Die rot-schwarze Tafelrunde macht Kassasturz

An diesem Tisch im Parlament werden heute erstmals die Verhandler von SPÖ und ÖVP Platz nehmen.
Erstmals tagt das 26-köpfige Verhandlungsteam. Ans Eingemachte geht es aber in der Untergruppe Staatsfinanzen. Dort wird ausgelotet, was in den nächsten Jahren budgetär machbar ist.

Eilig haben sie es nicht – offiziell zumindest. Mehr als drei Wochen sind seit der Nationalratswahl vergangenen. Erst heute tagen die rot-schwarzen Verhandler das erste Mal. 13 SPÖler, präsidiert von Werner Faymann, und 13 ÖVPler, angeführt von Michael Spindelegger, kommen im Parlament zusammen.

Am Dienstag debütiert auch die wichtigste der acht Untergruppen – jene zum Thema Staatsfinanzen unter der Ägide von SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder und ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer. Da sollen erste Daten vorliegen.

Semantische Differenz

Die ÖVP nennt es „Kassasturz“, die SPÖ spricht von „Zahlen und Fakten“. Es geht sowohl um die Rückschau (Steuereinnahmen etc.) als auch um eine Vorschau (Budgetentwicklung etc.). Der Hintergrund für den semantischen Unterschied: Die ÖVP macht auf Alarmismus, die SPÖ kalmiert. Das heißt: Die Schwarzen befürchten arge Budgetnöte; die SPÖ meint, das gehe sich schon alles irgendwie aus.

Tatsächlich soll die Konjunktur 2014 besser werden. Dadurch bleiben die Steuereinnahmen hoch. Die für drei Jahre mit 1,5 Milliarden Euro budgetierte Finanztransaktionssteuer gibt es vorerst aber nicht. Teilkompensiert werden soll das mit Geld aus der Schweiz und Liechtenstein – via Steuerabkommen.

Noch nicht klar ist, wie die neue Pendlerpauschale finanziert werden soll; sie macht immerhin 250 Millionen jährlich aus.

Ein noch viel größeres Problem ist eine Altlast: Die notverstaatlichte Kärntner Hypo Alpe-Adria wird die Steuerzahler vermutlich noch fünf Milliarden kosten.

Erfreulich für Politiker und Bürger: Die Versteigerung der Mobilfunk-Frequenzen hat mehr eingebracht, als erwartet worden war – zwei Milliarden statt der budgetierten 500 Millionen Euro (mehr zur Frequenzauktion). Heuer macht das Defizit 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. 2016 soll es ein Null-Defizit geben. Dafür fehlen derzeit nach Schätzungen rund 16 Milliarden Euro – ohne Hypo-Kosten. Ein renommierter Wirtschaftsexperte sagt zum KURIER: „Wir würden nicht so schlecht dastehen, wenn wir nicht so viel Geld nach Kärnten schicken müssten. Die Hypo ist der Schmerz der Geschichte.“

All das ist zu berücksichtigen, wenn das Duo Schieder/Pühringer das Doppelbudget für die Jahre 2014 und 2015 vorbereitet. Spielraum für die von der SPÖ für 2015 angepeilte Steuerreform sehen Fachleute in den nächsten beiden Jahren nicht.

Posten-Gerangel

Faymann und Spindelegger haben sich ausbedungen, die Öffentlichkeit exklusiv über den Stand der Dinge zu informieren; die anderen Verhandler müssen schweigen.

Geschwiegen wird auch zu Personalia. Wer in der Regierung und/oder auf hohen Parlamentsposten sitze, werde erst zum Schluss entschieden, wird von Roten und Schwarzen beteuert.

Faktum ist: Die Taucherei um Jobs hat, wie berichtet, längst begonnen – vor allem in der ÖVP. Dort soll es ja große Rochaden geben. Nach wie vor offen ist, ob Spindelegger im Außenamt bleibt oder in das Finanzministerium geht. Eines ist schon fix: Maria Fekter ist Geschichte an der Spitze dieses Ressorts.

