Die Grünen sind an der Staatsspitze angelangt

Die Grünen sind an der Staatsspitze angelangt
Erstmals wurde mit Van der Bellen ein Grüner vom Volk zum Staatsoberhaupt gewählt.

Bei all der Aufregung um Norbert Hofer und das knappe Wahlergebnis wäre es fast untergegangen: 30 Jahre, nachdem die Grünen 1986 erstmals in den Nationalrat einzogen, hat ein Grüner (der als Unabhängiger kandidierte) in Bälde das höchste Amt im Staat inne. Er ist das weltweit erste vom Volk gewählte Staatsoberhaupt der Grünen. Erst im Vorjahr wurde Raimond Vejonis als Grüner zum Präsidenten Lettlands gewählt – allerdings vom Parlament.

Demut statt Freude

Als Alexander Van der Bellen gestern erstmals als gewählter Präsident vor die Kameras trat, herrschte dennoch Demut statt Freude. Sogar die Fans müssen draußen bleiben. Vor dem Portal des barocken Palais Schönburg hat sich eine Menge von etwa einhundert Menschen versammelt. Das Setting im Palais ist staatstragend. Das Publikum sind die Kameras. Europa und der Rest der Welt wird Bilder des neuen Bundespräsidenten in der Abendsonne vor der weißen Fassade des Palais sehen. Und der Mitarbeiter seines Teams und der Grünen, wie sie sich innig in die Arme fallen. Der lange Wahlkampf ist endlich vorbei.

In ihrer Geschichte hatten die Grünen noch nie einen Minister gestellt und waren noch in keiner landesweiten Koalition (dafür regieren sie auf Landesebene aktuell in Wien, Kärnten, Vorarlberg, Tirol und Salzburg als Juniorpartner). 1983 kandidierte die aus dem Protest gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf und das Kraftwerk in der Hainburger Au entstandene Bewegung erstmal für den Nationalrat, scheiterte aber mit 3,29 Prozent. Drei Jahre später reichten 4,82 Prozent für den Einzug in den Nationalrat. Unter der Führung der im Vorjahr verstorbenen Freda Meißner-Blau zog auch jener Mann in den Nationalrat ein, der bis heute nicht nur eine gewichtige Figur der Grünen, sondern auch der Entdecker Alexander Van der Bellens ist: Peter Pilz. Er holte den ehemaligen Sozialdemokraten zur grünen Bewegung, 1997 wurde Van der Bellen Bundessprecher der Grünen. Unter ihm erlebten sie ihre größten Erfolge, wurden 2006 drittstärkste Kraft im Land. Und nun ist er Bundespräsident.

Die Leichtigkeit ist futsch

„I bin's, euer Präsident“, so hatte sich Van der Bellen seinen Einstand als Präsident vorgestellt, als er im Winter seine Kandidatur verkündete. Diese Art von Leichtigkeit ist futsch. Aus Winter wurde Frühsommer. Zwei Wahlgänge und Wahlkämpfe haben im Land Spuren hinterlassen. In den inländischen Medien ist von Spaltung die Rede, in den ausländischen von einer gewonnen Schlacht gegen den Rechtspopulismus in Europa. Van der Bellen wollte nicht, dass es so weit kommt. Und es ist schwer vorstellbar, dass er, der sanftmütige Professor, sich in der Rolle des Feldherren wohl gefühlt hätte.

Er war seine Persönlichkeit, die schon die traditionell zerstrittenen Grünen einte. So gesehen ist er vielleicht genau der Richtige, um auch das Land zu einen, das fast schon zufällig zu diesem grünen Staatsoberhaupt gefunden hat. Es erscheint erstaunlich, dass ein Land, dessen Bevölkerung immer schon rechts der Mitte war, nun bald einen aus der oft als "Chaostruppe" bezeichneten Partei in der Hofburg sitzen hat.

Ein Plädoyer für das Gemeinsame

Auch deshalb spricht wohl während seiner Rede die Demut aus ihm. Die Fans auf der Straße jubeln, als Van der Bellens Konvoi vorfährt. Es gibt Applaus, als Van der Bellen den Garten betritt. Einige Journalisten klatschen mit, aus Respekt vor dem Amt, oder aus Erleichterung, es ist schwer zu sagen. Ob es das auch für einen Bundespräsidenten Hofer gegeben hätte? Van der Bellen hält sich kurz, eine Viertelstunde dauert die Ansprache. Es ist ein Plädoyer für das Gemeinsame, ein erster Versuch der Versöhnung der beiden Hälften. Die Transformation vom Kandidaten zum Präsidenten via Live-Schaltung. „Gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich“, sagt er zum Abschluss, bevor er sich in einer Traube von Reportern in Richtung Straße aufmacht.

Kommentare