Die Vorgänger

Bundespräsident Heinz Fischer
Das neue Staatsoberhaupt folgt acht Bundespräsidenten der Zweiten Republik nach. Lesen Sie hier über deren Größe und Schwächen. Persönliches Glück fanden nur die wenigsten von ihnen.

Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können, die acht Vorgänger des künftigen Staatsoberhaupts. Karl Renner war – so jedenfalls steht’s in den Geschichtsbüchern – Österreichs erster Bundespräsident. Doch das ist gar nicht so sicher, wie es scheint. Renner wurde nämlich 1870 gemeinsam mit einem Zwillingsbruder als eines von 18 Kindern einer armen Bauernfamilie in Mähren geboren. Um die beiden Knaben voneinander unterscheiden zu können, band man Karl eine rote und seinem Bruder Anton eine blaue Schleife um den Arm. Während des Fütterns lösten sich die Schleifen, und von da an stand nicht mehr fest, wer Karl und wer Anton war. Der spätere Bundespräsident hat selbst mehrmals gesagt: "Ich glaube, ich bin der Anton und er ist der Karl!"


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Schatten auf Renners Lebensweg

Egal, ob er Karl oder Anton hieß – fest steht, dass Renner zu den Baumeistern der Ersten und der Zweiten Republik zählt. Doch auf seinem Lebensweg lastet ein Schatten, da sich der Sozialdemokrat 1938 öffentlich für den "Anschluss" an Hitler-Deutschland aussprach. Selbst sein späterer Nachfolger Heinz Fischer widersprach denen, die behaupten, Renner hätte diese Erklärung abgegeben, um mehrere Menschen vor dem KZ zu retten: "Ich habe dafür keinen Beweis gefunden", meint Fischer.

Die Vorgänger
APARSC03 - 02122004 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA-TEXT II - Archivaufnahme vom 29.4. 1945 zeigt den damaligen Staatskanzler Karl Renner nach der Konstituierung der provisorischen Staatsregierung .HEERESGESCHICHTL. MUSEUM / ARSENAL

Theodor Körners heimliche Affäre

Als Österreich 1945 vor seinen Trümmern stand, soll Kremlchef Stalin gesagt haben: "Was, der alte Renner lebt noch? Das ist unser Mann!" So wurde er von den Besatzungsmächten vorerst als Regierungschef bestellt, ein halbes Jahr später wählte ihn die Bundesversammlung zum Staatsoberhaupt. Doch Stalin hatte sich getäuscht: Renner war nicht "sein" Mann, er war vielmehr einer jener Politiker, die mit Härte den Weg zur Eigenständigkeit Österreichs wiesen.

Das Ende der Besatzungszeit sollte aber erst sein Nachfolger Theodor Körner erleben – Österreichs erster vom Volk gewählter Bundespräsident. Der Sozialdemokrat und ehemalige k. u. k. General galt als jovial, volksverbunden, unkompliziert – und als eiserner Junggeselle. Niemand wusste davon, dass er eine heimliche Affäre hatte. Das wurde erst vor wenigen Jahren bekannt, als Cherica Schreyer-Hartmann dessen geheim gehaltene Lovestory mit ihrer Mutter in dem Buch "Theodor Körner. Der rote Kaiser und die Nachtigallen" dokumentierte.

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"Jede Stunde dachte ich: Gott, wie lieb ich Dich", schrieb der fast 80-jährige Körner an die um 34 Jahre jüngere Beatrix Hartmann. Die in Tirol lebende, verheiratete Frau übernachtete, wenn sie in Wien war, in der Präsidentenvilla, ging mit Körner zum Fußballmatch und wurde in der Öffentlichkeit als seine Nichte ausgegeben. "Trix", wie er sie nannte, stand auch treu zu ihm, als Körner 1956 einen Schlaganfall erlitt, der ihn halbseitig lähmte. Der Bundespräsident lernte mit der linken Hand zu schreiben und schleppte sich bis zuletzt in die Hofburg.

Schärf fühlte sich einsam

In Körners Amtszeit fällt die Unterzeichnung des Staatsvertrags. Als Bundespräsident verweigerte er das Einverständnis, die nationale FPÖ-Vorgängerpartei "Verband der Unabhängigen" (VdU) in die Regierung aufzunehmen, wie es von Kanzler Leopold Figl geplant war. Durch Körners Entscheid hielt die Große Koalition bis zum Jahr 1966.