Auch das Landwirtschaftsministerium wird umbesetzt. Als Nachfolger von Nikolaus Berlakovich wird unter anderen Josef Geisler genannt. Der Tiroler Agrarlandesrat sitzt in der koalitionären Verhandlungsgruppe zum Thema. Der immer wieder als möglicher Minister gehandelte Johannes Abentung ist ebenfalls als Berlakovich-Erbe im Gespräch. Der Direktor des Bauernbundes hat den besten Draht zu Bauernbund-Präsident Jakob Auer. Abentung war einst Kabinett-Chef von Franz Fischler. Wie Geisler ist er Tiroler. In beiden Fällen hätten die West-Schwarzen den ersehnten Minister in Wien.

Die Arbeitsgruppe „Staatsfinanzen“ kommt heute das erste Mal zusammen. Man braucht viel Fantasie, um sich eine konstruktiv-harmonische Atmosphäre vorstellen zu können. Manch Beteiligte garantieren fast eine Stimmung knapp oberhalb des Gefrierpunktes. Der „neue Stil“ wird es schwer haben.

Das Problem sind weniger die Chefverhandler Andreas Schieder, Finanzstaatssekretär der SPÖ, und der überraschend eingesetzte oberösterreichische ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer. In der zweiten Reihe könnten aber die Fetzen fliegen: Mit Finanzministerin Maria Fekter, die Pühringer zur Seite sitzt und AK-Wien-Direktor Werner Muhm, der Schieder den Rücken stärken soll, treten zwei in den Ring, die gar nicht miteinander können.

Eiszeit herrscht, seitdem Fekter Muhms Mandat im Generalrat der Nationalbank – gegen alle großkoalitionären Usancen – im Vorjahr nicht verlängert hatte. Und ihn erst nach einem veritablen Krach in der Regierung und Protesten – auch aus Reihen der schwarzen Sozialpartner (wie Kammerpräsident Christoph Leitl) – wieder eingesetzt hat.

Vergessen oder verziehen ist das nicht. Dazu kommen die mögliche Nachbeben des klassenkämpferisch gefärbten Wahlkampfes. Fekter, die Steuererhöhungen kategorisch ausgeschlossen hat, ist zusätzlich schwer verstimmt, weil sie im Finanzressort weichen muss. Sie soll zwar mit Pühringer ein Doppelbudget sowie die Eckpunkte für einen neuen Finanzausgleich ausverhandeln, dann aber einem anderen VPler das gemachte Nest überlassen.

Enger BeraterIhr gegenüber sitzt mit Muhm einer der roten Chefideologen, der sich viel vorgenommen hat: Von der Millionärssteuer, über die Senkung der Lohnsteuer bis zum Ende für steuerliche Bauern-Privilegien. Muhm ist einer der engsten Wirtschaftsberater von Kanzler Faymann und verhandelt andernorts auch das Landwirtschaftskapitel mit.

Als einer der ganz wenigen Punkte, auf den sich SPÖ und ÖVP rasch einigen könnten, gilt die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 Prozent. Auch Fekter sagt, dass sie 20 bis 25 Prozent „nicht so abwegig“ findet. Doch beim Zeitpunkt der Entlastung oder gar der Finanzierung ist Ende im rot-schwarzen Gelände. Die ÖVP will erst ein Nulldefizit 2016 schaffen, die SPÖ schon 2015 entlasten. Wobei Experten der ÖVP recht geben. Denn, allein die Senkung des Eingangssteuersatzes kostet vier, die Abwicklung der Kärntner Hypo bis zu fünf Milliarden Euro.

Das Top-Thema der Verhandlungen abseits vom Doppel-Budget (siehe oben) ist die Schulreform. Wie der KURIER am Sonntag berichtete, zielen die Gespräche zur Bildungsreform in Richtung totaler Autonomie der Schulen ab. Jeder Schulstandort soll demnach entscheiden können, was für einen Schultyp (Ganztagsschule, Gesamtschule, Gymnasium, etc.) man sein will – und totale Personalhoheit bekommen. Ein eigener Arbeitsmarkt für Lehrer wäre die Folge.

