Darabos wird Integrations-Landesrat

Niessl holt Darabos in die Landesregierung
Im neuen roten Team der Landesregierung bekommt Darabos auch Thema Gesundheit, LH Niessl übernimmt Bildungsagenden. Ganz neu: Astrid Eisenkopf.

Die Suche nach den zwei letzten SPÖ-Landesräten in der künftigen rot-blauen Landesregierung im Burgenland hat länger gedauert als die Koalitionsverhandlungen - und sie war offenbar weit komplizierter. Übers Wochenende hatte sich die Short-List möglicher Kandidaten fast im Stundentakt geändert, war aus der SPÖ zu erfahren - bedingt auch durch manche Absage potenzieller Kandidaten. Am Montagvormittag stand das neue Regierungsteam dann fest und wurde im SPÖ-Landesparteivorstand abgesegnet.

Darabos wird Integrations-Landesrat
ABD0072_20150608 - EISENSTADT - ÖSTERREICH: (V.L.N.R.) - Die Landesräte Norbert Darabos, Helmut Bieler, Astrid Eisenkopf, SPÖ-Parteichef LH Hans Niessl, Landesrätin Verena Dunst, Landtagspräsident Christian Illedits und SPÖ-Klubobmann Robert Hergovich während einer Pressekonferenz nach dem Landesparteivorstand der SPÖ Burgenland am Montag, 8. Juni 2015, in Eisenstadt. - FOTO: APA/ROBERT JAEGER

V.l.: Norbert Darabos, Helmut Bieler, Astrid Eisenkopf, SPÖ-Parteichef LH Hans Niessl, Verena Dunst, Landtagspräsident Christian Illedits und SPÖ-Klubobmann Robert Hergovich.

Neue Landesräte

Neben Landeshauptmann Hans Niessl, Finanzlandesrat Helmut Bieler und Frauen- und Familienlandesrätin Verena Dunst komplettieren der bisherige Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos und die in der Öffentlichkeit bislang gänzlich unbekannte Astrid Eisenkopf die rote Mannschaft. Darabos, Burgenlandkroate aus dem Mittelburgenland, soll neben den Gesundheitsagenden auch eine neugeschaffene Aufgabe übernehmen und sich um Integration und Asyl kümmern - wohl auch ein Gegengewicht gegen FPÖ-Landeshauptmannvize Hans Tschürtz, der Sicherheitslandesrat wird. Auf die KURIER-Frage, ob er Wien mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlasse, antwortete Darabos, er komme mit einem "lachenden Auge" in die alte Heimat.

Die 31-jährige Astrid Eisenkopf aus dem Bezirk Eisenstadt-Umgebung war zuletzt in der Finanzabteilung und im Beteiligungsmanagement des Landes tätig und soll u.a. für Jugendangelegenheiten und Umweltagenden zuständig sein. Niessl wird übrigens auch für Bildung zuständig, schon jetzt ist der Landeshauptmann zugleich Präsident des Landesschulrates, zusätzlich gibt es mit Heinz Zitz einen amtsführenden Präsidenten. Im Regierungsübereinkommen mit der FPÖ ist festgschrieben, den Landesschulrat durch eine "moderne Bildungsdirektion mit schlanken Strukturen" zu ersetzen, geleitet von einem Bildungsdirektor (bisher war Zitz ein zweiter Präsident von der ÖVP beigestellt). Dunst übernimmt auch die Agraragenden, die ebenso wie Bildung zuletzt von der ÖVP verwaltet wurden.

Christian Illedits wird neuer Landtagspräsident, dessen bisherige Funktion als Klubobmann übernimmt SPÖ-Landesgeschäftsführer Robert Hergovich. Der Personalvorschlag von Niessl wurde im Parteivorstand mit großer Mehrheit angenommen, dem Vernehmen nach gab es nur zwei Gegenstimmen vom scheidenden Soziallandesrat Peter Rezar und der ebenfalls aus dem Bezirk Oberpullendorf stammenden Abgeordneten Klaudia Friedl.