Theodor Körner war übrigens der bislang einzige Bundespräsident, der sich – wie es auch heute der Fall ist – als einer von sechs Kandidaten der Wahl stellte, darunter befanden sich der oberösterreichische Landeshauptmann Heinrich Gleißner und vier Quereinsteiger.

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Offizieller Besuch: Kennedy, Bundespräsident Schärf, Chruschtschow

Während Körner durch seine geheime Liebesbeziehung keinen Grund hatte, sich einsam zu fühlen, war das bei seinem Nachfolger, dem früheren SP-Vizekanzler Adolf Schärf, ganz anders. "Das neue Amt hat mich aus dem Kreis der Freunde von einst heraus- und hinaufgehoben", notierte der dritte Bundespräsident in sein Tagebuch. "Ich bin so einsam, wie ich es nie in meinem Leben gewesen." Schärfs Frau Hilda war ein Jahr vor seiner Angelobung gestorben, weshalb er ganz besonders unter der Abgeschiedenheit des ersten Mannes im Staat litt. Als er die Notwendigkeit einer "First Lady" an seiner Seite erkannte, setzte Schärf seine Tochter Martha Kyrle für repräsentative Aufgaben ein, die sich daran erinnerte, "dass seine Wahl zum Bundespräsidenten ein gewaltiger persönlicher Einschnitt für ihn war, er aber dabei seine Persönlichkeit nicht ändern konnte und wollte."

Schärf, der sich "als Gefangener des Protokolls" sah, weigerte sich – wie später Heinz Fischer –, in eine Dienstvilla zu ziehen und behielt stattdessen seine alte Wohnung, ebenfalls wie Fischer in der Wiener Josefstadt. Schärf hatte vor, nach seiner Amtszeit in einem Buch die Erinnerungen als Bundespräsident zu veröffentlichen. Es war ihm jedoch nicht vergönnt, den Ruhestand zu erleben. Er starb, nachdem er trotz einer schweren Verkühlung den auf Staatsbesuch in Österreich weilenden persischen Schah Reza Pahlevi persönlich vom Flughafen Schwechat abholte.

Franz Jonas litt unter Witzen

Mit einer böswilligen Kampagne über seine einfache Herkunft sah sich Franz Jonas während seiner gesamten Amtszeit konfrontiert. Der gelernte Schriftsetzer litt schrecklich unter den sogenannten "Jonas-Witzen", die über ihn in Umlauf waren, obwohl er sein Amt in durchaus würdevoller Weise ausübte. Man hatte sogar verbreitet, dass seine Frau infolge ihrer tschechischen Herkunft kein Wort Deutsch sprechen würde. Das ging so weit, dass in der Hofburg von Botschaften angefragt wurde, in welcher Sprache man sich mit der "First Lady" unterhalten könnte.

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Aufnahmedatum: 09.06.1965 Erscheinungsdatum: 10.06.1965 Der neue Bundespräsident Franz Jonas am Schriebtisch in seinen Amtsräumen in der Wiener Hofburg. Neben ihm Kabinettsdirektor Karl Trescher (links)

Im Gegensatz zu seinem Image war Wiens einstiger SP-Bürgermeister selbst bei Staatsbesuchen wie dem der englischen Königin Elizabeth ein geschätzter Gastgeber. Er blieb auch als erster Mann im Staat ein begeisterter Briefmarkensammler, beherrschte die Kunstsprache Esperanto und betätigte sich auf offiziellen Reisen als Hobbyfotograf. In seiner Amtszeit wurden die einzigen Alleinregierungen – unter Josef Klaus und Bruno Kreisky – gebildet.

