SPÖ-Krise: Palastrevolte vorerst abgesagt

Faymann hält an Parteitag im November fest. Gemeinsam mit Häupl antwortet er auf parteiinterne Kritik.

[UPDATE: 15:50]
In der SPÖ kehrt vor dem 1. Mai offenbar kurzfristig etwas Ruhe ein. Nach dem Debakel bei der Hofburg-Wahl war parteiintern der Ruf nach einer Vorverlegung des Bundesparteitages samt einer inhaltlichen und personellen Erneuerung laut geworden. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann denkt offenbar nicht daran, sich seinen Kritikern zu beugen. In einem für die "Zeit im Bild" (heute Abend, 19:30 Uhr) aufgenommenen gemeinsamen Interview mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) betont der Kanzler erneut, bei dem im November angesetzten Parteitag wieder als Parteichef zu kandidieren.

Stadtchef Häupl sekundierte Faymann. Er gehe davon aus, dass der nächste Kanzler wieder ein Sozialdemokrat sei und Werner Faymann heiße, sagt Häupl. Von Personal-Diskussionen halte er "gar nichts". Als seine Aufgabe sehe er, "die Partei zu einen und nicht zu spalten".

Interne Kritiker versucht Faymann in die Schranken zu weisen. Fairness würde für ihn bedeuten, wenn man hinter jenem stehe, den die Mehrheit gewählt habe. Auch für den nächsten Parteitag gelte, es könne jeder antreten. Wenn das Ergebnis aber feststehe, müsse klar sein: "Gewählt ist gewählt."

"Partei ist keine Selbstfindungsgruppe"

"Befindlichkeitsdebatten" lehne er ab, sagte Faymann. Eine Partei sei "keine Selbstfindungsgruppe" sondern dafür da, wichtige Aufgaben wie die Bewältigung der Finanz- und der Flüchtlingskrise zu gestalten. Auch Häupl warb dafür, sich jetzt als Konsequenz aus dem schwachen Abschneiden des roten Hofburg-Kandidaten Rudolf Hundstorfer inhaltlichen Fragen zu widmen.

Überwiegend Akzeptanz

Parteiintern wird der Wunsch Faymanns offenbar bereits akzeptiert. Der Kärntner SPÖ-Chef und Landeshauptmann Peter Kaiser hat es am Donnerstag bedauert, dass sein Vorstoß zu einer Vorverlegung des Parteitags abgelehnt worden ist. "Ich akzeptiere das, aber den Termin legt der Bundesparteivorstand fest." Er schlug die Einrichtung einer parteiinternen Vorbereitungsgruppe vor, in der über Inhalte und Ausrichtung der Partei diskutiert werden solle.

Hans Niessl: Qualität geht vor Tempo

Für Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl hat die Diskussion über Positionen und Inhalte Priorität. Für ihn gehe dabei "Qualität vor Tempo", so Niessl am Donnerstag auf APA-Anfrage. Nach dem Wahlergebnis könne man "auf keinen Fall so weitertun wie bisher".

An erster Stelle müsse die Positionierung, die Programmierung und die strukturelle Neuaufstellung stehen, meinte Niessl. Die Notwendigkeit zeige etwa die Abstimmung im Parlament über die Asyl-Novelle, wo die SPÖ (mit vier Gegenstimmen, Anm.) nicht einmal im Klub eine geschlossene Meinung gehabt habe.

Zeit nehmen

Wichtig sei, "dass man sich Zeit nimmt" und den Parteitag inhaltlich gut vorbereite und dass man Positionen ausarbeite - etwa, wie die SPÖ zum Arbeitsmarkt und zur Asylfrage stehe und wie man bestmöglich Integration schaffe. All diese Themen müsse man "gut ausdiskutieren", forderte Niessl.

