Erste Hilfe für die Pflege

Erste Hilfe für die Pflege
Das Pflegegeld wird ab 2016 in allen Stufen angehoben. Der Zugang wird erschwert.

Wir wollen arbeiten, nicht streiten; und wir müssen das auch zeigen. Wenn das Sozialministerium heute, Dienstag, ein großes "Pflegepaket" in die vierwöchige Begutachtungsphase schickt, dann ist dies wohl kein Zufall – nach der Ideal-Vorstellung von Kanzler und Vizekanzler zeigt die Bundesregierung jede Woche mit einer Maßnahme, dass eine Große Koalition nicht nur über Reformen redet, sondern diese auch angeht.

Für die etwas mehr als fünf Prozent der Österreicher (genau: 454.393), die laut Statistik Austria Pflegegeld beziehen, ist das heute vom Sozialministerium vorgeschlagene Maßnahmen-Bündel tatsächlich ein bemerkenswerter Wurf. Denn ungeachtet der angespannten Situation im Bundesbudget soll das Pflegegeld in allen Stufen um zwei Prozent erhöht werden (siehe Grafik).

Erste Hilfe für die Pflege
Bundeskanzler Werner Faymann und Bundesminister Rudolf Hundstorfer besuchen das Städtische Pflegewohnhaus Leopoldstadt. Wien, 19.07.2013
"Im Schnitt bekommt jeder Betroffene im Jahr um 111 Euro mehr", sagt Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Allerdings, und auch das ist den klammen Staatskassen geschuldet, soll die Anhebung erst mit 1. Jänner 2016 schlagend werden.

Eine Verschärfung wartet im Gegenzug bei der Einstufung: Für Pflegegeld-Anträge, die nach dem 1. Jänner 2015 gestellt werden, sollen neue Stundenwerte gelten: Pflegegeld der ersten Stufe sollen künftig nur Menschen bekommen, die einen Pflegebedarf von 65 Stunden im Monat nachweisen; Stufe 2 wird von 85 auf 95 Stunden angehoben. Für bestehende Pflegegeld-Bezieher ändert sich freilich nichts, für sie sollen weiter die "alten" Stundenwerte gelten.

Welche Änderungen sind noch geplant?

Die mit den Ländern getroffene Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung wird verlängert, an der rechtlichen Situation ändert sich nichts.

Insbesondere pflegende Angehörige sollen von zwei anderen Neuerungen profitieren: Pflegegeldbezieher bzw. deren Angehörige sollen von sich aus Hausbesuche der Behörden beantragen können, wenn sie mit den Pflegeleistungen nicht zufrieden sind. Derzeit wird die Situation vor Ort zwar geprüft – allerdings nur in Stichproben.

Kostenlose Betreuung

Um Angehörige psychisch ein Stück weit zu entlasten, will ihnen das Sozialministerium künftig kostenlose Angehörigengespräche bei Experten ermöglichen.

Erste Hilfe für die Pflege
Endgültig saniert bzw. auch langfristig abgesichert ist das Pflege-System damit freilich noch nicht. "Mit diesen Maßnahmen haben wir die Kostensteigerungen gedämpft", sagt Hundstorfer.

Konkret rechnet das Ministerium damit, dass aufgrund der Verschärfung beim Zugang im nächsten Jahr statt 71.000 "nur" 65.000 Menschen neu ins Pflege-System einsteigen. Inwieweit die Pflegeleistungen in den unteren Stufen tatsächlich beansprucht werden, muss in Zukunft zumindest hinterfragt werden. Der Grund: In den unteren Pflege-Stufen 1 und 2 nehmen nur 14 bzw. 23 Prozent Sachleistungen in Anspruch. Das bedeutet: Von 100 Pflegegeld-Beziehern in Stufe 1 investieren nur 14 Prozent nachweislich Geld in professionelle Hilfe oder Betreuung.

Bezieher: Mit Ende Juli gab es in Österreich 454.393 Bezieher von Pflegegeld. Der größte Teil (130.300) erhielt Pflegegeld der Stufe 2 (derzeit 284 Euro/Monat). Die höchste Stufe 7 (mehr als 180 Stunden Pflege) wurde von 9550 Menschen in Anspruch genommen.

Finanzierung: Das Pflegegeld-System kostet 2,4 Milliarden Euro im Jahr, Tendenz steigend. Dazu kommen Zahlungen des Pflegefonds, den Bund und Ländern speisen. 2014 sind 235 Millionen Euro für den Fonds reserviert, das Volumen steigt 2016 auf 350 Millionen.

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