Kirchschläger im Ruhestand

Renner, Körner, Schärf und Jonas starben in ihrem hohen Amt – Rudolf Kirchschläger war der erste Präsident, dem es vergönnt war, seinen Ruhestand anzutreten. Dabei war gerade der parteilose, von der SPÖ nominierte Kandidat zeitlebens – was damals kaum bekannt war – ein schwerkranker Mann. "Er hatte einen angeborenen Herzfehler und mit 38 Jahren den ersten Herzinfarkt", erzählte mir Kirchschlägers Ehefrau Herma nach seinem Tod. "Als er jung war, rechnete er damit, nicht älter als 60 Jahre zu werden", er wurde aber 85. Der – wie alle seine Amtsvorgänger – aus kleinen Verhältnissen stammende Staatsmann ist als Mahner und Moralist in Erinnerung geblieben. Kirchschläger selbst machte sich nach einer seiner Neujahrsansprachen darüber lustig, als er zu seinen Mitarbeitern sagte: "Der Kardinal König hat wieder eine politische Rede gehalten – und ich habe gepredigt.

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Aufnahmedatum: 08.07.1974 Erscheinungsdatum: 09.07.1974 Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, der sich anlässlich seiner Angelobung zum Bundespräsidenten vor der österreichischen Staatsflagge verneigt. dahinter Karl Lütgendorf.

"Auch der von der ÖVP nominierte ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim konnte – nachdem er auf eine zweite Amtszeit verzichtete – in Pension gehen. Seine Präsidentschaft war im In- und im Ausland davon überschattet, wie er mit seiner Vergangenheit in der NS-Zeit umging. "Waldheim hat die Isolation, in der er sich befand, tief verwundet, aber es gehörte zu seinen Prinzipien, nicht zu zeigen, wenn es ihm schlecht ging", erinnert sich sein langjähriger Sprecher und engster Mitarbeiter Heinz Nußbaumer. "Die Angriffe gegen ihn wirkten sich massiv auf seine Gesundheit aus, er hatte Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen, nahm Medikamente ein."

Waldheim und die "Watchlist"

Kurt Waldheim hatte bis zuletzt gehofft, seine Rehabilitierung und die Streichung von der "Watchlist" erleben zu können, "aber sein Warten war vergeblich", erzählt Nußbaumer, den Waldheim "immer wieder verzweifelt fragte, was er denn falsch gemacht hätte".

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Nach U Thant ging das Amt wieder an einen Europäer. Kurt Waldheim war von 1971 bis 1981 Generalsekretär. Seine Amtszeit war durch Konflikte im Nahen Osten, wie dem Jom-Kippur-Krieg geprägt. Eine dritte Amtszeit scheiterte an dem Veto Chinas.

Während Waldheim vom Halt, den er in seiner Familie fand, gestützt wurde, fehlte dieser seinem Nachfolger Thomas Klestil nach der Trennung von Ehefrau Edith im Jahr 1993. "Er hatte enorme Schlafprobleme", weiß Nußbaumer, der auch Klestils Sprecher war. "Und er hatte die spielerische Leichtigkeit verloren, die die Wurzel seines Erfolgs war. Klestil konnte nicht mehr so wie früher auf Menschen zugehen, weil er oft Angst hatte, wie sie auf ihn reagieren würden. Einst überall mit Applaus empfangen, war das nach seiner öffentlichen Ehekrise nicht mehr so sicher."

Die Folgen von Klestils Scheidung

Klestil war ab Herbst 1996 gesundheitlich schwer angeschlagen. Heinz Nußbaumer meint, dass sein Lungenleiden auch seelische Ursachen haben könnte. "Klestil wurde als Folge seiner Scheidung von vielen seiner christlich-bürgerlichen Freunde und Weggefährten mit Argwohn betrachtet, der CV überlegte seinen Ausschluss und die ÖVP ging auf Distanz zu ihm." Dazu kam, dass Klestil zur Jahreswende 1999/2000 mit allen Mitteln, aber vergeblich versuchte, die schwarz-blaue Regierung unter Wolfgang Schüssel zu verhindern. So unterschiedlich Thomas Klestil und Kurt Waldheim auch waren – die Belastung in ihrer Amtszeit verbindet sie.

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REUTERS/Leonhard Foeger REUTERS

Heinz Fischers Übernahme des hohen Amtes war dramatisch. Der unmittelbar vor dem Ruhestand stehende Bundespräsident Klestil starb zwei Tage vor dem regulären Ende seiner Amtszeit.

Fischer ist der achte Präsident der Zweiten Republik. Und er ist wohl einer der wenigen, der unbeschadet aus dem Amt scheiden wird.

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