SOS Asyl, aber kein Rettungsplan

SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann fordert einmal mehr eine Quote, nach der Flüchtlinge in den EU-Staaten verteilt werden.
Quoten, Lager in Nordafrika, mehr Geld für Entwicklungshilfe - in Wien und Brüssel wird über viele Hilfsmöglichkeiten geredet.

Die Flüchtlingstragödien auf dem Mittelmeer mit Hunderten Toten zwingen Politiker zu mehr als Entsetzensbekundungen. Sie müssen etwas tun. In Brüssel und Wien wird über Hilfsmöglichkeiten diskutiert. Gestern haben sich Regierende und Abgeordnete im Nationalrat mit dem Thema beschäftigt.

SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann fordert einmal mehr eine Quote, nach der Flüchtlinge in den EU-Staaten verteilt werden: "Das ist eine Frage der Fairness und Menschlichkeit." Auch der Koalitionspartner ÖVP ist dafür. Die FPÖ pocht auf eine "zumutbare Höchstgrenze", die Grünen fordern ein "faires Asylrecht" in Europa. Was ist noch mehrheitsfähig? Was bleibt umstritten? Die Pläne im KURIER-Faktencheck.

In Europa wird nun über eine Quote debattiert, nach der Flüchtlinge/Asylwerber auf die Mitgliedsländer aufgeteilt werden. Entsprechend der Einwohnerzahl und der Wirtschaftskraft. Ist es realistisch, dass das auch passiert?

Etliche EU-Staaten, darunter Österreich und neuerdings auch Deutschland, sind für ein Quotensystem. Die EU-Kommission plädiert ebenfalls für eines; sie wird am 13. Mai einen Vorschlag vorlegen. Quoten-Befürworter bezweifeln, dass das machbar ist, weil einige Staaten noch immer dagegen sind. Größter Blockierer: Großbritannien. Laut dem EU-Abgeordneten und Menschenrechtssprecher der Europäischen Sozialdemokraten, Josef Weidenholzer, könnte ein Pilotprojekt sein: Eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen oder Asylwerbern wird auf "willige Länder" aufgeteilt.

Was würde eine Quote, angelehnt an die Einwohnerzahl, für Österreich bedeuten?

Hierzulande wären 10.433 Asylanträge zu bearbeiten. Tatsächlich waren es 2014 bereits 28.035. Österreich hätte damit die Quote übererfüllt (mit 269 %). Weitere vier Länder lägen ebenfalls über der EU-Vorgabe, Schweden mit 688 %. Frankreich, Italien, Spanien, Tschechien, Slowakei und Portugal (erfüllt die Quote zu drei Prozent) müssten aufholen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner möchte Zentren in Nordafrika, in denen Flüchtlinge Asyl beantragen können. Auch Flüchtlinge, die im Meer gerettet werden, sollen in diese Zentren kommen. Gibt es Zuspruch dafür?

Flüchtlingszentren in Nordafrika sind momentan unrealistisch, weil die afrikanischen Länder diesen Einrichtungen zustimmen müssen. Da es ihr Okay derzeit nicht gibt, ist auch das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR skeptisch. Der Vorschlag von Mikl-Leitner ist für Kanzler Faymann "grundsätzlich überlegenswert", wegen der Unsicherheit in der Region aber "unrealistisch", heißt es in seinem Büro zum KURIER. Der Menschenrechtssprecher der Europäischen Sozialdemokraten, Weidenholzer, lehnt die Pläne als "nicht sinnvoll" ab, weil "die Strukturen in Nordafrika fehlen". Eine Kommissionssprecherin ergänzt: "In der EU gilt das Prinzip der Nicht-Zurückweisung von Flüchtlingen." Die Innenministerin drängt via KURIER erneut darauf, "dass Menschen, die auf See gerettet werden, in UNHCR-Zentren gebracht werden. Nur so können wir den Schleppern das Handwerk legen."

Wird die Entwicklungshilfe, wie von der Regierung zugesagt, erhöht?

Obwohl von beiden Parteien vergangene Woche zugesichert, streiten sie noch darüber. Die ÖVP befindet, SPÖ-geführte Ministerien müssten fortan mehr beitragen. "Es gibt eine klare Ressortzuständigkeit", kontert die SPÖ. Dass das EZA-Budget so niedrig ist, sei zwar eine "Schande" (SPÖ-Klubchef Andreas Schieder), zu verantworten hätten das aber der ÖVP-Außen- und der ÖVP-Finanzminister. Kanzler Faymann sagt: "Wir erwarten bis zum Sommer einen Stufenplan des Außen- und Finanzministeriums, wie das Ziel – 0,7 Prozent des BIP – erreicht werden kann." Österreich müsste laut UNO-Vorgabe heuer 2,3 Milliarden Euro (0,7 Prozent des BIP) geben.

Caritas-Präsident Michael Landau missfällt der Zwist der Regierungsparteien. Landau sagt: "Wir benötigen Lösungen. Österreich hat die Gelder für die bilaterale EZA in den vergangenen Jahren um 60 Millionen Euro gekürzt. Es ist menschenverachtend und verantwortungslos, Menschen vor Ort unsere Hilfe zu verweigern, gleichzeitig die Zäune rund um die Festung Europa weiter zu erhöhen. Solange wir daran festhalten, wird das Sterben im Massengrab Mittelmeer weitergehen. Hier kann die Regierung ein Zeichen der Solidarität setzen. Denn die Entscheidung, ob wir vor Ort helfen wollen, wird in Wien, Paris, Berlin und nicht nur in Brüssel getroffen."

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