Das erste Wahl-Duell

Sachlich im Ton, aber beinhart in der Sache kreuzten der rote und der blaue Parteichef die Klingen über die zentrale Streitfrage im beginnenden Wahlkampf: Wieviel Europa braucht Österreich in der Krise?
2013 wird mit fünf Wahlgängen zum Superwahljahr. Im Kanzleramt trafen Hausherr Werner Faymann und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache zur ersten großen Debatte aufeinander.

KURIER: Herr Bundeskanzler, Herr Klubobmann, sitzt hier ein glühender Europäer mit einem glühenden Nationalisten zusammen?

Werner Faymann: Ich bin jedenfalls glühend und mit Engagement der Überzeugung, dass jetzt die Weichen für das Leben unserer Kinder und Enkelkinder gestellt werden: Werden sie in einem friedlichen Europa leben können, wo zwar vieles falsch läuft, aber das gemeinsame Ziel da ist, Wohlstand und Demokratie zu erhalten. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Die Weltwirtschaft wächst zu 90 Prozent außerhalb Europas, da müssen wir hier unsere gemeinsamen Chancen nutzen.

Heinz-Christian Strache: Ich bin zuallererst österreichischer Patriot, aber natürlich auch bekennender Europäer. Die Europäische Union entwickelt sich aber in vielen Bereichen sehr zentralistisch und nicht in ein föderales Europa, wie sich das viele Bürger wünschen. Damit gehen auch Demokratie- und Souveränitätsrechte verloren. Europafreundlich zu sein, hat nicht unbedingt mit der Europäischen Union zu tun. Die EU war ein Friedensprojekt; und das ist ja gut. Aber leider ist heute der soziale Frieden nicht mehr in der Form gewährleistet. Österreichische Gelder fließen in europäische Banken – und hier im Lande fehlt jeder Steuercent.

Das erste Wahl-Duell
Streitgespräch, Werner Faymann, Heinz-Christian Strache

KURIER: Aber Herr Strache, Sie lassen immer wieder durchklingen, dass ein Austritt aus der Union eine Option für Österreich wäre.

Strache: Wir sind gegen ein zentralistisches Europa. Bevor wir in einem autoritären, zentralistischen Europa leben, wäre ein Austritt eine realistische Variante. Wir wollen auch nicht weitere Souveränitätsrechte verlieren.

Faymann: Wer damit spielt, aus der EU auszutreten oder andere aus der Eurozone hinauszuschmeißen, der unterschätzt die Bevölkerung. Wir sichern eine Million Arbeitsplätze durch den Export. Vor allem aber wollen wir ein friedliches, respektvolles Miteinander in Europa. Wir zwei haben hier völlig gegensätzliche Positionen. Wir werden auch viel Mühe auf uns nehmen müssen, diese EU mit all ihren Schwächen zu verbessern. Aber man muss sich entscheiden: verbessern oder zerstören.

Strache: Niemand fordert, dass jemand aus der Europäischen Union hinausgeschmissen wird.

Faymann: Aber sie wollen Griechenland aus der Eurozone hinauswerfen.

Strache: Ja, aber das ist ein Unterschied. Die Griechen haben uns angelogen. Und das Friedensprojekt Europa wurde ohne Euro besser aufgebaut.

KURIER: Österreich hat für Kärnten riesige Haftungen übernommen. Bei der Hypo ist auch nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Sollten wir Kärnten jetzt auch aus Österreich ausschließen?

Strache: Im Sinne unserer staatlichen Verantwortung müssen wir Spareinlagen sicherstellen.

KURIER: In Österreich muss man immer solidarisch sein, in der EU aber nicht?

Strache: Im österreichischen Bundesstaat gibt es eine besondere Verantwortung, aber in der EU wollen wir keinen Zentralismus, und wir wollen die Steuerhoheit nicht an Brüssel abtreten.

Faymann: Ich bin hingegen sehr dafür, dass wir in Europa ganz zentralistisch einen Einblick darüber haben, welcher Staat welche Schulden hat. Weil ich ja möchte, dass wir einander unterstützen, als Wirtschaftsstandort besser werden. Jetzt kann man sagen, das ist zentralistisch. Ich möchte aber auch in Österreich wissen, wer für wie viel haftet. Kärnten hat 18 Milliarden Haftung übernommen, die sie nie hätten bezahlen können. Mir ist schon lieber, dass zentralistisch offen gelegt wird, wie unsere Banken dastehen und wie die Länder dastehen. Damit wir nicht erst zu diskutieren beginnen, wenn etwas schiefgeht. Wenn wir morgen Griechenland rausschmeißen, wie Sie das vorschlagen, dann trifft es dort nicht die Milliardäre, sondern die Arbeiter und die Familien. Die werden noch in der übernächsten Generation sagen, einmal hätten wir die Union benötigt, und bekommen haben wir nichts. Es trifft die, die im Spital sind und die sich keine Medikamente mehr leisten können. Es gibt auch den guten Zentralismus, wenn dadurch Schäden verhindert werden.

