So stimmen die Ex-Heeresminister ab

So stimmen die Ex-Heeresminister ab
Was Norbert Darabos’ Amtsvorgänger von der Volksbefragung halten und wie sie votieren.

Heute in vierzehn Tagen sollen die Bürger der Politik eine grundlegende Entscheidung abnehmen: Wollen wir am System der allgemeinen Wehrpflicht festhalten oder künftig nur mehr Berufssoldaten die militärischen Aufgaben übernehmen lassen?

Die Regierung wird eine Volksbefragung mit folgender Frage durchführen: Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres – oder – sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?

SPÖ und ÖVP haben vereinbart, das Ergebnis der Befragung in jedem Fall umzusetzen, also auch, wenn die Wahlbeteiligung besonders gering sein sollte oder das Ergebnis nur knapp ausfällt.

Im vorletzten Teil der KURIER-Serie zur Wehrpflicht-Debatte kommen Amtsvorgänger von Verteidigungsminister Norbert Darabos zu Wort (nur Werner Fasslabend war urlaubsbedingt nicht erreichbar). Sie wurden gefragt, ob sie bei der Volksbefragung von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen werden, wie sie sich entscheiden werden und wie sie die Diskussion darüber empfunden haben. Dabei fällt auf: Mit der aktuellen Situation des Heeres zeigt sich keiner der ehemaligen Ressortchefs zufrieden. Einige der Reformen, die von den Ex-Ministern einst gestemmt wurden, sind heute noch in Kraft, etwa das Milizsystem von Robert Lichal oder die Sicherheitsdoktrin, die Herbert Scheibner initiiert hat.

Friedhelm Frischenschlager (FPÖ), Jahrgang 1943, war bei der SPÖ-FPÖ-Koalition unter Fred Sinowatz und Norbert Steger Verteidigungsminister: „Ich werde bei der Volksbefragung teilnehmen, obwohl sie für mich einen groben Missbrauch der Direkten Demokratie darstellt.

Die Regierung hat verabsäumt darüber nachzudenken, wozu wir ein Bundesheer brauchen und welche Qualität vom Bundesheer erwartet wird. Wo bleibt die Sicherheitsdoktrin der Regierung?Deswegen werde ich für ein Freiwilligenheerstimmen, weil dasBundesheer so, wie esderzeit besteht, aussicherheitspolitischer Sicht absolut sinnlos ist. Nicht nur, weil es heute keine direkte militärische Bedrohung gibt. Ein Heer zum Schutz unserer Neutralität, das Österreich im Notfall mit einem möglichst großen Heer verteidigen soll, ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Wir sollten uns auf die europäischen Aufgaben konzentrieren, auf einen Beitrag Österreichs zur europäischen Sicherheitsstruktur. Ich denke da vor allem an internationale Einsätze als Teil einer EU-Armee. Aber dazu braucht man gut ausgebildete und gut ausgerüstete Profisoldaten. Denn unsere Sicherheit hängt längst von der Sicherheit Europas ab.“

Helmut Krünes (FPÖ), Jahrgang 1941, übernahm für kurze Zeit die Leitung des Verteidigungsministeriums: „Selbstverständlich werde ich bei der Abstimmung teilnehmen und für die Wehrpflicht stimmen.Ich halte die Entwicklung für bedenklich, dass alle Bereiche unsererGesellschaft einergewissen Ökonomisierung ausgesetzt sind. Ich denke nicht, dass das auch langfristig funktionieren kann, etwa wenn auch die Freiwilligen Feuerwehren bezahlt werden sollen. Mir fehlt vor allem die Diskussion, wie die Gesellschaft aufgebaut werden soll. Diese Debatte hängen wir an einem Nebenthema, an der Wehrpflicht, auf, aber das ist eine alte Krankheit in Österreich. Die Bevölkerung hat keine Ahnung von den Gefährdungen der letzten Jahrzehnte, die veritabel vorhanden waren. Und wenn wir die jungen Menschen zu möglichst solidarischen Staatsbürgern erziehen wollen, dann ist die Wehrpflicht eine der letzten Möglichkeiten, sie mit einem Sinn für das Gemeinsame vertraut zu machen. Die Zeit sollte aber viel besser genutzt werden, damit sie etwas Brauchbares lernen, das sie später im Leben benötigen können. Im Übrigen hat sich mein Sohn als Rekrut in einer absolut gemischten Gesellschaft wieder gefunden, was allen nur gut getan hat.“

