CETA: ÖVP warnt Kern vor Blamage

Demo gegen TTIP (Abkommen mit den USA) und CETA (mit Kanada)
Zusatzerklärung soll Kanada-Abkommen retten, ÖVP-Minister und Wirtschaft erhöhen Druck auf SPÖ.

Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, dann sollen am Freitag beim Treffen der EU-Handelsminister in Bratislava die Weichen für die Annahme des Abkommens mit Kanada (CETA) gestellt werden. Grünes Licht kann es aber noch nicht geben, die Koalition hat noch immer keine gemeinsame Position gefunden.

"Wir akzeptieren keinen Beipackzettel ohne rechtliche Konsequenzen", heißt es in der SPÖ zu einer im Raum stehenden Zusatzerklärung zum Pakt mit Kanada.

Die Kanzlerpartei fordert in drei Punkten Nachbesserungen beim CETA-Abkommen: Erstens dürfen Einrichtungen der Daseinsvorsorge (sozialer Wohnbau, öffentlicher Verkehr, Abfallwirtschaft und Gesundheitsversorgung) nicht privatisiert werden. Unangetastet bleiben zweitens bestehende Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards. Drittens bleibt der Investitionsschutz von der vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens ausgenommen.

Dem Vernehmen nach will die SPÖ darüber noch einige Tage mit dem Koalitionspartner verhandeln, um eine gemeinsame Linie zu finden.

Für ÖVP-Chef und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner heißt es daher warten – er wird heute seine EU-Partner enttäuschen müssen. Donnerstagabend reiste er bereits an, um sich mit seinen Amtskollegen abzusprechen. Viel Zeit gibt es aber nicht mehr (siehe Fahrplan).

CETA: ÖVP warnt Kern vor Blamage
Einigt sich die Regierungsspitze nicht, wird Österreich beim Treffen der EU-Außenminister am 18. Oktober wohl dagegenstimmen. Dennoch: Das Veto Österreichs wird das CETA-Abkommen nicht stoppen können. Die Annahme des Vertrages ist auch mit qualifizierter Mehrheit möglich.

Die ÖVP drängt, aber ein echtes Ultimatum an die SPÖ gibt es offenbar nicht. Das Kuriose ist jedoch, dass die Positionen zwischen ÖVP und SPÖ eigentlich schon fast deckungsgleich sind. Auch Mitterlehner will eine "rechtsverbindliche" Zusatzerklärung Kanadas erreichen, in der festgehalten wird:

- Daseinsvorsorge: Kein Privatisierungszwang bei öffentlichen Dienstleistungen.

- Recht zu Regulieren: Arbeitnehmer- und Umweltschutzstandards bleiben erhalten.

- Schiedsgericht: Unabhängige Entscheidungen sichern.

Diese rechtsverbindliche Zusatzerklärung, die die EU-Kommission mit Kanada verhandelt, soll das Vehikel für die SPÖ-Zustimmung sein. Auch andere EU-Staaten wollen sie, allen voran Deutschland. Mitterlehner klingt nach einem Telefonat mit Kern optimistisch: "Alle Probleme lassen sich sachlich lösen. Die offenen Punkte können ausgeräumt werden."

Im Vorfeld des heutigen Treffens der EU-Handelsminister in Bratislava haben ÖVP- und Wirtschaftsvertreter noch einmal den Druck auf die SPÖ erhöht. Sie soll dem vorliegenden Vertragstext beim Handelsabkommen CETA zustimmen und sich mit der präzisierenden Zusatzerklärung Kanadas zufrieden zu geben. Das geplante Freihandelsabkommen sorgt in der Bundesregierung weiter für Diskussionsstoff.

Stimmt Österreich nicht zu, wäre das „höchst verantwortungslos“, warnt ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter – „und extrem peinlich“. Die SPÖ habe sich mit ihrer Mitgliederbefragung „in eine Sackgasse begeben“, befindet er via KURIER. Sie fiel – mit nur 7,5-prozentiger Beteiligung – negativ aus, erinnert Rupprechter. „Es ist Sache eines Bundeskanzlers Christian Kern, da jetzt wieder herauszukommen.“ Schließlich sei das Mandat, das Österreich in den Verhandlungen definiert habe, von der EU-Kommission eingehalten worden, betont der Minister: „Wir werden in Brüssel nicht mehr als verlässlicher Partner wahrgenommen, wenn wir jetzt auf einmal Nein sagen, weil 14.000 SPÖ-Mitglieder das nicht wollen.“

"Nicht vor Eklat fürchten"

Der Kanzler reagierte am Abend auf Twitter auf die Aussagen von Rupprechter: „Es geht darum, das Beste für Österreich herauszuholen und nicht sich vor einem diplomatischen Eklat zu fürchten, lieber André Rupprechter.“

Industrie-Präsident Georg Kapsch sagt aber auch, bei einem Veto gegen CETA würde sich Österreich „bis auf die Knochen blamieren“. Populismus gehe derzeit leider vor Sachpolitik. Kanada sei Europa sehr ähnlich, teile die selben Werte, werde sozialdemokratisch geführt. Der Streit um CETA sei daher „eher kurios“.

Für die Industrie steht fest: CETA sei wesentlich besser als das Handelsabkommen TTIP mit den USA. Hier müsse weiter verhandelt werden. Mittelfristig werde Europa nicht darum herumkommen, auch mit Russland ein Freihandelsabkommen zu schließen, sonst werde die EU wirtschaftlich zwischen Amerika und Asien aufgerieben.
Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl erklärte, die SPÖ dürfe sich ihre Position nicht von einer kleinen Minderheit von Freihandelsgegnern diktieren lassen: „Der Zugang zu den Weltmärkten ist für ein exportorientiertes Land wie Österreich überlebenswichtig. Eine Million Arbeitsplätze hängen daran.“

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