Das erste Wahl-Duell
Streitgespräch, Werner Faymann, Heinz-Christian Strache

Strache: Herr Faymann, wir haben vor dem Verlust des Schillings gewarnt und leider recht behalten. Sie haben den Leuten gesagt, wir müssen in den Euro, dann wird alles billiger und uns werden die Henderln in den Mund fliegen. Und heute hat der Österreicher erst recht so wenig Geld als nie zuvor. Jedenfalls wäre es vernünftiger, wenn Hartwährungsländer ihre eigene Währung hätten. Die Griechen sehen ja keinen Cent von den Steuergeldern, das geht alles an deutsche Banken. Für die Griechen wäre es besser, wieder die Drachme zu haben und diese abwerten zu können.

Faymann: Aber wenn Griechenland pleitegeht, dann trifft es die Menschen und nicht die Bankdirektoren. Wenn wir Griechenland rauswerfen, stürzen wir die kleinen Leute in Angst und Verzweiflung.

Strache: Das ist zynischen Panikmache, was Sie hier betreiben.

Faymann: Aber schauen wir in die Zukunft: Sind Sie dafür, dass Serbien in die EU aufgenommen wird?Strache: Ja, selbstverständlich.

Faymann: Interessant.

Strache: Auch Russland sollte man näher an die Europäische Union heranführen.

Faymann: Aber wieso wollen Sie uns dann erklären, sie waren gegen die Osterweiterung?

Strache: Es geht um die Frage wann, Herr Bundeskanzler. Serbien wird in den nächsten zehn Jahren nicht bereit dazu sein. Aber nochmals, wir sollen den Nord- und den Südeuro von einander abtrennen, damit die südeuropäischen Staaten die Chance haben, sich zu erholen.

KURIER: Aber es ist unrealistisch, dass die Deutschen und andere Länder mit uns einen Nordeuro machen. Bei den politischen Entscheidungsträgern ist dafür eine Mehrheit nicht absehbar.

Faymann: Herr Strache, welche Partei in Deutschland vertritt denn Ihr Konzept.

Strache: Wir haben eine Demokratiekrise, und da sind auch Sie schuld daran. Weil Sie Ihre eigenen Leserbriefe und Versprechungen nicht einhalten.

Faymann: Sagen Sie mir Ihr Konzept.

Strache: Mein Konzept ist die direkte Demokratie ...

Faymann: ... statt der Wahl?

Strache: Sie versprechen in Leserbriefen eine Volksabstimmung über die EU, die sie dann nicht einhalten.

Faymann: Lenken Sie nicht wieder ab, sondern sagen Sie mir, wer in Deutschland das vertritt, was Sie vertreten?

Strache: Ich bin in Österreich in der politischen Verantwortung. Aber es gibt in Deutschland viele Ökonomen, die sagen, so einen wie Sie, Herr Strache, bräuchten wir in Deutschland.

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Streitgespräch, Werner Faymann, Heinz-Christian Strache

KURIER: Viele Ökonomen sagen aber auch, eine Teilung in Nordeuro- und Südeuro-Staaten bringt Europa noch mehr in Schieflage: Die Exporte der Nordeuro-Staaten würden durch die Aufwertung der Währung so teuer, dass sich das die Südeuro-Staaten als wichtigste Handelspartner noch weniger leisten könnten.

Strache: Die konnten sich das vorher auch nicht mehr leisten.

Faymann: Herr Strache, Sie finden gerade in Deutschland deshalb keine Partner, weil niemand dort glaubt, dass es für ein Exportland besser wäre, die Südeuropa-Staaten aus dem Euro rauszuwerfen, weil dann ihre Exportmärkte aufgrund der Währungsdifferenz endgültig wegbrechen.

Strache: Das ist doch Panikmache. Der Industriestandort Deutschland war in der harten DM-Zeit auch nicht gefährdet.

KURIER: Herr Strache, angenommen, Sie sind hier nicht nur wie heute zum „Probesitzen“ im Kanzleramt, sondern hätten tatsächlich zu entscheiden: Worüber würden Sie die Österreicher abstimmen lassen: den Euro-Austritt oder gar den EU-Austritt?

Strache: Ich will den Österreichern nicht gnadenhalber die eine oder andere Frage zur Abstimmung stellen. Ich will, dass sie nach Schweizer Vorbild das Recht haben, selber initiativ zu werden und ab hundert- oder zweihunderttausend Unterstützungserklärungen jede Frage, die auch vom Parlament behandelt werden kann, zur Volksabstimmung gebracht wird.

KURIER: Das Initiativrecht steht ja auch Ihnen als Partei zu. Worüber wollen Sie konkret abstimmen lassen?

Strache: Wenn das notwendig ist, werden auch wir eine Abstimmung initiieren.

Das erste Wahl-Duell
Streitgespräch Strache - Faymann_Kanzleramt am 9.1.2012 Josef Votzi

KURIER: Über den Austritt aus dem Euro oder aus der EU?

