Negativ-Rekord: Beide Volksbegehren fallen durch

Negativ-Rekord: Beide Volksbegehren fallen durch
Begehren gegen Kirchenprivilegien und für Demokratiereform verpassen 100.000 Unterschriften für Behandlung im Parlament deutlich.

Die Eintragungswoche für zwei Volksbegehren ging am Montag zu Ende. Rund 6,3 Millionen Österreicher ab 16 Jahren waren unterzeichnungsberechtigt. Doch deren Lust auf eine Teilnahme war sehr begrenzt: Beide Volksbegehren verfehlten die nötigen 100.000 Unterschriften für eine Behandlung im Parlament – ein veritabler Flop. Das Demokratie-Volksbegehren erhielt 69.841 Unterschriften, das Anti-Kirchen-Volksbegehren 56.660 Unterschriften. Damit wurde ein neuer Negativ-Rekord aufgestellt. Die Initiative mit der bisher geringsten Unterstützung war „Pro Motorrad“, sie wurde 1995 von 75.525 Personen unterzeichnet.

Negativ-Rekord: Beide Volksbegehren fallen durch
Das bisher schwächste Volksbegehren, das es ins Parlament geschafft hatte, war jenes der FPÖ gegen das ORF-Monopol. Es hatte im Jahr 1989 109.197 Unterschriften erzielt(siehe Grafik).

Der Flop für das Demokratie- und das Anti-Kirchen-Volksbegehren hatte sich schon Ende letzter Woche abgezeichnet. Aus allen Bundesländern war bloß lauer Zulauf vermeldet worden.

Hoffnung verpufft

Um 21.50 Uhr gab das Innenministerium das Endergebnis bekannt - doch schon zuvor war klar gewesen, beide Begehren würden die Hürde für eine Debatte im Nationalrat nicht nehmen. Auch Wien – die letzte Hoffnung der beiden Proponenten-Komitees – verpuffte. Damit dürften die Forderungen der beiden Initiativen kaum Chance auf Verwirklichung haben.

Das Volksbegehren gegen Kirchen-Privilegien zielte auf eine strikte Trennung zwischen Kirche und Staat. Diese sollte in der Verfassung festgeschrieben sein. Konkret sollte etwa der Religionsunterricht in den Schulen beendet und durch einen Ethikunterricht ersetzt werden. Außerdem sollte die Grundsteuerbefreiung der Kirche gestrichen werden.

„Mein OE“ wurde von Ex-Politikern der ÖVP, der SPÖ, den Grünen und des Liberalen Forums getragen – von Erhard Busek, Franz Fischler, Heinrich Neisser, Wolfgang Radlegger, Herbert Bösch, Christa Kranzl, Johannes Voggenhuber und Heide Schmidt. Sie forderten u. a. ein stärkeres Persönlichkeitswahlrecht, eine weisungsfreie Staatsanwaltschaft, die Abschaffung des Bundesrats sowie mehr Demokratie in den Parteien. Außerdem wollten die Betreiber, dass über Volksbegehren ab 300.000 Unterschriften Volksabstimmungen abzuhalten seien. Diese Hürde – so es sie gäbe – hätte das Volksbegehren deutlich verpasst.

Ein enttäuschter Johannes Voggenhuber sagte: „Seit der Entsorgung des Bildungs-Begehrens durch die Regierung ist klar: Der Umgang der Parteien mit Volksbegehren hat die Instrumente der direkten Demokratie massiv beschädigt.“ Die Folge sei „politische Apathie“ und Wählerfrust. Niko Alm vom Anti-Kirchen-Volksbegehren: „Für uns ist schon ein Erfolg, dass dieses Volksbegehren zustande kam.“

Schönborn erfreut

Negativ-Rekord: Beide Volksbegehren fallen durch
Erfreut ist Kardinal Christoph Schönborn (Bild): Die geringe Unterstützung für das Anti-Kirchen-Volksbegehren sei ein „deutliches Votum für die bewährte Zusammenarbeit von Staat und Kirche“. Die Österreicher würden „die Religionsgemeinschaften und ihre Leistungen für die Allgemeinheit schätzen.“

Das ist ein absoluter Minus-Rekord: So wenig Volk mobilisierte noch kein Volksbegehren wie das für „Mehr Demokratie“ und „Gegen Kirchenprivilegien“. Nur einer von hundert Wahlberechtigten fand es der Mühe wert, sich aufs Gemeinde- oder Bezirksamt zu begeben und eines der beiden Plebiszite zu unterschreiben. Thema daneben? Falscher Zeitpunkt? Andere Sorgen?

