Deutschmeister als Föderalismusopfer

Mit Sonderwünschen und Fantasiezahlen konfrontiert: Finanzminister Hans Jörg Schelling.
Regierung hantelt sich mit gemischtem Erfolg zu Reformen. Beamten-Budgetbombe entschärft.

Es ist immer das gleiche Spiel. Ein Minister macht einen Reformvorschlag, keine zwei Minuten später regt sich der erste Widerstand.

Das Beispiel der vergangenen Woche: Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek will die Zahl der Kleinschulen reduzieren. "Kommt nicht infrage", tönt es aus dem Burgenland von ihrem Parteifreund Hans Niessl. Der Landeshauptmann befindet sich im Wahlkampf, und da bewegt sich bekanntlich noch weniger als nichts.

Ähnlich wie Heinisch-Hosek erging es kürzlich Verteidigungsminister Gerald Klug. Er musste mit seinem Ansinnen, einige der neun Militärmusikkapellen einzusparen, vor den schwarzen Landeshauptleuten kapitulieren.

Während es beim Sparen hapert, ist die Politik beim Erfinden neuer Ausgaben fix: Rauchverbot? Nur gegen Entschädigung der Wirte.

Terror in Paris? Gute Gelegenheit, eine Aufrüstung der Polizei zu fordern. Denn wenn der rote Verteidigungsminister 350 Millionen extra fürs Heer kriegt, muss für die schwarze Innenministerin wohl ein analoger Betrag drinnen zu sein.

Praktisch wöchentlich landet ein neuer Wunsch auf dem Tisch des Finanzministers. "Jeder will was. Die Wissenschaft. Die Familie. Die Infrastruktur", heißt es enerviert.

Im Frühjahr muss der Finanzminister dem Nationalrat einen aktualisierten Finanzrahmen für die nächsten vier Jahre vorlegen. In dem Zahlenwerk muss er nicht nur die vielen Extrawürste der Minister, sondern auch eine glaubhafte Gegenfinanzierung für die Lohnsteuersenkung unterbringen. Bei Letzterer geht es immerhin um bis zu fünf Milliarden Euro, die – so verspricht’s die ÖVP – nicht ausschließlich durch Steuererhöhungen aufgebracht werden sollen.

Schelling wird auch Fantasiezahlen seiner Vorgänger bereinigen müssen. Maria Fekter und Michael Spindelegger haben jährlich eine halbe Milliarde aus einer Finanztransaktionssteuer, die es bis heute nicht gibt, in die Finanzvorschau geschrieben. Spätestens im Herbst fürs Budget 2016 muss dafür Ersatz gefunden werden.

Eine Budgetbombe konnte Schelling entschärfen: Mehrkosten von bis zu drei Milliarden Euro aufgrund einer Rechtswidrigkeit im Beamtendienstrecht bleiben den Steuerzahlern erspart. Wie berichtet, hatte der EU-Gerichtshof angeordnet, den Beamten Ausbildungszeiten anzurechnen. Die erste Gesetzes-Reparatur hatte die Regierung verpfuscht, sodass der EuGH die Bestimmung erneut aufhob und eine neuerliche Reparatur nötig wurde.

Vor wenigen Stunden, am Freitagnachmittag, schloss die Regierung mit der Beamtengewerkschaft eine "budgetneutrale Lösung" ab. Diese soll nun in einer generalstabs-mäßig geplanten Aktion durchs Parlament geschleust werden. Am Freitagabend bekamen die Abgeordneten den Entwurf gemailt, für Montagnachmittag wurde eilends ein Verfassungsausschuss einberufen, bereits am Mittwoch soll der Beschluss im Plenum fallen.

Grund für die Eile: Die Beamtengewerkschaft stimmte zu, dass die Anrechnung der Ausbildungszeiten nicht zu höheren Beamtenbezügen führt. Bei Kosten von bis zu drei Milliarden jährlich wäre dies nämlich für den Staatshaushalt kaum verkraftbar. Bevor in der Beamtenschaft Proteste gegen die Gratis-Lösung ausbrechen, will die Regierung das Gesetz im Nationalrat festzurren.

Nicht alle Kompromisse sind so gelungen wie jener beim Beamtendienstrecht. Weil die Landeshauptleute darauf bestehen, dass es in jedem Bundesland eine Militärkapelle geben muss, soll nun der Spareffekt durch eine Reduktion der Musiker erzielt werden. Statt 47 Musikanten dürfen pro Kapelle nur noch 20 aufspielen. "Aus künstlerischer Sicht ist das bedenklich. Wir gleiten an die Peinlichkeitsgrenze ab", sagt der Chef-Kapellmeister des Bundesheers, Bernhard Heher.Der Kapellmeister ist einigermaßen ratlos, wie er die Gesetzmäßigkeiten der Akustik mit denen des Föderalismus in Einklang bringen soll: Wie lässt sich mit nur 20 Musikern im Freien ein Klangkörper aufbauen? Welche Flöten, Klarinetten, Flügelhörner oder Trompeten sind verzichtbar? Zivile Musiker beiziehen, die dann langhaarig und bärtig den adretten Uniform-Anblick stören?

Eines ist Heher klar: "Auf künstlerisch Anspruchsvolles werden wir verzichten müssen. Mehr als billige, leichte Festmusik ist bei dieser reduzierten Besetzung nicht drinnen." Sogar der Deutschmeister-Marsch werde im Freien "nach nichts mehr klingen".

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