"Es kursieren allerhand Bösartigkeiten: Alles erstunken und erlogen"

"Finger weg von solchen Experimenten wie dem Brexit."
Alexander Van der Bellen über seine angeblich schwindende Lust am Wahlkampf.

KURIER: Herr Van der Bellen, haben Sie eigentlich noch Lust auf einen Wahlkampf?

Alexander Van der Bellen: Absolut! Natürlich denkt man sich im ersten Moment: Ja Herrgott, ist das wirklich notwendig? Aber mein zweiter Gedanke war: Na gut, dann gewinnen wir die Wahl eben ein zweites Mal!

Ich frage das auch deshalb, weil vor allem in den Sozialen Medien Besorgniserregendes kursiert: Sie seien müde, sogar schwer krank, wird behauptet. Muss man sich Sorgen machen?

Da kursieren allerhand Bösartigkeiten. Zum Beispiel, ich sei krebskrank, läge im Sterben oder hätte nur einen Lungenflügel. Allesamt erstunken und erlogen! Diese Schauergeschichten werden vornehmlich in einschlägigen rechtsextremen Online-Netzwerken verbreitet. Fakt ist: Ich bin kerngesund. Solche und ähnliche Kampagnen zerstören das Vertrauen in die Politik und die Demokratie. Und genau das ist offenbar das Ziel dieser Leute.

Ihr Team sagt, der Wahlkampf sei eine völlig neue Situation. Warum eigentlich? Weder Sie noch Norbert Hofer haben ihre Positionen geändert, oder?

Naja, historisch ist es jedenfalls eine neue Situation. Neun Monate Wahlkampf erinnert fast schon an US-Wahlkämpfe mit den Primaries. Was die Inhalte angeht, stimmt die Feststellung natürlich. Ich habe meine Positionen nicht geändert, und ich nehme an, bei Norbert Hofer wird das auch so sein. Etwas ist inzwischen aber passiert, was die Situation wesentlich verändert.

Der Brexit?

So ist es. Der Brexit ist völlig neu, und wer jetzt noch nicht versteht, dass England und das Vereinigte Königreich ernsthaft gefährdet sind, im Chaos zu versinken, dem ist leider nicht zu helfen.

Sie glauben, der Brexit würde eher Ihnen als der FPÖ in die Hände spielen?

Wenn die FPÖ wie bisher behauptet, der EU-Austritt sei im Grunde eine zumindest überlegenswerte Sache, dann ja. Jeder, der etwas von Wirtschaft versteht, weiß: Die Engländer können einem nur leid tun – insbesondere die, die an der Armutsgrenze leben und um ihre Jobs bangen. Der Finanzminister hat die Briten bereits auf härtere Zeiten eingeschworen. Was soll ein Staat auch machen, wenn er ein Leistungsbilanz-Defizit hat und kein Kapital aus dem Ausland mehr bekommt? Er muss die Steuern anheben und die Ausgaben kürzen. Ich sage: Finger weg von solchen Experimenten wie dem Brexit.

Frustriert die Wahl-Wiederholung die Österreicher nicht mehrheitlich?

Selbst wenn es so ist, sage ich: Das nutzt nichts, der Verfassungsgerichtshof hat entschieden. Ich werde alles dafür tun, um die Leute zu motivieren damit sie wählen gehen, und es sind auch schon viele SMS und eMails bei mir eingetrudelt, die sinngemäß sagen: Kopf hoch, dann gewinnen wir eben noch mal.

Wird die Wahlwiederholung bzw. die Anfechtung durch die FPÖ an sich noch Thema im Wahlkampf?

Also ich werde das nicht tun. Der VfGH hat entschieden, er hatte gute Gründe – und das ist zu respektieren, Punkt. Wie andere das handhaben, ist ihre Sache.

Wie werden Sie es mit TV-Duellen, etc. halten?

Offen gesagt: Wir haben jetzt 24 Stunden seit dem Spruch und sind noch am Überlegen. Klar ist: Man wird nicht alles noch einmal machen.

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