Robert Lichal (ÖVP), Jahrgang 1932, übernahm in der Regierung Vranitzky die Leitung des Ressorts: „Als überzeugter Anhänger der allgemeinen Wehrpflicht werde ich selbstverständlich an der Volksbefragung teilnehmen. Obwohl diese Wehrpflicht-Debatte bedauerlich ist. Denn die Frage – Wehrpflicht ja oder nein – soll die Politik entscheiden, nicht die Bevölkerung. Nur die Politik hat alle Informationen, um sich eine Meinung bilden zu können, für mich ist das für eine Volksbefragung nicht geeignet. Persönlich bin ich vom System der Wehrpflicht zusammen mit dem Milizsystem überzeugt, auch wenn diese Organisationsform rein für Österreich geeignet ist.Ein Berufsheer ist inFriedenszeiten zu groß und in Krisenzeitenzu klein.

Die Miliz ist ein System, wo der ausgebildete Soldat daheim ist und seiner Arbeit nachgehen kann und den Staat nichts kostet, der aber im Ernstfall sofort einberufen werden kann. Die Schweiz ist für mich hier ein großes Vorbild, die haben gerade eine einwöchige Übung gemacht zur Sicherung des Flughafens Zürich mit 5000 Soldaten. Diese Mannstärke bringt nur die Miliz.

Im Übrigen gehört das Spiel, die Institution Bundesheer wissentlich und willentlich zu ruinieren, beendet. Die Entwicklung der vergangenen Jahre war ja grauenhaft.“

Herbert Scheibner (BZÖ), Jahrgang 1963, war in der Regierung Schüssel für die FPÖ Ressortleiter für das Bundesheer: „Ich werde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an der Volksbefragung teilnehmen. Für mich ist das ein Missbrauch der Direkten Demokratie für parteipolitische Agitation. Ich halte es für eine Zumutung für die Bevölkerung, dass man ihr ohne fundierte Information die Verantwortung einfach so überwälzt.

Natürlich haben wir ein grundsätzliches Konzept zur Sicherheitspolitik, bis hin zu einem Vorschlag für eine Truppengliederung. Ein Teil betrifft auch das Wehrsystem. Ich denke, dass eineUmstellung auf einFreiwilligenheer amvernünftigsten ist.

Das aktuelle System mit einer Wehrpflicht von sechs Monaten ist jedenfalls mit Abstand das Unsinnigste, da Leute ausgebildet und dann sofort nach Hause geschickt werden.Für mich wurde die zentrale Frage nie beantwortet: Wofür wollen wir ein Bundesheer haben? Wozu wollen wir es einsetzen?

Wenn ich mir die falschen, aber emotionalen Argumente der Befürworter der Wehrpflicht anhöre, befürchte ich, dass die Befragung in diese Richtung gehen wird. Nur: Wenn die Wehrpflicht bleibt, ist ja nichts gelöst, denn dann muss man fragen: Welche Wehrpflicht wollen wir in Zukunft haben – und wofür? “

Günther Platter (ÖVP), Jahrgang 1954, war in der Regierung Schüssel Verteidigungsminister: „Selbstverständlich werde ich zur Volksbefragung gehen und für die Beibehaltung der Wehrpflicht stimmen. Die Wehrpflichtigen und Zivildiener leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherheit unseres Landes. Eine Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes käme einem Experiment mit unvorhersehbaren Folgen für unsere Sicherheit und für die Staatsfinanzen gleich. Im Fall einer Katastrophe könnte bei einem Profiheer niemals die gleiche Anzahl an Soldaten zur Verfügung stehen, wie im jetzigen System. Ob Friedenssicherung, Katastrophenschutz, Lawineneinsätze, Rettungs- und Notfalldienste oder soziale Dienste – das bisher so reibungslos funktionierende System wäre mit einem Schlag abgeschafft. Wir haben in Tirol 1200Zivildiener – vielebleiben danach beimRoten Kreuz und leisten freiwillige Arbeit.

Deshalb ist der Zivildienst für die Rekrutierung der Blaulichtorganisationen einfach nicht mehr wegzudenken. Die Wehrpflicht und der Zivildienst müssen daher als Grundpfeiler bestehen bleiben. Ist dies außer Frage gestellt, müssen selbstverständlich die Reformen der Bundesheerreformkommission fortgesetzt werden.“

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