsanfällige FPÖ nicht die Ausländer verantwortlich mache. „Deshalb dürfen die Blauen nie wieder regieren!“, sagt Glawischnig.
Womit wir bei den anderen wären, bei SPÖ und ÖVP. Sie verortet Glawischnig nur noch in einer Rolle, nämlich als „Straches Wahlhelfer“.
An Argumenten mangelt es kaum: SPÖ-Landeshauptmann Niessl habe die FPÖ „in Rekordzeit“ mit einer Regierungsbeteiligung geadelt; ÖVP-Außenminister Kurz wolle ausländischen Arbeitskräften die Kinderbeihilfe kürzen; und während der wahlkämpfende ÖVP-Landeshauptmann Pühringer nicht ausschließt, die FPÖ in die Regierung zu hieven, ist es für Glawischnig selbst in Wien schon denkbar, dass die SPÖ mit der Strache-FPÖ koaliert: „Hinter Michael Häupl gibt es viele Bezirksfunktionäre, die sich sehr wohl eine Koalition mit der FPÖ vorstellen können.“
Rein handwerklich macht die Grüne an diesem Vormittag vieles richtig: Sie kritisiert nicht nur, sondern dankt auch – und zwar all jenen, die mit Deutschkursen oder dem Sammeln von Kleidern Solidarität leben.
Zwischendurch erhebt sie konkrete Forderungen – etwa die nach einem Regierungsbeauftragten, der die Regierung bei der Flüchtlingsproblematik entlasten soll. Und schließlich reicht sie frustrierten SPÖ-Wählern die Hand und bittet sie frei nach Kreisky, mit der Öko-Partei ein Stück des Weges zu gehen – nur so könne die FPÖ von Regierungsämtern ferngehalten werden.
All das ist schlüssig, hat seine Logik. Der Titel freilich wirkt irgendwie hoch angetragen. Denn mit nicht ganz 15 Minuten ist Glawischnigs „Erklärung zur Lage Österreichs“ unter den kürzeren staatstragenden Analysen der jüngeren Zeitgeschichte.

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