Fischer kritisiert Vorgangsweise beim Demokratiepaket

Fischer kritisiert Vorgangsweise beim Demokratiepaket
Der Bundespräsident äußert "besonderes Unverständnis", dass automatische Volksbefragungen ohne Begutachtungsverfahren eingeführt werden sollen.

Kommende Woche soll eine weitreichende Entscheidung fallen: Eine de facto Volksgesetzgebung soll in der Verfassung verankert werden. Wenn Volksbegehren von zehn Prozent der Wahlberechtigten unterschrieben werden, soll automatisch eine Volksbefragung stattfinden. Diese ist zwar formal nicht bindend, aber politisch. Keine Partei wird sich trauen, einen Volksentscheid zu ignorieren. Das Parlament wäre in der Praxis gezwungen, das Ergebnis von Volksbefragungen durchzuwinken – und der Schritt in ein plebiszitäres System getan.

Gegenüber dem KURIER macht Bundespräsident Heinz Fischer denn auch auf den „gravierenden Einschnitt in das parlamentarische System“ aufmerksam. Fischer: „Es gibt keinen Einwand dagegen, Instrumente der direkten Demokratie als Korrektiv bei parlamentarischen Entscheidungen einzusetzen. Es würde aber wertvollen und wichtigen Elementen einer parlamentarischen Verhandlungsdemokratie widersprechen, wenn Texte eines Volksbegehrens, dessen Autoren niemandem verantwortlich sind, im Wege einer Volksbefragung direkt in die Bundesgesetzgebung gelangen können.“

„Besonderes Unverständnis“ zeigt Fischer über die rot-schwarz-grüne Absicht, „die vermutlich gravierendste Verfassungsänderung der Zweiten Republik ohne Begutachtungsverfahren durchzuführen“. Fischer: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Bundesländer, Interessenvertretungen oder etwa die Universitäten das Recht auf ein ausreichendes und umfassendes Begutachtungsverfahren nehmen lassen. Wer der Meinung ist, gute Argumente für diesen gravierenden Einschnitt in die Grundprinzipien des Parlamentarismus zu haben, muss sich weder vor einem Begutachtungsverfahren noch vor einer tiefreichenden Diskussion mit Verfassungsexperten fürchten.“

Die Hauptbetreiber des plebiszitären Systems sind die ÖVP-Politiker Michael Spindelegger und Sebastian Kurz sowie die Parteioberen von Rot und Grün. Sie wollen, dass der Verfassungsausschuss am Freitag und das Nationalratsplenum wenige Tage später die Verfassungsänderung– ohne Begutachtung – beschließen. In allen drei Parteien gibt es jedoch auch massive Gegner der Volksgesetzgebung. Die erfahrenen Alt-Politiker Karl Blecha und Andreas Khol gehören zu den wenigen Mutigen, die ihre Grundsatzbedenken offen sagen. Khol warnt vor der posthumen Einführung von Jörg Haiders „Dritter Republik“, und Blecha fordert eine gründliche Beratung statt eines „Husch-Pfusch“-Beschlusses ein.

Skepsis äußert gegenüber dem KURIER auch der Präsident der Landwirtschaftskammern, Gerhard Wlodkowski: „Im Agarbereich gibt es mit dem Tier- und Pflanzenschutz sehr emotionale Themen, und wir haben bei den Bienen gesehen, wie schwer es sein kann, unsere Argumente rüberzubringen.“ Die automatischen Volksbefragungen seien im Bauernbund daher „intensiv diskutiert worden“, aber man wolle sie mittragen, „weil die ÖVP sie unbedingt will, und man nicht von Vornherein dagegen sein soll“. Er hoffe, dass die „vernünftigen Kräfte bei den Grünen das Instrument nicht missbrauchen werden“. Und wenn doch? Wlodkowski: „Dann muss eine starke Regierung eingreifen, und man muss die Volksbefragungen neu diskutieren.“

Ambivalent auch die Haltung von WKO-Boss Christoph Leitl. Er ist verärgert, weil das Parlament das Bildungs-Volksbegehren ignorierte, daher müsse sich etwas ändern. Doch Leitl warnt dem Vernehmen nach: „Wenn man Populisten die Tür aufmacht, werden sie auch durch die Tür gehen.“

Die Szenarien für die Verhandlungen kommende Woche sehen derzeit so aus:

Die Volksgesetzgebung wird beschlossen mit einer kilometerlangen Liste an Tabu-Themen, über die nicht abgestimmt werden darf

Die Volksgesetzgebung platzt – etwa, weil man sich auf diese Liste nicht einigen kann.

Der Plenar-Beschluss wird auf nach der Wahl verschoben, weil ein Begutachtungsverfahren abgehalten wird.

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