Der „Arzt-Roman“ eines Unbequemen

Der „Arzt-Roman“ eines Unbequemen
Der frühere Pflegeombudsmann Werner Vogt hat ein bemerkenswertes Buch geschrieben

Er war längst kein Arzt, ja noch nicht einmal Medizin-Student, und dennoch schlich Werner Vogt in den 1960er-Jahren durch die Seziersäle der Wiener Medizin-Uni und stellte den weiß bekittelten Studenten eine bizarre Frage: „Was kosten denn die Leichen da?“

„Wie, was sollen die kosten? Die kosten natürlich gar nichts!“, antworteten die Studenten irritiert und ahnten nicht, was sie bei Vogt gerade ausgelöst hatten.

Der gebürtige Landecker hatte nur deshalb eine Ausbildung als Lehrer begonnen, weil sein Großvater stur behauptet hatte, er, der junge Werner, müsse sich die Idee mit dem Medizin-Studium aus dem Kopf schlagen. Medizin sei den Wohlhabenden vorbehalten, meinte der Opa. Seine Begründung: „Die Leichen fürs Sezieren sind teuer, die können sich nur die Reichen leisten.“

Nachdem Vogt das Gegenteil erfragt hatte, wurde er flugs Arzt, genauer Unfallchirurg. Er arbeitete drei Jahrzehnte im Lorenz-Böhler-Spital und behielt sich eine Gabe Zeit seines Lebens: Er stellte unbequeme Fragen.

In seinem neuen, mittlerweile vierten Buch „Mein Arztroman“ wirft der frühere Pflege-Ombudsmann einen ebenso liebevollen wie ungeschönten Blick auf die eigene Vergangenheit und die Zustände in einem Mikro-Kosmos namens Spital.

Schonungslos erzählt er von seiner Kindheit („Ich war ein unerträglich widerlicher Frömmler“) und berichtet von den Fehden mit seinem Chef und Intimfeind, einem Mann namens Böhler. Nicht nur, was Vogt erzählt, ist lesenswert, es ist zudem das Wie: Klar und plastisch erzählt er Todtrauriges. Da ist die depressive Kollegin, eine Anästhesistin, die mit ihrem Mann übereinkommt, sich selbst, das Kind und den Mann in den Tode zu narkotisieren. Dann wieder kommt herzhaft Komisches wie die Episode einer unter Krampfadern leidenden Wirtin, die ihn nächtens im Lainzer Spital bekocht, während er ihr medizinische Tipps gab.

Vogt hat viel erlebt, erkämpft – und er kann schreiben. Ein Glücksfall.

Buchtipp

Werner Vogt, Mein Arztroman, Edition Steinbauer, 22,50 Euro.

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