Flüchtlingskrise: Blockade der EU-Quote bröckelt

Bundeskanzler Werner Faymann, der slowakische Premierminister Robert Fico (m.) und der tschechischen Premierminister Bohuslav Sobotka
Treffen in Bratislava: Kanzler Faymann für Schutz der Grenze, faire Aufteilung der Asylwerber in der EU.

In höchsten EU-Kreisen in Brüssel geht man davon aus, dass Ratspräsident Donald Tusk jetzt doch zu einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingsfrage im September bereit ist. „Wir stellen Bewegung bei ihm fest“, heißt es. Eigentlich ist der nächste EU-Gipfel für Mitte Oktober angesetzt. Tusk, der frühere polnische Regierungschef, sah bisher keinen Bedarf an einer Vorverlegung. Der Plan, den Bundeskanzler Werner Faymann unterstützt, lautet nun: Die EU-Innenminister kommen am 14. September zu einer dringlichen Sitzung zusammen, um das Migrationspaket von Jean-Claude Juncker, das am Mittwoch präsentiert wird, abzusegnen und weitere Beschlüsse zu fassen. Im Anschluss daran sollen sich möglichst bald die Regierungschefs treffen, um über den gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenzen zu beraten und den Konflikt um die Quotenfrage zu lösen.

Blockade bröckelt

Faymann traf zu diesem Thema am Montag in Bratislava mit seinen Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei, Bohuslav Sobotka und Robert Fico, zusammen.Beide waren bisher erklärte Gegner eins fixen EU-Verteilungsschlüssels für Flüchtlinge und sind in enger Abstimmung mit den anderen Quoten-Gegnern Ungarn und Polen. Das Ziel Faymanns ist es, die Blockade dieser vier Länder zu durchbrechen, was teilweise gelungen zu sein scheint. Nach dem Treffen hieß es, „verpflichtend“ dürfe die EU-Flüchtlingsquote aus Sicht der Slowakei und Tschechiens weiterhin nicht sein, aber es sei zumindest klar, dass es künftig ein System der Flüchtlings-Aufteilung in der EU geben müsse. Man ist sich also einig, dass man sich einigen will und trifft sich nun in dieser Dreier-Konstellation bis eine Lösung steht.

Schwenkt Orbán um?

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, mit dem Faymann am Dienstag telefoniert, ließ indes aufhorchen: Auch er schließt nicht mehr kategorisch aus, dass das Quotensystem irgendwann eingeführt werden könne, sagte er vor Botschaftern. Er habe nur ein Problem mit dem „Timing“. Soll heißen: Orbán will zuerst die Gründe der Einwanderung beseitigen sowie die Grenzen schließen und dann erst über die Flüchtlings-Verteilung reden. Auch verweist er auf den 15. September, an dem Tag tritt in Ungarn ein neues Gesetz in Kraft. Ein illegaler Grenzübertritt wird dann als Straftat gewertet (Strafrahmen: bis 3 Jahre).

In der Flüchtlingskrise sind Gegenleistungen erwünscht Der Druck auf die Quoten-Gegner in der EU steigt von Tag zu Tag. Neben dem bekannten Appell an Solidarität wird immer öfter mit harten Zahlen kalkuliert: Wer bekommt jährlich wie viel Geld aus EU-Fördertöpfen? Und was ist in der Flüchtlingskrise die Gegenleistung?

Österreichs Nachbarn Ungarn, Tschechien und die Slowakei sind alles Netto-Empfänger. Das heißt, sie bekommen viel mehr aus Brüssel zurück überwiesen als sie in das EU-Budget einzahlen.

Polen ist überhaupt der größte Nehmer in der EU mit zuletzt jährlich rund 14 Milliarden Euro an EU-Subventionen (3,5 Prozent des BIP). Diese fließen hauptsächlich in die Landwirtschaft und in Infrastrukturprojekte. Ein Profiteur ist auch Ungarn. Für die Periode 2014 bis 2019 sind im EU-Budget 25 Milliarden Euro für die Regierung in Budapest reserviert.

Das sind im Schnitt 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Pro Kopf erhält Ungarn demnach 2240 Euro. Einen Vorteil haben die Nachbarländer auch noch: Bei kofinanzierten Projekten müssen sie nicht 25 Prozent aus dem nationalen Haushalt aufbringen, sondern nur 15 Prozent. Premier Viktor Orbán jubelte 2014 über dieses Ergebnis.

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