"Ich war zu jung, zu naiv, zu karrierebewusst"

Gernot Schieszler half als Kronzeuge, Korruption aufzudecken.
Im Interview erzählt Kronzeuge Gernot Schieszler, warum er beim System Telekom mitmachte und was er daraus gelernt hat.

Seine Karriere bei der Telekom war mit jener von Karl-Heinz Grasser in der Politik vergleichbar. In kurzer Zeit hatte es der Jungmanager Gernot Schieszler zum stellvertretenden Finanzvorstand gebracht. Damals war er 34 Jahre alt. Unter Insidern wurde er schon als der Nachfolger von Telekom-Vorstand Rudolf Fischer gehandelt. Aber es kam alles anders.

2011 flog die Telekom-Aktienkursmanipulation auf, bei der die Manager eine Prämie von 8,8 Millionen Euro kassieren konnten. Dann ging es Schlag auf Schlag. Verdeckte Parteienfinanzierungen wurden bekannt. Schieszler packte bei der Staatsanwaltschaft aus und bot sich als Kronzeuge an.

Im Vorjahr, als es die ersten Verurteilungen gab, wurde Schieszler als erster Kronzeuge Österreichs zugelassen – und kann so nur mit einer Geldbuße statt einer Haftstrafe rechnen. Doch die Telekom gönnte Schieszler kein Aufatmen. Sie forderte Schadenersatz. Insgesamt eine Million Euro zahlt er in den nächsten zehn Jahren. Heute arbeitet Schieszler bei einem internationalen Anlagenbauer.

KURIER: Herr Schieszler, Sie zahlen insgesamt eine Million Euro Schadenersatz an die Telekom. Finden Sie die Strafe gerecht?

Gernot Schieszler: Was ist schon gerecht oder ungerecht? Ich stehe zu der Vereinbarung. So ist eben das Leben. Ich habe durch die Zahlung von 300.000 Euro, die mir das Gericht auferlegt hat, und die Anwaltskosten so gut wie alles verloren, was ich mir erarbeitet habe. Um die restliche Zahlung von 700.000 Euro in den nächsten zehn Jahren abzahlen zu können, gehen einen Gutteil meiner Einkünfte drauf. Lieber hätte ich das Geld in die Ausbildung meiner Kinder investiert, aber ich stehe dazu.

Sie haben eine außergerichtliche Lösung mit der Telekom angestrebt. Warum? War es Ihnen zu riskant?

Nein, ich wollte mich auf meine Arbeit und meine Familie konzentrieren und nicht mit einer langwierigen Gerichtsverhandlung belasten.

Was haben Sie aus den letzten sieben Jahren gelernt?

Das wichtigste im Leben sind Anstand und Ethik. Wenn man in einem verantwortungsvollen Job ist, soll man jede Entscheidung drei Mal überlegen und fünf Mal hinterfragen.

Haben Sie bei der Telekom jemals einen Auftrag hinterfragt?

Ich habe damals gar nichts hinterfragt.

Waren Sie so naiv oder einfach nur karrieregeil?

Ich war zu jung, zu naiv und zu karrierebewusst und ich hatte keinerlei Coaching bis dahin.

Beim System Telekom, wo es ständig Begehrlichkeiten vonseiten der Politik gab, ist Ihnen nichts dubios vorgekommen?

Ich habe gedacht, das ist normal. Das gab es auch schon vor meiner Zeit bei der Telekom. Wir waren nicht die Erfinder des Systems.

Wie liefen die Begehrlichkeiten seitens der Politik gegenüber der Telekom ab? Kam Peter Hochegger zu Ihnen, wenn die Parteien Geld brauchten?

Nicht ganz. Vieles lief über Rudi Fischer, und der war zu weich, um Nein zu sagen. Denn es war so Usus. Was tun Sie, wenn jemand aus einem hohen politischen Amt anrief, und meinte, er braucht ein Sponsoring, etwa für einen Fußballclub? Hätten wir gewusst, dass das ein Rechtsbruch ist, hätten wir es sicher nicht gemacht oder wir hätten das Sponsoring ins Marketingbudget verpacken sollen. Heute wird gerne gefragt: Muss das sein, dass man zehn sündteure VIP-Packages fürs Hahnenkammrennen kauft? Mit diesen Zuwendungen haben wir uns erhofft, dass die Zuhörbereitschaft bei den Ministerien für den Breitbandausbau besser wird.

Wann wird das Kapitel Telekom für Sie persönlich geschlossen sein?

Emotional habe ich mit der Telekom abgeschlossen, als der außergerichtliche Vergleich abgeschlossen war.

Sie sind der erste Kronzeuge in Österreich. Wie schwer war es, in diesen Status zu kommen?

Ich habe mich nur darauf konzentriert, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft so gut als möglich zu unterstützen. Dass ich den Status bekommen habe, hat hauptsächlich mein Anwalt gemanagt. Die meisten Causen sind eigentlich erst durch meine Aussagen aufgekommen, denn die meisten Fälle waren noch nicht einmal im Ermittlungsstadium.

Sie haben eine zweite Chance bekommen, hätte sich aus Ihrer Sicht Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer auch eine zweite Chance verdient?

Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance bekomme habe und so aus Fehlern lernen kann. Selbstverständlich hätte sich Rudi Fischer eine zweite Chance verdient. Bei der Telekom habe ich Fischer als Menschen kennengelernt, der sich für das Unternehmen eingesetzt hat, der ein Herz für die Mitarbeiter hatte und den ich auch sehr respektiert habe.

Ist durch die Aufdeckung der Korruptionsfälle Österreich besser geworden?

Ich denke für eine Gesellschaft ist es gut, dass es für die Werte, die gelebt werden sollen auch die gesetzlichen Spielregeln gibt. Diese Gesetze wurden nun erlassen, damit hat die Gesellschaft dieses System als Fehlentwicklung erkannt.

Haben Sie einen der Angeklagten schon einmal zufällig auf der Straße getroffen?

Manchmal von Weitem. Aber ich wechsle nicht die Straßenseite. Denn die Begegnung wird es früher oder später geben.

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