Prölls neue Freundschaft zur SPÖ

Interview Erwin Pröll
Der VP-Landeschef will trotz absoluter Mehrheit Wien zeigen, wie eine Große Koalition funktioniert

Am 3. März verteidigte Niederösterreichs ÖVP-Chef Erwin Pröll seine absolute Mehrheit. Trotzdem vereinbarte er jetzt mit dem Wahlverlierer SPÖ, mit dem er fünf Jahre im Zwist lebte, eine Koalition. Selbst das Nein der Landes-Roten zur Abschaffung des Proporzes hinderte Pröll nicht an diesem Pakt.

Sie könnten jetzt ohne SPÖ regieren, tun es aber nicht. Warum diese Koalition?

Meine politische Lebenserfahrung zeigt, dass im Miteinander immer mehr Erfolg liegt als im Gegeneinander. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte, dann waren es die vergangenen fünf Jahre in Niederösterreich.

Angriffe politischer Gegner haben Sie bisher aber wenig beeindruckt. Warum wollten Sie diese Koalition?

Politische Arbeit hat auch etwas mit persönlichem Wohlfühlen zu tun. Es kann mir niemand erzählen, wenn er nicht vollkommen quer gestrickt ist, dass er sich im Streit wohler fühlt als im konstruktiven Miteinander. Nach diesen Jahren des Streits war es mir daher ein besonderes Anliegen, wieder auf ein vernünftiges Miteinander zu kommen. Ich glaube, dass das Land vom gemeinsamen Weg mehr profitiert.

Prölls neue Freundschaft zur SPÖ
Erwin Pröll
Was macht Sie so optimistisch, dass es jetzt besser geht?

Weil die handelnden Personen sich auf Augenhöhe begegnen – und weil jetzt Personen Verantwortung tragen, denen Niederösterreich mehr am Herzen liegt als egoistische Überlegungen.

Was macht Sie so sicher, dass der neue SPÖ-Chef Matthias Stadler diesen Weg mitgeht?

Dafür gibt eine Reihe von Beweisen im Verhältnis Bürgermeister und Landeshauptmann, wo diese Zusammenarbeit bereits auf die Probe gestellt wurde. Wir haben uns dabei gegenseitig nicht enttäuscht.

Wie kam es zu diesem Vertrauensverhältnis?

Ich werde nie vergessen, als Stadler bei seinem Antrittsbesuch gesagt hat ,Herr Landeshauptmann, ich möchte mit Ihnen ein ähnliches Verhältnis haben, wie sie das mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl entwickelt haben‘. Diese rhetorische Erklärung wurde dann durch Fakten bestätigt.

Ist Schwarz-Rot in Niederösterreich gar ein Signal an die Bundespolitik und die Gegenansage zum rot-grünen Modell des Wiener Bürgermeisters?

Dass ich einer bin, der einer Großen Koalition sehr viel abgewinnen kann, ist bekannt. Die macht aber nur Sinn, wenn sich beide Partner nicht gegenseitig überfordern. Natürlich wäre es ein gutes Modell, in Niederösterreich zu zeigen, dass man zwischen Schwarz und Rot, selbst im Umfeld einer absoluten Mehrheit zu einem vernünftigen Miteinander kommen kann. Wenn das bei uns in Niederösterreich funktioniert, ist das ein Beispiel dafür, dass das auch auf Bundesebene gehen müsste.

Bei der Abschaffung des Proporzes hat die SPÖ jetzt nicht mitgemacht. Ist das gut für Niederösterreich?

Prölls neue Freundschaft zur SPÖ
Die SPÖ ist hier bei ihrer Linie geblieben. Das ist ein Widerspruch zu meinen Überlegungen, aber das muss man respektieren. Wenn es um Verfassungsfragen geht, die die Spielregeln in der Demokratie bestimmen, ist es nicht gut, den Zweitstärksten an die Wand zu drücken. Daher habe ich das zur Kenntnis genommen. Sonst hätte das neue Klima in NÖ keine Chance.

Zur umstrittenen Veranlagung der Wohnbaugelder gibt es die gemeinsame Arbeitsgruppe. Was sind die Vorgaben?

In der ersten Arbeitssitzung des Landtags beschließen wir das mit dem Bund unterschriebene Spekulationsverbot. Und wir gehen unter Beiziehung von Experten den Weg, aus den Finanzgeschäften wieder herauszukommen.

Heißt: behutsamer Rückzug aus diesen Finanzgeschäften.

Das ist meine Vorgabe.

Auf Bundesebene wird die Neuverteilung der Wohnbauförderung diskutiert. Wer soll weniger und wer mehr erhalten?