Der bisherige Erste Landtagspräsident Gerhard Steier muss sich kommende Woche wegen Schülerscheinanmeldungen (Amtsmissbrauch) aus seiner Bürgermeisterzeit verantworten und wird künftig nur einfacher Abgeordneter, ebenso wie der bisherige Soziallandesrat und Faymann-Kritiker Peter Rezar. Auf die KURIER-Frage, ob beide bis 2020 im Landtag bleiben, sagte Niessl: "Da müssen sie die Beiden fragen". Rezar will "aus heutiger Sicht" die ganze Legislaturperiode bleiben, "da können sie mich nicht entfernen". Ob er seinen Nachfolger im Ressort, Darabos, unterstützen werde? Rezar: "Selbstverständlich". Steier war für den KURIER zunächst nicht erreichbar, er soll die Sitzung des Landesparteivorstandes dem Vernehmen nach schon vorzeitig verlassen haben.

Zweite Erneuerungswelle

Niessl hat die angekündigte Erneuerung und Verjüngung damit nur schaumgebremst umgesetzt, neu und jung ist nur Eisenkopf, die bisher schon in ihrer Heimatgemeinde Steinbrunn und im Bund Sozialistischer Akademiker (BSA) aktiv war. Aber wie zu erfahren war, soll noch vor der Landtagswahl im Herbst 2017 eine zweite Erneuerungswelle kommen, denn Niessl wird diese Woche 64 Jahre, Bieler ist 63, Dunst 57 und Darabos 51. In zwei Jahren soll zumindest Bieler gehen, vielleicht auch noch Dunst und oder Niessl selbst. Ob der Landeshauptmann, der vor der Wahl nicht ausgeschlossen hatte, bei der nächsten Landtagswahl 2020 noch einmal zu kandidieren, doch schon vorzeitig geht, hängt offenbar zentral am Gelingen des rot-blauen Experiments. Sollte die Zusammenarbeit aber unrund laufen, könnte Darabos einspringen müssen und - wieder einmal - das "große Los" ziehen. So hatte der frühere Bundeskanzler Alfred Gusenbauer seinerzeit die Ernennung Darabos`zum Verteidigungsminister kommentiert.

Mögliche Verkleinerung

Die neue Landesregierung könnte zwar laut der noch von Rot und Schwarz reformierten Verfassung schon jetzt von sieben auf fünf Mitglieder verkleinert werden, aber Rot-Blau schöpft noch einmal aus dem Vollen - die Roten stellen fünf (bisher vier) Regierungsmitglieder, die Blauen erstmals zwei. Vizelandeshauptmann Hans Tschürtz übernimmt die Sicherheitsagenden (Feuerwehr, Katastrophenschutz etc.), der bisherige freiheitliche Klubdirektor Alexander Petschnig wird Landesrat für Wirtschaft und Tourismus.

SJ nun auch gegen FPÖ

Die Sozialistische Jugend Burgenland (SJ) hat sich zudem am Montag, einen Tag nachdem Silvia Czech vom Landesvorstand durch eine große Mehrheit geschäftsführend mit der Leitung der Organisation betraut worden ist, gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ausgesprochen. Ihr Vorgänger, Kilian Brandstätter, hatte das Amt zurückgelegt, weil er der Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen zugestimmt hatte.

Weiterführende Links

Norbert Darabos (SPÖ) hat die Bundespolitik überstanden. Der Bundesgeschäftsführer der SPÖ und langjährige frühere Verteidigungsminister wechselt als Landesrat ins Burgenland - und das pikanterweise in eine rot-blaue Koalition, die er bis vor kurzem auf Bundesebene als Stimme der Partei noch zu verdammen hatte.

Wirkliche Skrupel wird Darabos deshalb aber nicht haben. Schon vor wenigen Tagen bekundete er in einem Ö1-Interview, dass er mit Rot-Blau in seinem Heimat-Bundesland kein Problem habe, kenne er doch die handelnden Personen (der KURIER berichtete). Dazu kommt, dass Darabos wie seine gesamte Landespartei stets am rechten Rand der SPÖ verortet war, zumindest in Sicherheitsfragen.

Herzensanliegen

Das Burgenland gilt dem 51-Jährigen als Herzensanliegen. Dass er dereinst gerne einmal Landeshauptmann wäre, ist seit vielen Jahren kein Geheimnis, und auch er selbst hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er nach dem Abenteuer Bund durchaus eine Heimkehr in Erwägung zieht. Schon sein Diplomarbeitsthema "Zum Selbstverständnis der burgenländischen Kroaten in der Zweiten Republik" deutet seine Heimatverbundenheit an.

