Schulterschluss für Sondergipfel: "Zeit drängt"

Unterredung mit Blick auf den Kanzlergarten: Merkel und Faymann stimmten am Dienstag ihr Vorgehen in der EU ab – sie fordern einen EU-Flüchtlingsgipfel.
Werner Faymann und Angela Merkel demonstrierten in Berlin Einigkeit: Sie beantragen einen EU-Sondergipfel und fordern Hotspots an den Grenzen – sonst sei das Projekt Europa in Gefahr.

Es wurde viel gedankt an diesem Dienstag. „Angela, ich bin dir dankbar, dass du nicht zögerlich warst“, sagte Werner Faymann mit Blick nach links, vom anderen Podium kam zustimmendes Nicken: Der österreichische Kanzler und seine deutsche Amtskollegin zeigten sich nach ihrem Krisentreffen in Berlin sehr verbunden – „vereint im Geist der Freundschaft“, wie es Angela Merkel ausdrückte.

Nach zwei Wochen Krisenbewältigung samt Dutzender Telefonate war ein Schulterschluss der beiden auch nötig. Zu viel war in Zeiten der Grenzöffnung und Einführung von Kontrollen bekrittelt worden, dass es an Abstimmung fehle und vor allem Berlin kopflos agiere. Dem setzten Merkel und Faymann nun die gemeinsame Forderung nach einem EU-Sondergipfel entgegen: Lösungen, so die beiden unisono, könnten weder aus Wien noch aus Berlin kommen. Kommende Woche soll das Treffen der Staatschefs stattfinden, habe man bei EU-Ratspräsident Donald Tusk urgiert. Von dort kam allerdings noch kein grünes Licht, man berate sich noch mit den anderen Staats- und Regierungschefs der EU, hieß es aus Brüssel.
Auf der Agenda soll dann aber nicht die ungeliebte Quote stehen, diesen Beschluss überlässt man den Innenministern – sie treffen sich am 22. September. Es gehe vielmehr um ein Gesamtpaket mit Registrierungs-Zentren an den EU-Außengrenzen, das die Staatschefs beschließen sollen: „Ohne diese Hotspots wird es zu keiner Verteilung kommen“, sagte Merkel. „Die Zeit drängt.“

Dass es schnell gehen müsse, machte auch Faymann klar. „Drei Länder können die Frage der Humanität und des Rechts auf Asyl nicht alleine stemmen“, sagte er mit Blick auf Deutschland, Österreich und Schweden. Er will sich für ein Hilfspaket in den Herkunftsländern einsetzen. „Wir können nicht warten, bis sich die Leute zu uns durchgekämpft haben und sie dann abweisen – das würde eine
humanitäre Katastrophe auslösen.“ Vor allem die Türkei müsse eingebunden werden, ebenso wie jene Länder, die als Transitstationen nach Europa dienen. „Ich sage wieder und wieder: Wir schaffen das – aber nur gemeinsam“, sagte Merkel. Ein Verweis auf ihren Stehsatz, der von Kritikern in ein spöttisches „Wir schaffen das doch nicht“ umgedeutet worden war.

„Nicht mein Land“

Diese Kritik entlockte der deutschen Kanzlerin auch eine überraschend emotionale Geste. Der Vorwurf, Deutschland habe mit seinem offenen Verhalten die Flüchtlingswelle erst ins Rollen gebracht und habe sich damit selbst überfordert, ließ Merkel in der Pressekonferenz sogar die Stimme erheben – zu oft musste sie dies offenbar aus Bayern hören: „Wenn wir uns entschuldigen müssen, dass wir in einer Notsituation ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“, sagte sie lautstark. Der leisere Nachsatz: „Wir können das schaffen – und wir schaffen das.“

Zurückhaltender gab sie sich, was die Situation an der österreichisch-deutschen Grenze betrifft – der Vorwurf, Österreich lasse die Flüchtlinge aus Ungarn ungehindert weiterreisen, wurde beiderseits nicht kommentiert.
Faymann meinte nur, dass „Österreich diese Menschen nicht anstelle von Deutschland aufnehmen“ könne; Merkel sagte, es gebe kein Recht auf die Wahl des Asyllandes. Diese Unstimmigkeiten hat man nun an eine Arbeitsgruppe weitergereicht. Vertreter aus Deutschland und Österreich beraten, wie lange die Kontrollen nötig sind.

Ganz offen gespalten gaben sich Faymann und Merkel nur in einem Punkt – in der Frage, ob man Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Polen wegen ihrer Ablehnung gegenüber der Quote nicht mit Mittelkürzungen maßregeln solle. Für Faymann wäre dies nötig, für Merkel nicht: „Drohungen sind nicht der richtige Weg zur Einigung“, meinte sie. Mit ein Grund dafür mag sein, dass die Quotenregelung auch mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden kann, was Berlin deutlich mehr Handlungsspielraum lässt.

Ein wenig Dissens herrschte auch beim Abgang vom Podium. Als Merkel ging, setzte Faymann nochmals zum Reden an – sie lachte, machte kehrt und hörte zu. Faymann hatte noch etwas Wichtiges loszuwerden: „Wir müssen jetzt was tun. Denn nicht zu handeln gefährdet die Europäische Union“. Wieder einmütiges Nicken am Podium.

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