Strafen für "Integrationsunwillige"? Der Faktencheck

Die islamfeindliche Pegida-Bewegung dominiert die deutsche Debatte.
Wer Schule oder Schwimmunterricht verweigert, muss schon jetzt 440 Euro zahlen. Die Mehrheit ist aber integrationswillig.

Woher kommt die neue Integrationsdebatte?

Unmittelbar nach den Anschlägen von Paris eröffnete der im Wahlkampf stehende steirische Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) die Diskussion, in dem er auch strafrechtliche Konsequenzen für "Integrationsunwillige" einforderte. Unterstützung signalisierte Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der zuerst im KURIER höhere Verwaltungsstrafen forderte, wenn Eltern beispielsweise nicht zu Sprechtagen kommen und Vorladungen ignorieren.

Wann ist jemand "Integrationsunwillig"?

Das ist ein politischer Begriff, für den es keine klaren Kriterien gibt und der in der Vergangenheit fast ausschließlich von FPÖ-Politikern verwendet wurde. Verknüpft mit der Forderung der Blauen, Integrationsunwillige oder -verweigerer abzuschieben.

Franz Wolf, Chef des Integrationsfonds, sagt: "Der Begriff betrifft die gesamte Gesellschaft und spricht beides an, die Übernahme von Rechten und Pflichten im Wohlfahrtsstaat." Was die Debatte erschwere, sei der enorme Mix an Zuwanderern. Wolf: "Wir haben die gesamte Bandbreite hier: von der polnischen Pflegekraft über den jungen Türken der zweiten Generation bis zum tschetschenischen Kriegsflüchtling." Die Übernahme von Verantwortung gegenüber der Gesamt-Gesellschaft sei in den einzelnen Gruppen höchst unterschiedlich ausgeprägt.

Welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es heute bereits?

An Österreichs Schulen gibt es die Bandbreite von der Ermahnung bis zur Verwaltungsstrafe in Höhe von 440 Euro für Schule-Schwänzen oder Nicht-Teilnahme am Schwimmunterricht. Bei Gefährdung von Mitschülern oder Lehrern kann außerdem eine zeitweilige Suspendierung ausgesprochen werden oder der tatsächliche Schulausschluss erfolgen. In Wien wurde auch schon eine islamische Volksschule (Romanogasse) geschlossen bzw. soll die Privatschule Saudi School Vienna geschlossen werden.

Was will Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP)?

Er will Fälle von Schulpflichtverletzungen künftig mit Beträgen von bis zu 1500 Euro ahnden und Lehrern generell mehr Durchgriffsrechte einräumen. Viele Eltern und Lehrer seien von radikalisierten Jungen überfordert, aber es gebe auch Eltern, die die Radikalisierung sogar unterstützen und nicht kooperativ sind, heißt es aus dem Ministerium.

Wie wichtig ist der islamische Religionsunterricht im Kontext der Radikalisierungsfrage?

66.000 Schüler und Schülerinnen, davon fast die Hälfte in Wien, besuchen islamischen Religionsunterricht in Österreich.Von mehr als 300 Islamlehrern sind 170 in Wien tätig. Minister Kurz sagt: "Sie sind die Antennen zur religiösen Jugend. Sie müssen aufklären, den IS-Terror verurteilen und Radikalisierungstendenzen von Schülern und Schülerinnen sofort anzeigen." Dazu gibt es eine große Informationskampagne in islamischen Vereinen, Gebetshäusern und Moscheen. Inhalt: Was ist unislamisch an dem Terror des IS und was können Muslime dagegen tun.

Wie diskutiert man das Problem der Integrationsunwilligkeit anderswo, beispielsweise in Deutschland?

Generell toleranter als in Österreich, zuletzt aber wieder hoch emotional, vor allem wegen des Schreckgespensts der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, die jedoch schon wieder zu zerfallen scheint. In der Vergangenheit (2010) haben aber auch gemeinhin unverdächtige Politiker wie ein SPD-Chef Sigmar Gabriel die Abschiebung von Integrationsverweigerern gefordert. Für ein Ende staatlicher Leistungen für Integrationsunwillige trat der frühere Vorstand der deutschen Bundesbank und Skandalautor Thilo Sarrazin ("Deutschland schafft sich ab") ein.

Was zeigen Studien oder Umfragen zur Integrationsbereitschaft in Österreich?

Großen Wirbel gab es 2006 rund um eine Studie des Innenministeriums, damals noch unter der Leitung der im selben Jahr verstorbenen Liese Prokop (ÖVP). Die Studie ging von 45 Prozent integrationsunwilligen Muslimen in Österreich aus. SPÖ, BZÖ und FPÖ sprachen vom Versagen der Innenministerin. Prokop konterte mit einer Aufstockung des Integrationsfonds, sagte aber auch: "Wer sich nicht integrieren will, hat bei uns nichts zu suchen." Die neueste Umfrage stammt von GfK aus 2014 und bescheinigt der Mehrheit hohe Integrationswilligkeit: Zwei Drittel der Migranten sehen Österreich als ihre Heimat. Zuwanderer aus Ex-Jugoslawien sagen das sogar zu 76 Prozent, jene aus der Türkei vergleichsweise seltener (58 Prozent).

Eine Reportage aus dem Alltag von Lehrern, die mit Schülern mit Integrationsproblemen zu tun haben, lesen Sie hier.

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