Gesundheitsreform fixiert

APA10600960 - 11122012 - WIEN - ÖSTERREICH: Für die schon seit fast zwei Jahren verhandelte Gesundheitsreform strebt die politische Steuerungsgruppe aus Vertretern des Bundes, der Länder und der Sozialversicherungen bei einer Verhandlungsrunde am Dienstag, 11. Dezember 2012, eine Einigung an. Im Bild: Gesundheitsminister Alois Stöger vor Beginn der Verhandlungen. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Bund, Länder und der Hauptverband einigen sich auf die Reform. Ziel ist ein "partnerschaftliches Zielsteuerungsmodell".

Gesundheitsminister Alois Stöger hat sein Projekt, das Milliarden einsparen soll, fixiert. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) war Dienstag Früh optimistisch in die entscheidende Verhandlungsrunde gegangen. Stöger wurde nicht enttäuscht: Acht Stunden später hatten Bund, Sozialversicherung und Ländern Konsens erzielt. Damit ist die Reform, die nicht nur den Anstieg der Kosten im Gesundheitssystem drosseln, sondern auch die Versorgung verbessern soll, unter Dach und Fach. Stöger: „Das ist eine historische Einigung. Damit werden die Menschen und ihre medizinische Behandlung in den Mittelpunkt gestellt – und nicht mehr die Institutionen Spital oder Arztpraxis.“

An einem Strang

Kern der Reform ist: Bund, Länder und Sozialversicherung werden die Versorgung gemeinsam planen, steuern und finanzieren. Alle Player müssen nach einem Steuerungssystem, das vertraglich fixierte Versorgungs- und Finanzziele hat, an einem Strang ziehen. Inhalt der 4-Jahres-Verträge ist, wie sich das Gesundheitssystem in einem Bundesland weiter entwickeln soll und wo von Spital und niedergelassenen Ärzten welche Leistungen angeboten werden. Die Qualitätskriterien gibt der Bund vor. Ob die Ziele erreicht oder verfehlt werden, wird durch ein Monitoring überwacht. Werden Ziele verfehlt, drohen Sanktionen durch die Bundesregierung.

Wiens Gesundheitsstadträtin und Länderverhandlerin Sonja Wehsely (SPÖ) spricht von „radikalen Veränderungen“, die in Zukunft das „Hin- und Herschieben von Patienten“ zwischen Spitälern und niedergelassenem Bereich hintanhalten würden. „Wo die Systeme passen, wird es so bleiben und wo es nicht passt, wird es Änderungen geben.“ Neu ist zudem ein Topf von 30 Millionen Euro pro Jahr, der für klar definierte Präventionsprogramme zur Verfügung steht. Endgültig abgesegnet wird die Reform bei einer Landeshauptleutekonferenz am 19. Dezember in Innsbruck.

Wozu eine Gesundheitsreform? - Hauptgrund ist, dass der finanzielle Druck steigt. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben wachsen seit 1990 durchschnittlich um 5,2 Prozent pro Jahr und damit stärker als die Wirtschaftsleistung. Um die Kosten zu dämpfen, ohne die Leistungen kürzen zu müssen, will man die Effizienz steigern und Reibungsverluste loswerden.

Wie viel soll eingespart werden? - Die Verhandler vermeiden tunlichst das Wort "Einsparung" und reden lieber von "Kostendämpfung". Der Anstieg der Gesundheitsausgaben soll an das prognostizierte jährliche BIP-Wachstum gekoppelt werden. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben sollen damit etwa im Jahr 2016 statt 26,85 nur noch 25,56 Mrd. Euro betragen. Die kumulierte Einsparung bis dahin wird mit 3,43 Mrd. Euro (2,058 Mrd. Euro für die Länder, 1,37 Mrd. Euro für die Sozialversicherung) angepeilt.

Wo entstehen Reibungsverluste? - Derzeit fehlt die Absprache zwischen den von den Ländern finanzierten Spitälern und dem niedergelassenen Bereich, für den die Sozialversicherungen zahlen. Der Effekt: Patienten werden hin und her geschoben, die Behandlung erfolgt oft nicht dort, wo sie am besten und günstigsten angeboten werden könnte.

Was bringt die Reform den Patienten? - Das Leistungsangebot soll künftig am Bedarf der Patienten ausgerichtet werden. Das könnte etwa bedeuten, dass Ordinationen oder Gruppenpraxen länger offen haben, um die Spitalsambulanzen zu entlasten. Für die Patienten soll das kürzere Wege und weniger Herumsitzen im Wartezimmer bringen, für das Gesundheitssystem geringere Kosten.

Wie wird das umgesetzt? - Kern der Reform ist ein sogenanntes "partnerschaftliches Zielsteuerungssystem", das eine bessere Abstimmung zwischen dem niedergelassenen und stationären Bereich garantieren soll. Bund, Länder und Sozialversicherung sollen dabei zusammenarbeiten und einander auch unterstützen, um die gemeinsam vereinbarten Versorgungs-, Qualitäts- und Finanzziele zu erreichen.

Werden Spitäler oder Arztpraxen zugesperrt? - Die Verantwortlichen bestreiten das vehement. Vor allem der niedergelassene Bereich soll sogar ausgebaut werden, denn er arbeitet günstiger als die Spitäler, wird argumentiert. Auch Spitalsschließungen werden ausgeschlossen, nicht aber "Strukturoptimierungen". Aus Akutabteilungen könnten etwa Pflegestationen werden.

Warum ist die Ärztekammer so vehement dagegen? - Weil ihr Einfluss schwindet. Über die Reform verhandeln im Kern die "Zahler", also Krankenkassen, Länder und der Bund. Vor allem die niedergelassenen Ärzte sehen sich als Zentrum und Angelpunkt des Gesundheitssystems. Für die Reformer sind sie dagegen nur einer unter vielen "Gesundheitsdiensteanbietern".

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