Ich halte sehr wenig davon, die Verteilung der Wohnbaufördergelder in fixen Aufteilungsschlüsseln festzulegen. Man sollte sich da von alten parteipolitischen Denkmustern verabschieden und jetzt den Bedarf in den Vordergrund stellen.

Sind Sie dafür, dass es bei den Wohnbaugeldern des Bundes wieder die Zweckwidmung gibt?

Ich habe da überhaupt kein Problem, weil sowieso der Bedarf den Weg bestimmt.

Zwischen absoluter Mehrheit und Koalition
Trotz des Verlustes von knapp 54.000 Stimmen (minus 3,6 Prozent) konnte die ÖVP am 3. März mit 50,8 Prozent ihre absolute Mehrheit verteidigen. Sie ist mit 30 von insgesamt 56 Mandataren im Landtag vertreten. Die SPÖ dagegen schlitterte mit erreichten 21,6 Prozent in ein Allzeit-Tief. Sie stellt aktuell 13 Abgeordnete. Das Proporz-System sichert der ÖVP in Niederösterreich sechs Regierungssitze. Die SPÖ stellt zwei Landesräte. Das letzte der neun Regierungsämter steht in der aktuellen Periode dem Team Stronach zu. Nach fünf Jahren „Eiszeit“ einigte sich die ÖVP mit der neuen SPÖ-Führung erneut auf ein Arbeitsübereinkommen.

Die Absurdität des Bildes lässt sich nicht leugnen: In Kärnten hat eine rot-schwarz-grüne Koalition soeben die Arbeit aufgenommen, und dennoch ist mit Christian Ragger einer der verachteten Freiheitlichen (als auch ein Stronach-Mann) Teil der Regierung. Der Feind im eigenen Bett? Zwei Oppositionelle in der Regierung? Handelt es sich wieder einmal um eine spezielle Form des Kärntner Politik-Verständnisses?

Keineswegs. In Kärnten, und nicht nur dort, zwingt die Landesverfassung alle Parteien über zehn Prozent zum Mitregieren. Auch wenn diese weder Macht noch Geld noch Einfluss und schon gar keine Veto-Möglichkeit haben.

Proporzregierungen existieren heute außerdem noch in Niederösterreich (wo soeben das System einzementiert wurde), aber auch in Oberösterreich und im Burgenland. Bis 1999 gab es Proporz-Regierungen in Tirol und Salzburg, in der Steiermark wird es ab 2015 abgeschafft. In Kärnten ist diese wohl die letzte Proporz-Regierung: Die Koalition ist fest entschlossen, das System aus der Verfassung zu streichen.

Wobei in Kärnten die abgewählte FPK-Führung das System besonders missbrauchte. ÖVP-Landesrat Wolfgang Waldner klagte noch vor der Wahl im März via KURIER, dass er trotz Regierungssitz „jeden Tag auf Ausgrenzung und Abschottung“ gestoßen sei und er praktisch kein Geld ohne Zustimmung der FPK ausgeben konnte. Der grüne Landesrat Rolf Holub litt als Mandatar ohne Kontrollrechte jahrelang unter dem System: „Haider trieb das an die Spitze. Er suchte sich immer abwechselnd eine Mehrheit mit den Roten oder den Schwarzen. Diese Mauscheleien kosteten das Land jährlich 400 Millionen Euro Neuverschuldung.“

Aber auch in anderen Bundesländern zeigt sich die Absurdität des Proporz: Im Burgenland wurde in den 1990er-Jahren ein FPÖ-Mann zum „Seilbahnlandesrat“ ernannt, damit er ja keine Macht bekommt. Oder in Wien (wo es mit nicht-amtsführenden Stadträten ein ähnliches System gibt), wurde einst ein Grüner zuständig für öffentliche Uhren.

Historische Altlast

Prölls neue Freundschaft zur SPÖ
Eigentlich, erklärt der Politologe Fritz Plasser (Bild), handelt es sich beim Proporz um eine Altlast aus den Anfängen der Zweiten Republik: „Damals herrschte unter den Großparteien ein großes ideologisch motiviertes Misstrauen. Es war weniger die oft zitierte Konsens-Demokratie, die den Proporz verankert hat, sondern Misstrauen gegenüber dem politischen Gegner und die Aussicht, Macht zu teilen und immer mitentscheiden zu können.“

„Das System verhindert, dass die Demokratie durchlüftet werden kann, deswegen gehört es abgeschafft“, klagt Holub. „Heute hat sich das System absolut überholt“, findet Plasser. Auch in den Eliten der Länder würden nur mehr wenige das System verteidigen. „Besser, ein Teil übernimmt eine klare Verantwortung, und der andere Teil kontrolliert. Das setzt sich langsam auch in den Ländern durch. Ich glaube, in ein paar Jahren wird der Proporz überall abgeschafft sein.

Kommentare