Bildungsexperten wie Heidi Schrodt, die jahrelang eine Wiener Schule leitete, loben den Vorstoß: „Die Schulautonomie zu forcieren, ist sicher der richtige Weg.“ Sie warnt aber davor, den Schulen die Auswahl des Schultyps zu überlassen: „Die Schulen können jetzt schon darüber abstimmen, ob sie etwa eine Gesamtschule sein wollen. Gemacht haben das nur wenige. Ich kenne kein Land, wo solche grundlegenden Entscheidungen den Schulen überlassen werden. Da braucht es übergeordnete Stellen, die das steuern.“ Schrodt empfiehlt dafür eine Verwaltungsreform, die Schulräte abschafft, und stattdessen regionale Bildungsdirektionen einsetzt. Auch Personalautonomie an Schulen sei „eine tolle Zukunftsperspektive. Die Schulen müssen entscheiden dürfen, wie groß die Klassen sind, ob Psychologen, Sozialarbeiter oder zusätzliche Sprachlehrer angestellt werden.“

„Sehr problematisch“

Fritz Enzenhofer, der mächtige Präsident des Landesschulrates für Oberösterreich, warnt hingegen: „Autonomie ist sicher nicht das Zauberwort.“ Mitsprache klinge gut, sei aber in der Praxis sehr problematisch: „Allein in Oberösterreich haben wir 20.000 Lehrer. Sollte sich jeder Lehrer extra bewerben müssen? Das wird nicht funktionieren“, warnt der ehemalige Lehrergewerkschafter. „Und welche Lehrer würden dann noch an Problemschulen unterrichten?“ Auch die Gewerkschaft werde nicht erfreut sein: „Wer soll entscheiden, welcher Lehrer kommen darf – und wer gehen muss?“

Sie gelten als konziliant und fachlich beschlagen; und was immer Werner Faymann und Michael Spindelegger bei den Regierungsgesprächen unternehmen: Die beiden wissen es.

Bei den Koalitionsgesprächen zwischen SPÖ und ÖVP kommen Josef Ostermayer, 52, und Jochen Danninger, 38, neben den Parteichefs die zentralen Rollen zu. Kein relevantes Papier geht nicht über ihre Schreibtische.

Der eine, Staatssekretär Ostermayer, lernte den SPÖ-Chef bei der Mietervereinigung kennen und ist seit bald einem Vierteljahrhundert dessen steter Begleiter; der andere, Danninger, landete nach Zwischenstationen in der IV und Brüssel im Hohen Haus, wo er 2006 Spindeleggers Bürochef wurde – und diesem seither nicht mehr von der Seite wich.

Ostermayer und Danninger sind sich in vielem ähnlich: Beide sind Juristen, beiden wird von Freund wie Feind attestiert, ruhig und professionell zu verhandeln; und beide gelten als ideologisch firm und ausnehmend fleißig. „Der Josef ist mein Hirn“, sagt Faymann im kleinen Kreis gerne über seinen Staatssekretär, der in der nächsten Regierung wohl zum Minister avanciert.

Doch wirklich offen redet der Kanzler über Ostermayer mit niemandem – außer vielleicht mit Ostermayer. „Den Werner und den Josef verbindet unter anderem, dass sie sonst niemandem vertrauen“, erzählt ein SPÖ-Minister. Nachgerade symbiotisch sei die Beziehung der Roten.

Faymann profitiert von Ostermayers Fleiß und seiner schnellen Auffassungsgabe. Ostermayer wiederum weiß, dass er ohne einen wie den Werner nie Minister werden würde“, sagt ein SPÖ-Präsidiumsmitglied.

Das kann man über das ÖVP-Duo so nicht ganz sagen. Spindelegger schätzt Danninger unter anderem für seine guten Kontakte in den Wirtschaftsflügel der Partei. Die beiden kennen einander aber nicht annähernd so lange wie das sozialdemokratische Duo, das bisweilen sogar gemeinsam in den Urlaub fährt.

Der wohl deutlichste Unterschied zwischen Danninger und Ostermayer ist wohl der Sport: Danninger radelt und läuft begeistert – er braucht diesen Ausgleich, heißt es. Demgegenüber lebt Ostermayer nachgerade ungesund: „Der Josef arbeitet und raucht zu viel, er schläft wenig“, sagt ein Vertrauter. „Und zum aktiven Sport hat er die selbe Beziehung wie Churchill, nämlich: keine.“

Kommentare