"Das Boot ist noch lange nicht voll"

Flüchtlingskoordinator Konrad: Raschere Asylverfahren und Notverordnung bei der Bauordnung.
Flüchtlingskoordinator Christian Konrad: Feste Unterkünfte für 35.000 bis zum Winter benötigt.

Vor drei Wochen hat ihn die Bundesregierung zum Flüchtlingskoordinator ernannt. Obwohl erst ab 1. Oktober offiziell im Ehrenamt, ist der frühere Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad in ganz Österreich unterwegs. Seine Mission lautet, mit Überzeugungskraft Politik, NGOs, Wirtschaft und Freiwillige bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise in Einklang zu bringen.

Am Dienstag präsentierte Konrad mit seinem ehrenamtlichen Mitstreiter, Ex-Nationalratsmandatar Ferry Maier, in einem Wiener Flüchtlingsquartier der Volkshilfe seine nächsten Pläne. Nach Gesprächen mit Politikern in ganz Österreich trifft Konrad am Donnerstag Kardinal Christoph Schönborn. Denn auch die Katholische Kirche spielt jetzt bei der Betreuung von Flüchtlingen eine wichtige Rolle.

Notsituation

Konrad, der für klare Worte bekannt ist, sieht Österreich jetzt als Pufferzone zwischen Deutschland, wo die Grenze kontrolliert wird, und Ungarn, das "das Land ausräumt". Diese Woche kamen innerhalb von 24 Stunden rund 20.000 Flüchtlinge über die Grenze. Für den Flüchtlingskoordinator war es eine "Meisterleistung" Österreichs, diese Menschen "ohne großen Aufruhr und Wirbel" im Land unterzubringen. Nachdem nicht zu erwarten sei, dass der Flüchtlingsansturm abrupt abreißt, habe der Ausbau der Transportkapazitäten und die Organisation von Notquartieren samt Betreuung "absoluten Vorrang".

Der Koordinator versteht seine Tätigkeit auch darin, vorausschauend zu planen. Für den kommenden Winter braucht es in Österreich feste Quartiere für insgesamt 85.000 Flüchtlinge. 50.000 befinden sich bereits in der Grundversorgung. Daher müssen in den Ländern noch Unterkünfte für 20.000 und vom Bund für weitere 15.000 bereitgestellt werden. Nach seinen Gesprächen mit den Landeshauptleuten und Bürgermeistern geht der Flüchtlingskoordinator davon aus, dass "wir diese herausfordernde Situation auch bewältigen können".

Denn für ihn sei "das Boot noch lange nicht voll". Wie viele Flüchtlinge in Österreich bleiben wollen, ist für Konrad nicht beantwortbar: "Das wäre Kaffeesud-Lesen."

Reformen

Die aktuelle Notsituation verlangt laut Konrad weitere Maßnahmen. So tritt er für eine Notverordnung ein, wo Vorschriften der Bauordnung den Aufbau von Quartieren behinderten. Und er fordert raschere Verfahren. Die Flüchtlinge hätten das Recht zu erfahren, ob sie im Sinne der Genfer Konvention Asyl im Land erhalten.

Besonders lobt Konrad das freiwillige Engagement der Österreicher. Er möchte mithelfen, die angebotenen "Geld-, Sach- und Zeitspenden" zu koordinieren. Und er hat sich selbst Hilfsaktionen vorgenommen. Konrad verweist bei der Umsetzung auf seine guten Kontakte zur Wirtschaft.

Schlafsäcke, Feldbetten, Kleidung und winterfeste Zelte packen die Soldaten auf die Ladeflächen der Heeres-Lkw. "Ich bin gespannt, wie das wird", überlegt Lukas Godina. "Für mich ist das erste Mal."

Godina ist einer von jenen 90 Soldaten aus den Kasernen Straß (Steiermark) und Güssing (Burgenland), die gestern den Marschbefehl an die österreichisch-ungarische Grenze erhalten haben: Das Jägerbataillon 17 ist damit unter den ersten Trupps, die zum sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz im Burgenland abkommandiert wurden.

Vorerst 20 Tage sollen seine Männer an der Grenze Dienst tun, berichtet Kommandant Christian Tinnacher. Welche Aufgaben sie exakt übernehmen sollen, werde man erst vor Ort erfahren. Gestern Vormittag fehlten noch genaue Anweisungen aus dem Innenministerium. So müssen dezitiert Befugnisse aufgelistet werden, unter anderem, ob Soldaten Menschen notfalls selbst festnehmen dürfen oder die Polizei holen müssen.

"Ich gehe davon aus, dass wir die Exekutive unterstützen werden, beim Aufgreifen und Übergeben von Flüchtlingen helfen", überlegt Hauptmann Tinnacher. Wie die Polizisten werden auch die Soldaten bewaffnet sein, vermutlich nicht mit dem üblichen Sturmgewehr, sondern mit Pistolen der selben Marke, die auch die Polizei verwendet. "Bei unserem Einsatz geht’s aber nicht um Abwehr", betont Oberst Gerhard Schweiger vom Militärkommando Steiermark. "Wir sind freundliche Soldaten, die Menschen, die Furchtbares erlebt haben, helfen wollen."

Bis zu 2200 Soldaten

Markus Dunkl etwa hat bereits Auslandseinsätze hinter sich. "Das hier ist sicher eine Herausforderung. Aber ich weiß, wie das ist, wenn man in einem ehemaligen Kriegsgebiet ist." Insgesamt sollen bis zu 2200 Soldaten zur Verfügung stehen, um die Exekutive zu unterstützen. Auch Militärpolizei, Sanitäter und Pioniere werden in den nächsten Tranchen dabei sein, das Jägerbataillon 17 ist dagegen eine Infanterieeinheit mit Auslandserfahrung vom Kosovo bis in den Libanon. "Man macht sich aber schon Gedanken darüber, was man an der Grenze zu tun haben wird", gesteht Soldat Tobias Haas ein.

Die Leute, die an der Grenze Dienst tun, sind ausschließlich Berufs- und Zeitsoldaten, Präsenzdiener sind nur bei Transport - und Versorgungsaufgaben dabei. Das Heer sei ebenfalls in die Transportlogistik eingebunden, berichtet Oberst Schweiger. "Wir werden auch die NGOs bei der Verpflegung der Flüchtlinge unterstützen."

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