"Blöde Märchensager" stiften Streit

Spindelegger, Faymann
SP-Klubchef Schieder kontert dem VP-Budget-Alarm mit scharfen Worten im KURIER-Interview.

Zwei Parteien, zwei Deutungen. ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger schlägt Budget-Alarm. Dabei ist der Haushalt für dieses Jahr erst vor fünf Wochen im Parlament beschlossen worden. Für SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ist Spindeleggers Aufschrei nicht gerechtfertigt. "Wir haben kein Budget-, sondern ein Konjunkturproblem", urteilt er im KURIER-Gespräch.

WIFO und IHS haben die Wirtschaftsprognosen für 2014 leicht nach unten revidiert. "Das bedeutet, dass wir mit weniger Steuereinnahmen und mehr Ausgaben rechnen müssen", sagt Spindelegger. Daher sei jetzt gegenzusteuern.

Seit gestern lässt er sich von allen Ministerkollegen berichten, wie es in deren Ressorts finanziell steht. Die Vorgabe war: Insgesamt sind heuer 500 Millionen Euro einzusparen – bei den "Ermessensausgaben", all jenen, die nicht gesetzlich oder vertraglich fixiert sind. Und Spindelegger drängt einmal mehr auf Strukturreformen – bei Pensionen, den ÖBB, Förderungen. Den Koalitionspartner tadelt er erneut: "Immer nur Nein sagen wird nicht gehen. Die SPÖ muss da mitmachen, aus ihrem Dornröschenschlaf von der süßen Steuerreform aufwachen."

Mehr hat Schieder nicht gebraucht. "Der Finanzminister soll nicht mit blöden Märchensagern kommen. Noch dazu hinkt der Vergleich", befindet er im KURIER-Gespräch. Nicht das Budget müsse die Politik sorgen: "Wir haben eine Konjunkturschwäche wegen sinkender Real-Einkommen und sinkenden Konsums." Dagegen helfe nur eines: "Eine rasche Steuerentlastung. Das stärkt die Kaufkraft." Spindelegger könne das "nicht mit einer Spardiskussion beiseiteschieben. Das ist basic economics. Die Sparmeisterei nützt auch nichts, wenn es bei Ankündigungen bleibt." Da gelte es, "aus dem Dämmerzustand aufzuwachen und das auf die Reihe zu bringen". Für Schieder ist die Aufregung inszeniert: "Das ist ein Ablenkungsmanöver, um eine Spardebatte zu entfachen und die eigene Politik durchzusetzen. Ich bin das schon leid."

Fehlbetrag noch geheim

Spindelegger bestreitet, die neuen Konjunktur-Daten parteitaktisch zu gebrauchen. Es gehe jetzt gar nicht um die Steuerreform, sagt ein Sprecher des Finanzministers. "Wir wollen den Budgetkurs halten und zum Jahresende nicht wieder ein Diskussion mit der EU-Kommission über ein eventuelles Defizitverfahren bekommen." Soll heißen: Spindelegger will vermeiden, dass das Defizit über die erlaubte EU-Grenze von drei Prozent springt. Bei 2,7 Prozent ist Österreich – vor allem wegen der horrenden Hypo-Kosten – schon. Faktum ist auch, dass wegen der schwächeren Konjunktur mit geringeren Staatseinnahmen und höheren Ausgaben für den Arbeitsmarkt zu rechnen sei, heißt es im Finanzressort. Dass eine Milliarde fehle, wie die Neos sagen, hält man für übertrieben. Wie viel es tatsächlich sei, lasse sich frühestens am Ende der Woche – nach den Gesprächen mit den Ministern – sagen.Zeitgleich wird der Druck in Sachen Steuerentlastung erhöht. Am Donnerstag startet der ÖGB die entsprechende Kampagne, die bis Herbst laufen soll. Das Begehren: "Lohnsteuer runter!" (etwa ein Eingangssteuersatz von 25 statt derzeit 36,5 %) – und Vermögenssteuern. Zu Spindeleggers Leidwesen fordern das nicht nur die sozialdemokratischen Gewerkschafter, die christlichsozialen wollen das ebenfalls. Bis 2016 mit der Reform zuzuwarten (da soll es ein strukturelles Null-Defizit geben), dazu sind sie nicht gewillt. Schon kommendes Jahr müsse sie greifen.

"Blöde Märchensager" stiften Streit

Die Arbeiterkammer sagt: "Kein Grund zur Panik beim Budget", die wichtigsten Steuern hätten sich – mit Ausnahme der Umsatzsteuer – in den ersten fünf Monaten deutlich besser entwickelt als geplant (siehe Grafik). Von einem neuen Budgetloch könne keine Rede sein. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) pflichtet bei: Die von der EU vorgegebene Defizit-Grenze von drei Prozent werde heuer nicht überschritten, die Konjunkturprognose sei ja nur leicht nach unten revidiert worden (von 1,7 auf 1,4 %).

WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller sagt zum KURIER: "Es ist sicher kein kurzfristiges Sparpaket nötig. Es ist auch nicht sinnvoll, jedes Quartal erneut darüber zu diskutieren. Der Fokus muss jetzt auf den großen Reformen liegen, auch um Spielraum für die Steuerentlastung zu schaffen."Im Prinzip sei es aber sinnvoll, zum Halbjahr den Budgetvollzug zu kontrollieren und bei der Kürzung der Ermessensausgaben gegebenenfalls nachzujustieren, sagt die Expertin. Schon am 8. April sei dies in der Regierung vereinbart worden. Und jetzt, da das geschehe, sei die schlechtere Wirtschaftsprognose veröffentlicht worden. Als Faustregel für diesen Fall gilt: Sinkt das Wachstum um ein Prozent, steigt das Defizit um ein halbes Prozent. So kräftig ist die Prognose aber nun bei Weitem nicht nach unten revidiert worden.

Fiskalrat-Chef Bernhard Felderer hat Verständnis für das Ansinnen des Finanzministers. Um Spielraum zur Einhaltung der Drei-Prozent-Defizitobergrenze zu erhalten, sei es sinnvoll, auf den strikten Haushaltsvollzug zu achten. Es würde nicht gut aussehen, wenn wieder ein EU-Defizitverfahren eröffnet würde. Österreich sei eben erst aus diesem Verfahren entlassen worden.

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