Budget: Schuldenquote nun über 80 Prozent

Landtag debattiert Landesbudget 2019.
EU verordnete Statistik-Umstellung: Quote stieg von 74,5 auf 82,4 Prozent des BIP, Hypo wirkt sich weiter aus.

Die Schuldenquote des österreichischen Staates ist durch eine EU-weite statistische Neu-Berechnung über die symbolträchtige 80-Prozent-Marke geklettert. Mit den erstmals angewandten neuen Regeln (des ESVG 2010) beträgt die Schuldenquote 2013 nun 81,2 Prozent des BIP, wie die Statistik Austria am Dienstag bekannt gab. Vor der Revision war sie mit 74,5 Prozent ausgewiesen worden.

Mit den neuen EU-Vorgaben werden 1.400 bisher außerbudgetäre Einheiten, deren Schulden vor der Umstellung nicht wirksam für das Budget waren, nun dem Sektor Staat zugerechnet und erhöhen damit den Gesamt-Schuldenstand (nach Maastricht) deutlich, wie aus den aktualisierten Daten der "Öffentlichen Finanzen 2013" hervorgeht. Sowohl Schuldenquote als auch Defizit und BIP werden damit bis zum Jahr 1995 rückwirkend revidiert.

Von 74,5 auf 82,4 Prozent

Mit den Revisionen überspringt der Schuldenstand allerdings nicht erst im Jahr 2013 die 80-Prozent-Marke, sondern bereits im Jahr 2010. Laut den nun vorliegenden Daten lag die gesamtstaatliche Schuldenquote damals bei 82,4 Prozent (statt bisher 74,5). Auch in den Jahren 2011 (82,1 Prozent statt 73,1) und 2012 (81,7 statt 74,4) übersprang der Schuldenstand rückwirkend die 80-Prozent-Marke.

In absoluten Zahlen lag die Gesamtverschuldung 2013 damit bei 262 Mrd. Euro (vor der Revision 233,3 Mrd.), nach 259 Mrd. Euro im Jahr 2012. Einen großen Anteil am Schuldenstand hat das Bankenpaket - ohne dieses würde die Schuldenquote 2013 nur bei 75,4 Prozent des BIP liegen.

Defizit steigt nicht

Wenig Auswirkungen hat die Neu-Berechnung auf das Defizit. Dieses wird für 2013 auch nach der Revision weiterhin bei 1,5 Prozent des BIP ausgewiesen (bzw. 4,8 Mrd. Euro). Für das Jahr 2012 weist die Statistik nun ein Defizit von 2,3 Prozent des BIP bzw. 7,3 Mrd. Euro aus. Einen merkbaren Defizit-Anstieg gibt es hingegen für das Jahr 2009, für das die Statistik nun einen Abgang von 5,3 Prozent des BIP statt 4,1 Prozent ausweist. Grund dafür ist vor allem die damals erfolgte Ausgliederung der KA Finanz aus der Krisenbank Kommunalkredit.

ÖBB und BIG miteinberechnet

Die Neuberechnung der Öffentlichen Finanzen erfolgte auf Grundlage der neuen EU-Vorgaben, die ab September 2014 von allen EU-Mitgliedsstaaten verpflichtend anzuwenden sind. Mit dem ESVG 2010 werden 1.400 bisher außerbudgetäre Einheiten (etwa Teile der ÖBB) nun dem Sektor Staat zugerechnet. Die Schulden dieser Betriebe finden sich im Budget wieder und schrauben so v.a. die Schuldenquote hinauf.

Im Jahr 2013 erhöhen die Revisionen den Schuldenstand um insgesamt 28,7 Mrd. Euro. Der größte Brocken entfällt dabei auf die ÖBB, wie Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer bei einem Hintergrundgespräch erörterte: Die neu dem Staat zugerechneten Schulden der ÖBB-Infrastruktur und des ÖBB-Personenverkehrs betragen für 2013 10,5 Mrd. Euro. Anzumerken ist hier, dass bereits 2011 andere Teile der ÖBB dem Staat zugeordnet wurden.

