Ciao Capri: Was auf KHG noch zukommt

Grasser verpasste einen Gerichtstermin und blieb auf Capri; In Wien warten noch etliche Verfahren auf ihn.

Barfuß, in kobaltblauen Shorts, mit offenem Hemd und einem Energy-Drink in der Hand, so stand Karl-Heinz Grasser am Wochenbeginn auf der nassen Sonnenterrasse seines Urlaubsdomizils und telefonierte. Unter normalen Umständen wäre derlei nicht groß erwähnenswert. Ein Ex-Minister entspannt mit seiner Familie auf Capri – na und?

Im konkreten Fall schlug die Angelegenheit aber gehörig Wellen.

Nur einen Tag bevor Grasser leger über das Sonnendeck flanierte, hatte er eine am Wiener Handelsgericht geplante Einvernahme mit dem Hinweis auf eine "seit Wochen" virulente Lungenentzündung ausfallen lassen. Grasser ist im nämlichen Verfahren Kläger; er selbst bestimmt das Tempo, seine Absage schadet – wenn überhaupt – nur ihm selbst. Richter, Prozessgegner und qualifizierte Öffentlichkeit stellten sich dennoch die Frage: Wie ernst nimmt KHG die Justiz eigentlich? Will er den Zivilprozess gegen seinen früheren Steuerberater nicht mehr führen – etwa, weil er im Verfahren nicht an Berufsgeheimnisse gebunden wäre; weil dieser – im Unterschied zum Steuerstrafverfahren– gegen ihn, Grasser, aussagen könnte? Das ist zumindest nicht unplausibel. Vielleicht ist die Sache aber auch viel einfacher. Vielleicht wollte KHG bloß ein paar unbeschwerte Tage genießen, ehe ihn der Wiener Alltag einholt. Denn der ist bisweilen alles andere als heiter, hält er für ihn doch eine ganze Reihe an offenen Verfahren bereit:

Da ist zunächst einmal das Steuer-Strafverfahren. Rund fünf Millionen Euro soll der frühere Finanzminister dem Fiskus schuldig geblieben sein. Ein Teil davon stammt laut Ermittlern aus Grassers Engagement für eine Meinl-Gesellschaft.

Im Falle einer Verurteilung drohen dem Ex-Minister allein in diesem Verfahren 15 Millionen Euro Strafe – zuzüglich zur Nachzahlung allenfalls hinterzogener Millionen. Die Entscheidung über eine Anklage könnte in den nächsten Monaten fallen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKStA, hat in der Causa alle in Papier vorliegenden Unterlagen gesichtet und arbeitet sich nun durch die auf Festplatten gesicherten Dokumente.

Beim BUWOG/Terminal-Tower-Komplex ist man noch einen Schritt weiter: Nach fünf Jahren intensiver Arbeit bestätigte die WKStA vor wenigen Tagen, dass die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Im Kern geht es beim BUWOG-Thema darum, ob der unter Grasser als Finanzminister erledigte Verkauf staatseigener Wohnungsgesellschaften (z. B. BUWOG) allenfalls manipuliert wurde und wer profitierte. Die auffälligste "Koinzidenz" ist dabei, dass das von den Grasser-Spezis Peter Hochegger und Walter Meischberger beratene Immofinanz-Konsortium den Zweitbieter beim Kauf der 60.000 BUWOG-Wohnungen letztlich nur um eine einzige Million Euro, nämlich mit 961 zu 960 Millionen Euro überboten hat. Bis heute haben die Schweizer Behörden nicht alle Unterlagen übermittelt, die die Korruptionsjäger interessiert hätten. Die Verdachtslage ist aber auch ohne sie dicht genug, um der Oberstaatsanwaltschaft eine Anklage vorzuschlagen. Sollte das Justizministerium grünes Licht geben, wartet auf Grasser, Meischberger, Hochegger sowie 15 weitere Personen ein Prozess wegen Amtsmissbrauchs, Untreue, Bestechung, etc. Strafdrohung: bis zu zehn Jahren.

Ähnlich ist die Situation beim Linzer Terminal Tower: Auch hier hegt die Justiz den Verdacht, dass Lobbyist Hochegger intervenierte und 200.000 Euro Schmiergeld via Zypern nach Liechtenstein verschob.

Als wär’ derlei Ungemach nicht genug, verdichten sich auch bei der Post-Privatisierung die Indizien gegen den Ex-Politiker. Vor einer Woche wurden Auszüge aus einem Gutachten publik, die Grasser nicht freuen können. Demnach hat eine Firma Hocheggers einer am Börsegang beteiligten Investmentbank eine Erfolgsprovision in der Höhe von 350.000 Euro bezahlt. Laut Sachverständigem wurden 150.000 Euro davon an die Valora AG weitergeleitet. 2007 hat sich Grasser persönlich und direkt an der Firma beteiligt, wobei der Gutachter festhält, die Valora habe für die Zahlung de facto keine Leistung erbracht. Auch in diesem Fall kämpft der Ex-Minister also gegen den Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Untreue.

Die Kosten für Grassers Rechtsvertretung sind mittlerweile locker im fünfstelligen Bereich. Wie finanziert er sich? Im Wesentlichen, erzählen Freunde, zehrt der frühere Polit-Star von Reserven. Von allen Firmen, die Grasser gegründet bzw. an denen er sich beteiligt hat, ist er nur in einer, der ihm alleine gehörenden "Valuecreation", engagiert; und auch ihr Kapital schmilzt mit jedem Jahr. Bekannten erzählte Grasser kürzlich, er sei zuletzt "viel in den Vereinigten Staaten" unterwegs. Eine neue Ausbildung? Urlaub? Mehr wollte Grasser nicht sagen. Aber wie gesagt: Zu Hause in Wien ist es oft mühsam genug.

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