Die mangelnde Mobilisierung ist zuallerst „hausgemacht“: Die Kirchenvolksbegehrer kämpften von Anfang an für ein Minderheiten-Anliegen. Wer nach den vielen Missbrauchsskandalen seit Enthüllung des Fall Groer der Kirche Geld und Einfluss entziehen wollte, hat das zu hunderttausenden bereits per Kirchenaustritt getan. Der große Rest der Brauchtumskatholiken fühlte sich vom geforderten radikalen Trennungsstrich zwischen Staat und Kirche nicht angesprochen.

Die mehr als ein Dutzend Forderungen des Demokratie-Volksbegehrens sind auf den ersten Blick durchwegs mehrheitsfähig: Ein stärkeres Persönlichkeitswahlrecht, eine vom Justizministerium weisungsfreie Staatsanwaltschaft, die Abschaffung des Bundesrats, mehr Demokratie in den Parteien, sowie eine Stärkung der unabhängigen Medien durch eine neue Presseförderung. Das Demokratievolksbegehren wollte aber alles und damit zugleich nichts. Die Initiatoren investierten zuviel Hirn in den Forderungskatalog und zu wenig Herz in die Werbung in ihr Begehren.

Die Bundesregierung hat den hausgemachten Malus großzügig „verdoppelt“. Seit Monaten verspricht sie ein „Demokratiepaket“. Jeder interessierte Zeitungsleser weiß, das wird ein Begräbnis erster Klasse. Die Ex-Politiker Voggenhuber, Busek, Schmidt & Co zahlen auch den Preis dafür, dass ihre Kollegen „Volksbegehren“ seit Jahrzehnten als Vehikel für Zwischenzwahlkämpfe missbrauchen. Das zahlenmäßig erfolgreichste „Volksbegehren“ war das gegen die Wiener UNO-City, 1982 initiiert und getragen von der ÖVP, unterschrieben von jedem vierten Menschen in Österreich. Die UNO-City wurde, Bruno Kreisky sei Dank, dennoch gebaut. Sie blüht und gedeiht und festigt Österreichs Ruf als internationale Drehscheibe. Ihr eigentliches Ziel, den roten Kanzler zu stürzen, setzte die ÖVP ein Jahr nach dem „Volksbegehren“ durch.

Der klammheimliche Jubel, der nach dem Volksbegehren-Flop in den Zentralen der ehemaligen Großparteien gestern Nacht aufkeimte, ist so voll daneben. Auf Twitter machte gestern Abend der kluge Satz einer Kollegin die Runde: „Was ist Ironie? Wenn ein Volksbegehren durch die geringe Teilnahme beweist, dass es eine Demokratiereform braucht.“ Die Volksbegehrer konnten den tiefsitzenden Wählerfrust nicht heben. Das werden bei den kommenden Wahlen andere tun - und die haben weitaus weniger intellektuelle Skrupel als die gescheiterten Volksbegehrer von gestern.

In zwei Wochen werden sie es ein letztes Mal versuchen. Und dann, so realistisch muss man wohl sein, ist das „Demokratiepaket“ Geschichte – und in die nächste Gesetzgebungsperiode vertagt.

Wie berichtet, treffen einander Regierungsparteien und Opposition am 6. Mai im Verfassungsausschuss, um zu verhandeln, wie Österreichs Demokratie reformiert werden soll.

Bislang haben SPÖ und ÖVP nur den ersten, kleineren Teil ihres Pakets beschlossen – die neuen Regeln für die Vorzugsstimmenwahl. Für alles andere (Aufwertung von Volksbegehren, direkte Bürgeranfrage an Minister, etc.) ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig – und die ist derzeit nicht in Sicht.

Die Positionen sind ausnehmend verhärtet: Grünen, BZÖ und FPÖ gehen die Vorschläge von Rot und Schwarz nicht weit genug; und selbst in der Regierung ist man uneins, wie die Reform aussehen kann. Am besten lässt sich das am Beispiel Volksbegehren zeigen: Zwar sind sich alle Parteien einig, dass diese Art der direkten Demokratie dringend aufgewertet werden müsste. Das „Wie“ ist aber umstritten.

Die ÖVP wünscht sich einen Automatismus: Volksbegehren mit besonderer Unterstützung sollen zwingend in eine Volksabstimmung (Ergebnis laut Verfassung bindend) münden – damit würden sie mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Die Verhandler der SPÖ sind skeptisch – immerhin wären damit Gesetze ohne den Sanktus des Parlaments möglich. „Als möglicher Zwischenschritt wurde bereits vorgeschlagen, dass besonders starke Volksbegehren zu einer Volksbefragung (Ergebnis ist für Parlament nicht bindend) führen. Doch auch das wurde abgelehnt“, sagt die Verhandlerin der Grünen, Daniela Musiol zum KURIER. Ihr Schluss: „Jetzt liegt es an der Regierung sich zu bewegen.“

Auf KURIER-Anfrage war man eben dort der Meinung, der Ball liege bei der Opposition. Und so steckt das Demokratiepaket in einer vorerst ausweglosen Sackgasse.

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