Ebenfalls starken Einfluss auf den Schuldenstand hat die Zurechnung der KA Finanz zum Staat (7,2 Mrd. Euro). Auch die Bundesimmobiliengesellschaft (3,8 Mrd.), die Holdinggesellschaften (2 Mrd. Euro) sowie die Wiener Linien und die Krankenanstalten mit je 500 Mio. Euro heben den Schuldenstand stark an. Insgesamt betraf die Umstellung 1.400 Einheiten, die zahlenmäßig meisten davon (1.276) sind bei den Gemeinden angesiedelt, diese machten in Summe drei Mrd. Euro aus.

Die Neuregelung betrifft etwa jene Einheiten, die sich nicht zumindest zur Hälfte aus eigener Kraft selbst erhalten können. Auch "Hilfseinrichtungen des Staates", falls mehr als 80 Prozent der Erlöse von der kontrollierenden Einheit stammen (etwa BIG) sowie "Zweckgesellschaften im Dienste des Staates", wie Holdinggesellschaften, die der Vermögensverwaltung dienen, werden nun dem Staat zugerechnet.

Hypo lässt Schulden noch steigen

Die Bankenhilfen waren im Jahr 2013 mit insgesamt 18,6 Mrd. Euro am Gesamtschuldenstand beteiligt. Ohne Bankenpaket wäre der Schuldenstand 2013 bei nur 75,4 Prozent des BIP gelegen (statt 81,2). Für das Jahr 2014 rechnet Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer mit einem weiteren signifikanten Anstieg der Schuldenquote, verantwortlich dafür wird die Hypo-Abwicklungsgesellschaft sein.

Gefragt, ob sich der Schuldenstand aufgrund der Abbaugesellschaft der Hypo Alpe Adria 2014 - wie kolportiert - um etwa sechs Prozentpunkte auf circa 87 Prozent des BIP erhöhen könnte, meinte Pesendorfer, er wolle sich zwar nicht auf eine konkrete Zahl festlegen, die Größenordnung stimme aber in etwa. "Ja, die Hypo Alpe Adria wird einen großen Sprung in der Staatsschuldenquote nach oben ausweisen", so der Statistik-Austria-Generaldirektor.

Beim Defizit in Höhe von 4,8 Mrd. Euro entfielen 1,6 Mrd. Euro auf die Bankenhilfe. Ohne diese hätte das Defizit statt 1,5 Prozent des BIP nur 1,0 Prozent des BIP betragen.

Geduldig erklärt Konrad Pesendorfer die Finessen der statistischen Methoden, gerne auch zwei oder drei Mal. Säuerlich reagiert der Generaldirektor der Statistik Austria jedoch, wenn er lesen muss, Österreichs Wirtschaftsleistung werde "größer gerechnet". Oder gar die Staatsschulden "beschönigt". Darauf angesprochen fallen seine Antworten deutlich kürzer aus. Und hörbar gereizt. Verständlich, denn das rührt an die Integrität der Zahlenmeister. Den Vorwurf, die Statistiker ließen sich politisch instrumentalisieren, weist Pesendorfer entschieden zurück.

Zentrale Messgröße

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Zuletzt musste er das wieder öfters tun. Der Grund: ESVG2010, die neuen europäischen Regeln zur Berechnung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Diese bestimmt, wie hoch das BIP ausfällt und ist damit natürlich ein Politikum. Am BIP hängt nämlich ein Rattenschwanz an brisanten Maßzahlen. Schulden und Defizit gemessen am BIP bestimmen, ob in Brüssel ein Defizitverfahren gegen einen Mitgliedstaat eingeleitet wird. Vom BIP pro Kopf hängt ab, ob eine Region bestimmte EU-Förderungen erwarten darf. Oder wie hoch der EU-Mitgliedsbeitrag eines Staates ausfällt. Und und und.

Eine Revision der BIP-Berechnung ist also eine schwerwiegende Angelegenheit. Fünf Fachabteilungsleiter und Direktoren der Statistik Austria standen am Montagabend bereit, um Journalisten die Details zu erklären, ein weiteres Dutzend Experten hielt sich für Zusatzauskünfte bereit.

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UNO-Vorgaben

Der Hintergrund: 2008 haben sich die Vereinten Nationen (UNO) auf eine einheitliche Methode zur BIP-Ermittlung geeinigt. Die USA oder Australien haben das längst umgesetzt, in der EU müssen ab Oktober 2014 alle Zahlen nach dem neuen Standard an Eurostat nach Luxemburg gemeldet werden. Die Auswirkungen für Österreich: Das BIP 2013 beträgt 322,6 Mrd. Euro (statt 313,1 Mrd. nach alter Berechnung), das reale Wirtschaftswachstum betrug demnach im abgelaufenen Jahr nur magere 0,2 Prozent.