Dem Wunsch von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) nach Einsetzung einer Vorbereitungsgruppe für den Parteitag stehe er positiv gegenüber. Trotzdem hält Niessl eine bundesweite Befragung der SPÖ-Mitglieder für "sehr wichtig", um zu einheitlichen Positionen zu gelangen.

"Neues Gesicht" für SPÖ

Schon zuvor hatte der rote Landesgeschäftsführer in Kärnten, Daniel Fellner, ein "neues Gesicht der SPÖ" gefordert. Für Fellner ist das Ergebnis der Bundespräsidentschaftswahl ein an Deutlichkeit nicht zu übersehendes und auch nicht zu übergehendes Alarmsignal: "Es ist fünf vor zwölf für die Sozialdemokratie. Die jetzigen Debatten in unterschiedlichen Richtungen vergrößern den Schaden nur noch mehr!" Die SPÖ müsse rasch und effizient intern an inhaltlicher, struktureller und personeller Akzentuierung sozialdemokratischer Positionen arbeiten. "Die Kärntner Landesorganisation steht jedenfalls in den Startlöchern, um an einem neuen Gesicht der SPÖ mitzuarbeiten. Der Startschuss sollte im Interesse aller in der Bundeszentrale erfolgen", sagt Fellner.

Niederösterreich ist gegen Personaldebatten

Niederösterreichs SPÖ-Chef Matthias Stadler hält nichts von Personaldebatten, wie sie nun nach der Hofburg-Wahl geführt werden. "Wir haben allen Grund, unsere Kraft und Energie darauf zu konzentrieren, die Partei offen, modern und sozial zu positionieren", sagte der St. Pöltner Bürgermeister. Es bringe auch nichts, über Zeitungen Positionen auszurichten, so Stadler am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz zur APA. Er verwies auf die Besprechung des Präsidiums am vergangenen Montag, an dessen Beschluss man sich zu halten habe.

"Die Partei sind wir alle", meinte der Landesvorsitzende. Es wundere ihn daher schon ein wenig, wie viele Personen ihre Eigenpositionen innerhalb der Partei im Vordergrund hätten, aber die wenigsten das Gesamtwohl. Jeder, der sich jetzt zu Wort melde, möge "überlegen, wann er selbst das letzte Mal erfolgreich war". Stadler hatte bei der Gemeinderatswahl in St. Pölten - nur eine Woche vor der Bundespräsidentschaftswahl - an der Spitze der Stadt-SPÖ deren absolute Mehrheit weiter ausgebaut.

"Köpfe sind nicht alles, sondern die Geschlossenheit", mahnte Stadler. Im Blick auf den Koalitionspartner verwies er auf mehrere personelle Wechsel bei der ÖVP. Deren Parteichef Reinhold Mitterlehner, vor Monaten noch als "Django" bezeichnet, sei mittlerweile "der letzte Mohikaner".

Rücktrittsforderung an Faymann Kritikerin

Nicht nur Faymann ist mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, auch eine seiner schärfsten Kritikerinnen – die stellvertretende Wiener Klubchefin Tanja Wehsely. Sie hatte nach dem schlechten Ausgang bei der Hofburg-Wahl für eine Personaldebatte rund um Bundesparteichef Werner Faymann plädiert. Einige ihrer Kollegen betonten in einer der APA übermittelten Stellungnahme, dass sie nicht die Meinung der SPÖ Wien vertrete. Auch ihr Rücktritt wurde gefordert.

Der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy kritisierte am Donnerstag: "Was wir jetzt am wenigsten brauchen können, sind falsche Schuldzuweisungen und Anpatzereien. Vielmehr sollten wir uns gemeinsam darauf konzentrieren, durch realitätsnahe, praxisorientierte Politik einen weiteren Rechtsruck und den Sieg von Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenwahl zu verhindern. Aus reiner Profilierungssucht kontraproduktive Querschüsse abzugeben ist unwürdig und peinlich."

