Die geteilte Stadt: Das G’spür der Wiener für Rot und Blau
"Wählt so, wie ihr denkt ... damit auch geschieht, was ihr wirklich wollt", plakatiert die FPÖ.
Was viele hier denken: Dass eine Stimme für die FPÖ da etwas bewirken kann, irgendetwas, einen Aufschwung für Simmering, oder zumindest ein Aufwachen bei der SPÖ.
Simmering ist ein rot-blauer Battleground. A haaßes Pflosta, würde der Ostbahn Kurti als Ursimmeringer sagen. 2005 hatte die SPÖ 60 Prozent. 2015 könnte es hier den ersten blauen Bezirksvorsteher in Wien geben.
Der Grant auf die, die regieren
Man kann jetzt darüber sinnieren, dass die parteipolitischen Unterschiede bei Bim-Strecken und -Intervallen doch wohl so groß nicht sein können. Erörtern, ob die Verödung von Nahversorgungsmeilen eher der Bezirkspolitik oder dem Konsumverhalten geschuldet ist.
Vom "süßen" und vom "finsteren" Gesicht Wiens hat die New York Times diese Woche geschrieben, das Vermächtnis von Freud und Mozart stehe dem Erbe der Nazis gegenüber.
Es gibt die geteilte Stadt auch eine Nummer kleiner.
Zwischen Rot-Grün und Rot-Blau
Politisch könnte man auch sagen: Das Rote Wien gibt es nicht mehr. Stattdessen eines, zu dem Rot-Grün passt – und eines, das eher Rot-Blau entspricht. Für die SPÖ droht das zur Zerreißprobe zu werden: Rückt man als Reaktion auf eigene Verluste und blaue Gewinne nach rechts – oder erst recht nach links?
Nach der Wahl wird die Stadt vielleicht genauso blau wie rot sein. Ganz sicher wird man sie teilen können in gefallene und gehaltene rote Hochburgen; in (ehemalige) Arbeiterbezirke, die recht brodeln, und jene, die eher blühen.So wie Simmering und Ottakring.
Wer mit Franz Prokop über den Brunnenmarkt geht, muss Zeit haben. Der rote Bezirksvorsteher plaudert gerne mit den Standlern und ihren Kunden und sie auch gerne mit ihm. "Servas!", "Merhaba!", "Wie geht’s?" – Die Sonne scheint, der Markt brummt, es ist ein guter Tag zum Plaudern. Man kennt sich, und mögen tut man sich ganz offensichtlich auch.
Schultern werden geklopft, Kugelschreiber verteilt, Fotos gemacht. Ein Imbiss-Standler hält Prokop eine aufgeschlagene Zeitung entgegen: Ob er das abgedruckte SPÖ-Inserat als Plakat haben könnte? Er würde es gerne aufhängen, und zwar gleich zwei Mal. Im Wirtshaus erinnert die Köchin Prokop, dass es am Wochenende wieder die Rindsrouladen gibt, die ihm so schmecken. Eine Dame schaut vom Kaffee auf: Ein guter Bezirksvorsteher ist er, der Franz, das will sie schon gesagt haben.
"Reden, reden, reden"
Prokop zieht ein Bild aus der Tasche, es zeigt den Yppenplatz in den 1980er-Jahren. Es ist kein schöner Anblick, noch ist nichts zu erahnen vom heutigen Ottakringer Magnet für Junge und Kreative. Prokop ist stolz auf die Entwicklung. Es gebe schon auch Probleme, eh klar; aber eben auch ein sehr ordentliches und ordentlich buntes Mit- und Nebeneinander.
Simmering hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Wahlkampf öfter besucht als andere Bezirke. Am Brunnenmarkt erinnert man sich nur an einen Auftritt: Als Strache jüngst am Ottakringer Kirtag ausgepfiffen wurde.
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