Die zusätzlichen 9,5 Mrd. Euro durch die Neuberechnung kommen vor allem daher, dass Ausgaben für Forschung und Entwicklung jetzt als (BIP-wirksame) Investition gelten und nicht mehr als Vorleistung für ein neues Produkt. Ähnlich verhält es sich mit staatlichen Waffensystemen, was aber bei Österreichs mickrigen Rüstungsausgaben kaum ins Gewicht fällt.

Mehr Staat, zu wenig privat

Neu ist weiters, dass einige Unternehmen nun dem Sektor Staat zugerechnet werden müssen, weil sie weniger als die Hälfte ihrer Kosten (inklusive Zinsaufwand) mit Hilfe von Verkaufserlösen (also über den "Markt") einspielen: Gut für die Wirtschaftsleistung, schlecht für die Staatsschulden, die dadurch wohl über 80 Prozent des BIP steigen werden. Wie hoch exakt will die Statistik in einer Woche bekannt geben. Konkret betrifft diese Umklassifikation die ÖBB Infrastruktur, den ÖBB Personenverkehr, die Wiener Linien und im Gesundheitsbereich alle Landeskrankenanstalten, 16 weitere gemeindeeigene Spitäler wie das Wiener AKH und einige Ordensspitäler. Gesamteffekt fürs BIP: ein Plus von 8,6 Mrd. Euro oder 2,8 Prozent.

Anders als von manchen Beobachtern vermutet fallen die Autobahngesellschaft Asfinag oder der ÖBB Güterverkehr nicht zum Sektor Staat. Weitere BIP-Umstellungen: Grenzüberschreitende Dienstleistungen unter Banken fallen raus (-1,4 Mrd. Euro), nicht beitragsgedeckte Pensionszusagen des Staates für Beamte werden neu bewertet (-2,7 Mrd. Euro) sowie andere Effekte, die kumuliert mit -3 Mrd. Euro ins Gewicht fallen.

Schattenspiele und Illegales

Mehr mediale Aufmerksamkeit als von Pesendorfer gewollt erhält auch der Einfluss der Schattenwirtschaft sowie illegaler Wirtschaftsbereiche auf das BIP. International hat es hohe Wellen geschlagen, dass der Drogenhandel, Tabakschmuggel und die illegale Prostitution auf dem Weg von Schätzungen ebenfalls Eingang in das Zahlenwerk finden. Es ist allerdings methodisch stimmig und keine neue Vorgabe - von der Statistik Austria wird das nach internationalen Modellen schon jahrelang berechnet.

In Zahlen gefasst: Mit illegaler Prostitution, Drogenhandel und Zigarettenschmuggel werden in Österreich laut Statistik Austria 460 Mio. Euro erwirtschaftet - "also kein Konjunkturmotor", scherzt Direktor Karl Schwarz. Die Schattenwirtschaft (Geschäfte ohne Rechnung, klassische Schwarzarbeit, aber auch Trinkgelder) soll auf rund 11,4 Milliarden Euro - rund 3,7 Prozent des BIP - kommen.

Diffizile Wertschöpfung

Auch wenn die Statistik-Profis betonen, dass die BIP-Ermittlung höchsten wissenschaftlichen Standards entspricht, so machen sie kein Hehl daraus, dass es vielfach nötig ist, sich der Wirklichkeit mit Krücken zu nähern. Da wird dann zugeschätzt, imputiert und unterstellt oder mit Modellen gearbeiten, wo die Datenlage nicht ausreicht. Denn gerade bei der Erfassung der globalisierten Produktionsabläufe und weltweiten Handelsketten gibt es zwar Fortschritte, aber auch noch viele Unschärfen.

Man könnte das als unausgesprochene Warnung verstanden wissen: Dem BIP wird politisch und medial zu viel Bedeutung geschenkt. Die Wirtschaft und die gesellschaftliche Realität sind viel zu komplex, um sie anhand einer einzigen Messgröße sinnvoll abzubilden.

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