Ein Schicksal, das Darabos mit vielen Landsleuten teilt, ist das Pendeln. Schon als Schüler musste bzw. durfte der Arbeitersohn in die Bundeshauptstadt und selbst als viel geforderter Verteidigungsminister scheute er nicht fast tägliche Reisen ins heimatliche Kroatisch-Minihof. Die Sprache seiner Volksgruppe lernte der studierte Historiker und Politikwissenschafter übrigens erst als Erwachsener.

Darabos, verheiratet und zweifacher Vater, gilt als Berufspolitiker, dessen Basis stets die SPÖ Burgenland war, für die er schon in seinen 20ern das lokale Renner-Institut leitete. Sein Gesellenstück lieferte er bereits im Jahr 2000 ab, als er als Landesgeschäftsführer den weithin unbekannten Frauenkirchener Bürgermeister Niessl trotz Bank Burgenland-Skandals zum Landeshauptmann coachte.

Wahlkampfleiter

Das machte die Bundespolitik auf den aufstrebenden Parteimanager, der zwischenzeitlich zum Klubobmann der burgenländischen SPÖ geworden war, aufmerksam. Darabos wurde an die Seite von Doris Bures in die Bundesgeschäftsführung geholt und harmonierte mit ihr ganz prächtig. Nachdem er Heinz Fischer in die Hofburg gelotst hatte, gelang ihm mit der Nationalratswahl 2006 das Meisterstück, als der als chancenarm geltende Alfred Gusenbauer mit ihm als Wahlkampfleiter zum Bundeskanzler wurde.

Somit war Darabos' Ruf als Mann für aussichtslose Fälle einbetoniert. Gedankt wurde es dem ehemaligen Zivildiener damit, das Verteidigungsressort mit dem Ballast der von der SPÖ über Jahre bekämpften Eurofighter zu übernehmen. Für Darabos gab es ab da nicht mehr viel zu holen. Zwar wurde er zum längst dienenden Verteidigungsminister der EU zu seiner Zeit, doch als erfolgreich lässt sich seine immerhin sechsjährige Amtsperiode kaum schildern. Die Eurofighter fliegen weiter übers Land, wenn auch nicht so viele wie ursprünglich geplant. Die von Darabos betriebene Absetzung von Generalstabschef Edmund Entacher scheiterte kläglich und die Berufsheer-Volksabstimmung, für die Darabos von der Partei zu einer 180-Grad-Wende genötigt worden war, ging dann auch noch in die Hose.

Wunderwuzzi

Das Kanzleramt zog die Notbremse und schickte Darabos in die Parteizentrale zurück. Als erfolgreichster Wahlkampf-Manager des Jahrzehnts gefeiert, wurden Wunderdinge beim Urnengang 2013 erwartet. Die konnte er nicht bewirken. Die SPÖ verlor bei der Nationalratswahl, behielt aber zumindest Platz eins - das Ergebnis zu schlecht, um den eigenen Ruf als Kampagnen-Wunderwuzzi zu wahren und zu gut, um endgültig in der Versenkung zu verschwinden.

Die vergangenen Monate hielt sich Darabos auffallend im Hintergrund. Ablöse- bzw. Wechselgerüchte Richtung Burgenland machten auch daher seit einiger Zeit die Runde. Insofern kommt sein Wechsel nun nicht wirklich überraschend, umso mehr, als er ihn dem Landeshauptmann-Sessel gar kein so kleines Stück näher bringt.

Zur Person:

Norbert Darabos, geboren am 31.5.1964 in Wien, verheiratet und Vater einer Tochter und eines Sohns, studierte Geschichte und Politikwissenschaften (Mag.), Landesgeschäftsführer, SPÖ Burgenland 1998-2003, Klubobmann SPÖ Burgenland 2000-2003, Bundesgeschäftsführer, SPÖ 2003-2007 sowie von 2013 bis zuletzt, Verteidigungsminister von 11.1.2007 bis 11.3.2013. (APA)

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