Ex-Kanzler Vranitzky über die Aufteilung der Macht

Vranitzky gilt als Begründer der strikten "Nein zur FPÖ"-Linie der Sozialdemokraten.
"Kanzler und Finanzminister sollten aus einer Partei kommen", sagt Vranitzky im KURIER-Interview.

Ex-SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky (76) spricht im KURIER-Interview über Strache, Stronach und einen roten Finanzminister.

KURIER: Herr Vranitzky, Sie haben Ihrer Partei empfohlen, die Neos als Ideengeber einzubinden und das Koalitionsabkommen nicht wieder im stillen Kämmerlein zu verhandeln. Beides geschieht nicht. Enttäuscht, beleidigt?
Franz Vranitzky: Enttäuschung und Beleidigung sollten gar keine Kategorien sein in der politischen Diskussion. Vielleicht ist es ein bisschen originell, dass es um eine Bundesregierung und die Bundespolitik geht, aber auffällig viele Landespolitiker mitverhandeln. Originalität gehört offenbar dazu.

Sie haben einst jene Mauern gegen die FPÖ hochgezogen, die nach jeder Wahl ein wenig mehr bröckeln. Was sagen Sie den vielen Freunden von Rot-Blau in Ihrer Partei?
Die Haider-FPÖ hat keine Anstrengung unternommen, sich so eindeutig vom Gedankengut des Nationalsozialismus zu distanzieren, dass ich es für vertretbar gehalten hätte, mit ihr eine gemeinsame Regierung zu bilden. Die Haider-FPÖ ist passé. Es gibt bei Strache auch rechtsaußen angesiedelte Charaktere. Also weder von der Gesinnung her, noch von der Problemlösungskapazität her könnte ich vertreten, eine rot-blaue Koalitionsregierung zu unterstützen.

Ist Strache wirklich mit Haider vergleichbar?
Natürlich könnte man auch sagen, dass die Strache-FPÖ möglicherweise keine Haider-FPÖ mehr ist und dass sie für manche Zukunftsfragen vertretbare Antworten gibt. Ich sehe sie nur nicht.

Sollte die SPÖ ihre Aus- und Abgrenzungspolitik gegenüber der FPÖ zumindest überdenken?
Ausgrenzung war das Lieblingswort des wehleidigen Haiders. Strache übernahm es. Abgrenzung ist notwendig für jede Partei, die ihr Gewissen nicht aufgibt.

Sie waren als Magna-Aufsichtsrat sehr eng mit Frank Stronach. Er hat sich im Wahlkampf teils zum Kasperl gemacht, sein Team versinkt im Chaos. Welchen Rat geben Sie Frank heute?
Ich habe mit Stronach über viele Jahre zusammengearbeitet – mit Bezug auf die Automobilindustrie. Politisch stimme ich nicht mit ihm überein. Aber das Verhältnis war in der Vergangenheit so gut, dass ich nicht über die Medien einen politischen Streit mit ihm führe. Eines sollte man aber nicht übersehen: Ich halte es für einen Denkfehler zu glauben, man kann einen Staat führen wie ein Unternehmen. Das sind nach allen Entscheidungsgrundlagen so zwei Paar Schuhe, wie es nur zwei Paar Schuhe gibt.

Wie kommentieren Sie die Causa Monika Lindner?
Gar nicht.

Was halten Sie von der Forderung, die SPÖ-Basis über den Koalitionsvertrag mit der ÖVP abstimmen zu lassen?
Ich stehe auf dem Standpunkt der Parteiführung. Es gibt andere Möglichkeiten, die Parteimitglieder mit den Entscheidungen der Bundespartei so mitzunehmen, dass es keiner Abstimmung bedarf.

Vom neuen Regieren, vom neuen Stil ist die Rede. Reicht es, den Klubchef auszutauschen, einen Staatssekretär aufzugeben und sonst alles beim Alten zu lassen?
Ich habe nirgends gehört oder gelesen, dass man mit dem Wechsel in der Klubführung allein einen neuen Stil begründet. Ich konzentriere mich nicht auf die handelnden Personen, sondern auf die Politik, die sie machen.

Auch wenn es unrealistisch scheint, aber sollte die SPÖ nicht à la longue wieder den Finanzminister stellen?
Ich bin unverändert der Meinung, der Regierungschef und der Finanzminister sollten aus derselben Partei kommen. Und zwar nicht aus Machtgelüsten, sondern weil es das Regieren erleichtert. Der politische Prozess wird rationaler. Ich kann mir auch aus der eigenen Erfahrung keine bessere Paarung als Lacina/Vranitzky vorstellen. Es wäre auch niemandem eingefallen, dem Julius Raab den Reinhard Kamitz streitig zu machen.

Die Paarung Vranitzky/Lacina hat die Vermögenssteuer abgeschafft. Passt die Forderung nach einer Millionärssteuer in Ihr Gerechtigkeitsempfinden?
Die Steuerreform Ferdinand Lacinas liegt 25 Jahre zurück und wir waren mit völlig anderen Rahmenbedingungen konfrontiert. Unter anderem waren die Wettbewerbsfähigkeit unserer exportorientierten Industrie durch die Beseitigung der Besteuerung von Betriebsvermögen wie auch der Kapitalzuzug nach Österreich zu fördern.

Und heute?
Es muss eine umfassende Steuerreform vorbereitet werden. Das Gesamtpaket muss sozial ausgewogen sein, die Wettbewerbsfähigkeit, die Verteilungsgerechtigkeit und den fiskalischen Ertrag berücksichtigen. Die Ausgewogenheit ist entscheidend. Deshalb rede ich auch nicht über eine einzelne Steuer, sonst widerspreche ich mir selbst.

Österreich braucht einen Weckruf. Welches Projekt sollten SPÖ und ÖVP prioritär angehen?
Die Prioritäten liegen auf dem Tisch: Das ist selbstverständlich der gesamte Bildungsbereich. Und das ist der Komplex Staatsfinanzen. Wie WIFO-Chef Karl Aiginger sagt: Mit dem Verzicht auf total überholte föderale Strukturen könnte eine Finanzmasse geschaffen werden, die weit über das hinausgeht, was man mit zusätzlichen Steuereinnahmen erzielen kann.

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