Dann wird der Bezirkschef auch sehr konkret: "Das schreit nach Rücktritt: Aber nicht von Kanzler Faymann, sondern von Frau Wehsely." Nevrivy sprang bereits Anfang der Woche - als Wehsely erstmals die Forderung nach einer Personaldiskussion erhob - in die Bresche und verteidigte seinen Bundes-Chef Faymann.

In der SPÖ macht dieser Tage die Episode von einem historischen Rücktritt die Runde. Fred Sinowatz hatte 1986 alles getan, um (nach dem langjährigen SPÖ-Regierungsmitglied aber parteilosen Staatsoberhaupt Rudolf Kirchschläger) die Wahl des ÖVP-Kandidaten Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten zu verhindern. 44 Prozent für den gescheiterten SPÖ-Kandidaten Kurt Steyrer galten damals schon als verheerende Niederlage. Fred Sinowatz, glückloser Parteichef und bislang einziger Kanzler einer rot-blauen Koalition, machte Platz für Franz Vranitzky.

Schmähliche 11 Prozent und Platz 4 für eine Regierungspartei am vergangenen Sonntag sind nicht nur einmalig. Sie treffen eine Partei ins Mark, in der die Stimmung bereits am Tiefpunkt war: Wahlniederlagen in Serie und drohende Aussicht auf einen blauen Hausherren in der Hofburg und bald auch im Kanzleramt. Wut und Angst gegen die da oben in der Partei, die einmal mehr eine Niederlage mit Neustart-Ansagen aussitzen wollen. Das machte sich in einer Wucht wie nie zuvor Luft. Spitzenrote quer durch die Bundesländer forderten: Personal- und Kurswechsel in der SPÖ jetzt. Werner Faymann zeigt jetzt einmal mehr, was er am besten beherrscht: Machtabsicherung um jeden Preis. Der Parteitag findet mit Segen Michael Häupls trotz des Aufbegehrens vieler roter Länderchefs erst im November statt. Das Mondfenster seiner Gegner für einen raschen Sturz Faymanns ist damit zu.

Niessl:Rot mit Blau, Häupl: Rot ohne Blaustich

Werner Faymann sichert das nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine neue Atempause. Wenn die rote Revolte sich nicht im Vorfeld oder am Parteitag selbst neuerlich massiv entlädt, könnte das sogar reichen, um als Parteichef noch einmal zu überleben. Über Faymanns Performance als Kanzler befinden spätestens 2018 aber allein die Wähler. Die Parteifunktionäre werden sich vor der Kür des SPÖ-Spitzenkandidaten noch einmal fragen: Geht es mit der SPÖ weiter derart rasant bergab, ist bald auch ihre ganz persönliche Machtbasis dahin.

Der tiefe Riss, der durch die Partei geht, ist auch für die breite Öffentlichkeit sichtbar geworden. Er wird nur zugekleistert, die Bruchlinien bleiben: Hie die burgenländischen Roten, die eine Öffnung Richtung Blau inklusive Koalitions-Option wollen. Dort die Wiener Roten, die gegen Faymanns 180-Grad-Schwenk in der Asylpolitik als Kehrtwende Richtung Blau wettern. Beide Lager verbindet nur eine gemeinsame Einsicht: Mit dem jetzigen Regierungspersonal und dem kurvenreichen Kurs ist bei Wahlen kein Blumentopf zu gewinnen.

Offen ist, ob die Faymann-Gegner vorerst nur in Deckung gehen oder jetzt erst recht mobil machen. Der Mai-Aufmarsch am Sonntag wird so mehr denn je zum Stimmungstest: Hält der Deckel am roten Druckkochtopf oder entlädt sich der Unmut über Faymann & Co noch lauter als in den Tagen nach dem traumatischen Wahldesaster. Denn bis gestern galt nicht nur in der burgenländischen SPÖ die Parole, die ein Niessl-Vertrauter öffentlich ausgab: "Die Parteibasis hat die Nase gestrichen voll."

(Beppo Votzi)

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