Faymann-Ablöse? Die ÖVP will Kanzler-Anspruch erheben

So geht das neue ÖVP-Szenario: Vizekanzler Mitterlehner wird Faymanns Nachfolger als Kanzler
Sollte die SPÖ Faymann zum Rücktritt zwingen, droht ein Kampf um den Kanzlerposten.
Wie wird man einen Kanzler los?

1. Misstrauensvotum im Nationalrat. Reine Theorie, wird nicht passieren.

2. Der Bundespräsident wirft ihn raus. Reine Theorie, Heinz Fischer wird das nicht tun.

3. Die Partei entzieht ihm das Vertrauen und zwingt ihn somit, dem Bundespräsidenten den Rücktritt zu erklären.

Genau um dieses Vertrauen der Partei zu Faymann wird derzeit in der SPÖ gerungen.

Die ÖVP sieht diesem Ringen beim Koalitionspartner interessiert, aber nicht untätig zu. Sie entwirft eifrig Pläne.

Ein ÖVP-Szenario lautet: Sie will einen Kanzlerwechsel benutzen, um selbst Anspruch auf den Chefsessel in der Regierung zu erheben. Mit dem Überlaufen von zwei TS-Abgeordneten ist die Anzahl der ÖVP-Abgeordneten auf 49 gestiegen, die SPÖ hat 52 Mandatare. Gelingt es der ÖVP, drei weitere Überläufer anzuheuern, herrscht Gleichstand, bei vier wäre die ÖVP stärkste Parlamentsfraktion. TS-Abgeordnete einzukaufen ist nicht schwierig, denn diese wissen, dass sie bei einer Neuwahl nicht mehr ins Parlament kämen – außer, eine andere Partei nimmt sie auf einen wählbaren Platz.

Angenommen, der ÖVP gelingt ein 53 zu 52 im Parlament – wie realistisch sind dann ihre Chancen aufs Kanzleramt?

Wie wird man Kanzler?

Ganz einfach: Der Bundespräsident sucht den Kanzler aus. Großes Aber: Er ist gut beraten, eine Person zu nehmen, die von einer Parlamentsmehrheit akzeptiert wird. Somit bestimmen letztlich wieder SPÖ und ÖVP, was passiert.

Die zwei Optionen: Entweder die SPÖ überlässt der ÖVP den Kanzlerposten. Oder die ÖVP akzeptiert doch einen neuen SPÖ-Regierungschef.

Wenn die ÖVP den Plan, als Stärkste Anspruch auf die Faymann-Nachfolge zu erheben, durchzieht, ist ein erbitterter Streit ums Kanzleramt programmiert. Wahrscheinlicher Ausgang: Neuwahlen.

Allerdings ist auch mit vorzeitigen Wahlen zu rechnen, falls die SPÖ Faymann im Amt belässt. Die Wahlen würden dann halt nicht aus Anlass des Kanzlerwechsels, sondern wahrscheinlich nach der Bundespräsidentenwahl nächstes Jahr stattfinden. Erfahrene SPÖ-Politiker mit guten ÖVP-Kontakten wissen das auch: "Die ÖVP will nicht mehr."

In der ÖVP gibt es zwar in oberen Funktionärsrängen viele Neuwahl-Gegner, aber Reinhold Mitterlehner hat auch andere Berater. Die Analyse der Neuwahl-Befürworter: Mit Faymann gehe es nicht, er ziehe die ÖVP mit in den Abgrund. Also Rettung durch Absprung.

Im Fall eines Kanzlerwechsels hängt die Neuwahl-Lust der ÖVP von der Person des Neuen ab. Einem "medientauglichen Kanzler wie Gerhard Zeiler oder Christian Kern" (ÖVP-O-Ton) will die ÖVP keine Chance geben, sich zu profilieren. Einen "blassen Funktionär wie Rudolf Hundstorfer oder Andreas Schieder" (ÖVP-O-Ton) könnte die ÖVP eher akzeptieren, weil mit dessen baldigem Verschleiß zu rechnen sei.

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