Strache: Wir sind heute noch nicht soweit. Aber bevor eine Situation entsteht, wo die Euro-Titanic droht unterzugehen, dann will ich eine Abstimmung über die Währungsunion.

Faymann: Die Euro-Zone hat gezeigt, dass sie die apokalyptischen Untergangsvisionen der letzten drei Jahren überlebt hat. Sie ist noch nicht stark genug, dass sie die Jugendarbeitslosigkeit zurückdrängen konnte. Jetzt alles zu zerstören, wie Sie das vorschlagen, bedeutet dass man die Armut und die Arbeitslosigkeit verdoppelt. Oder man geht in die andere Richtung und verstärkt die Anstrengungen für mehr Wachstum und Beschäftigung. Ich kenne keinen Partner in Deutschland oder sonstwo, der den Weg der Zerstörung Europas in zwei Währungszonen mit Ihnen gehen will.

KURIER: Herr Faymann, Sie sind ausdrücklich gegen eine Volksabstimmung über den Euro?

Faymann: Ja, denn es ist doch eine komische Frage, die Leute zu fragen, ob wir das wenige,was wir an Verbesserung in der EU haben, auch noch zerstören wollen.

Strache: Der Unterschied zwischen uns beiden ist: Ich sage, der Euro ist der Grund für den sozialen Unfrieden, den wir heute in Europa haben, und nicht dessen Lösung. Wenn wir uns anschauen, wie die Spanier gerade die Rentenfonds plündern, dann sage ich Gute Nacht, was da noch alles auf uns zukommt.

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Streitgespräch, Werner Faymann, Heinz-Christian Strache

KURIER: Herr Strache, woher nehmen Sie den Glauben, dass die Österreicher so gerne abstimmen wollen? Am Votum über die simple Frage „Ja oder Nein zur Wehrpflicht“ will nach jüngsten Prognosen nicht einmal ein Drittel der Wähler teilnehmen.

Strache: Ich glaube, dass wir am 20. Jänner deutlich über 30 Prozent kommen werden. Das ist nach Schweizer Vorbild eine gute Beteiligungsquote.

Faymann: Die Abstimmung über die Wehrpflicht ist richtig und wichtig. Aber glauben Sie wirklich, dass es Sinn macht, dafür zu werben, dass wir alleine gegen die globale Spekulation ankämpfen und neue strenge Regeln machen; dass wir alleine die Finanztransaktionssteuer einführen?

Strache: Wir zahlen netto 1,1 Milliarden nach Brüssel und sind damit Zahlmeister in der EU. Dabei brauchen wir jeden Cent für die Lösung der Probleme im eigenen Land.

Faymann: 2011 haben wir nicht 1,1 Milliarden, sondern 805 Millionen netto in die EU gezahlt, weil wir an der Spitze im Nutzen von Rückflüssen bei EU-Projekten sind. Die Frage ist, was bekommen wir um unser Geld: Wir bekommen dafür Marktanteile für unsere Betriebe und Dienstleister. Dadurch lukrieren wir nicht nur Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Die 800 Millionen rechnen sich also vielfach. Wir haben vor der Finanzmarktkrise vier Prozent Zinsen für unsere Schulden gezahlt, derzeit zahlen wir unter zwei Prozent. Der Unterschied alleine macht auf die Gesamtschuld betrachtet zwei Milliarden im Jahr aus. Das muss man also miteinrechnen, sonst sagt man der Bevölkerung nicht die Wahrheit. Österreich hat die Finanzkrise besser bewältigt als in den 30er-Jahren, weil es eine EU gibt.

KURIER: Herr Strache der einzige mögliche Partner für Ihre EU-Linie ist Herr Stronach. Der ist aber gleichzeitig auch Ihr größter politischer Konkurrent. Wie wollen Sie so Ihre EU-Politik je umsetzen?

Strache: Mein Ziel ist es, die FPÖ langfristig über 33,4 Prozent zu bringen und damit so stark zu machen, dass es keine Verfassungsmehrheit im Parlament gegen die FPÖ gibt.

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Streitgespräch, Werner Faymann, Heinz-Christian Strache

KURIER: Ihr Ziel ist die Blockade und nicht mehr der Sessel hier im Kanzleramt?

Strache: Der Regierungschef bleibt für mich das politische Ziel, und auf diesem Weg grenze ich keine Partei aus.

KURIER: Herr Faymann, dass Strache für Sie kein Koalitionspartner ist, macht dieses Gespräch einmal mehr evident. Kann das Team Frank Stronach einer sein?

Faymann: Was weder inhaltlich noch personell konkret ist, kann ich auch noch nicht bewerten.

Strache: Wer sechs Monate im Jahr in Kanada ist, wird kaum Zeit haben hier Politik zu machen.

KURIER: Also wenigstens bei Stronach sind Sie sich einig. Vielen Dank für das Gespräch.

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