Blecha: "Wer die Steuerreform blockiert, der riskiert Neuwahlen"

Wirtschaft soll Blockade gegen Maßnahmen zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer aufgeben: Blecha.
Der Pensionisten-Chef drängt auf eine "rasche" Einigung: "Neuwahl wäre Hasardspiel".

Bundespräsident Heinz Fischer, ÖGB-Chef Erich Foglar, Wirtschaftsboss Christoph Leitl, Landeshauptmann Josef Pühringer und nun auch Pensionisten-Chef Karl Blecha: Die Liste der Spitzenpolitiker, die die Regierung auf eine Einigung bei der Steuerreform drängen und vor einem Scheitern warnen, wird täglich länger.

Blecha formuliert es im KURIER-Interview unmissverständlich: "Wer eine Steuerreform blockiert, riskiert den Bruch der Koalition." Dann würde es Neuwahlen geben. "Ein Hasardspiel", sagt Blecha. Keiner wisse, wie Neuwahlen ausgehen würden. Die rot-schwarze Mehrheit wäre vermutlich weg, und selbst wenn nicht, wäre die Lage nicht viel besser. Blecha: "Warum soll einer Regierung nach einer Neuwahl gelingen, woran sie vorher gescheitert ist?"

Die Dramatik der Lage werde in der Regierung "verkannt" – bis auf das Duo Rudolf Hundstorfer und Reinhold Mitterlehner. Diese beiden würden es schaffen, sich "ohne Zänkerei" zu einigen.

Blecha hat nichts dagegen, dass SPÖ und ÖVP ihre Standpunkte zur Steuerreform öffentlich klar darlegen. Aber dann sollte nicht "gezänkt" und "alles schlecht gemacht", sondern ein Kompromiss gesucht werden. "Und zwar rasch", so Blecha.

Bürokratieabbau

Im Sinne dessen, was der KURIER am Samstag berichtete, deutet Blecha einen Kompromiss bei Vermögenssteuern an: Keine neuen Steuern aus Rücksicht auf die ÖVP, dafür die Erhöhung bestehender Steuern etwa auf Kapitalerträge und Grundbesitz.

Blecha verweist auf die Schieflage bei Einkünften und Besteuerung. Während die Vermögen zuletzt um sieben Prozent gestiegen sind, sind die Löhne stagniert und die Pensionen real gesunken. Kapitalerträge werden mit nur 25 % besteuert, Arbeitseinkommen und Pensionen von 36,5 bis 50 Prozent. "Da muss man etwas korrigieren", sagt der SPÖ-Politiker.

Blecha betont: "Die SPÖ weiß, dass die Steuerreform nicht allein durch Vermögensbesteuerung zu finanzieren ist. Wir sind sehr für Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau." Blecha hat einen Vergleich parat: 1969 seien 170 Gesetze und 170 Verordnungen erlassen worden. 2013 seien 1600 Gesetze und 400 Verordnungen (inkl. EU) in Kraft getreten. Viel zu viel, findet Blecha.

Der Pensionistenchef betont auch seine Unterstützung für eine Anhebung des faktischen Pensionsalters. Da sei sehr viel Geld drinnen, nur zwei Wochen brächten 50 Millionen €. Dazu müsse jedoch die Wirtschaft ihren Widerstand gegen ein Bonus/Malus-System bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer aufgeben. Die Arbeitslosigkeit von Frauen über 50 ist um 23,7 % gestiegen. Blecha: "Wir müssen das Stereotyp überwinden, Frauen über 50 seien nicht mehr leistungsfähig."

Schlechte Umfragen, Druck und Ermahnungen vom Bundespräsidenten, von Sozialpartnern und gewichtigen Politikern aus SPÖ und ÖVP zeigen offenbar Wirkung: Auf höchster politischer Ebene finden nun laufend Geheimgespräche über eine Steuerreform statt.

Sie sind allerdings erst ganz am Anfang. Die Beteiligten, Kanzler Werner Faymann, Vizekanzler Michael Spindelegger und wechselnde rot-schwarze Spitzenpolitiker legen ihre Vorstellungen auf den Tisch, man tastet einander ab, um heraus zufinden, was möglich und was denkunmöglich ist.

Dabei zeichnen sich erste Annäherungen ab, es werden aber auch tiefe Differenzen deutlich. An Konturen wird bisher sichtbar:

Die SPÖ könnte der ÖVP entgegen kommen, indem keine "neuen Steuern" eingeführt werden, weil es ÖVP-Chef Michael Spindelegger im Wahlkampf versprochen hat. Das bedeutet, eine Vermögenssubstanz-Besteuerung dürfte vom Tisch sein. Hingegen könnten Vermögenszuwächse stärker besteuert werden.

So könnte, wie von Nationalbankpräsident Claus Raidl im KURIER-Interview angeregt, die Kapitalertragssteuer von 25 auf 30 % erhöht werden.

Auch die Grunderwerbssteuer könnte steigen, ob daraus eine allgemeine Erbschaftssteuer wird, ist offen.

Erhöht werden dürfte die Grundsteuer. Der Haken: Die Grundsteuer fließt laut Gesetz an die Gemeinden und taugt daher nicht als Gegenfinanzierung für eine Lohnsteuersenkung. Als Lösung ist angedacht, dass das Mehraufkommen aus einer erhöhten Grundsteuer vorübergehend an den Bund fließt und erst nach etwa fünf Jahren an die Gemeinden. Zudem müsste der Gesetzgeber untersagen, dass die Immobilienbesitzer die Grundsteuer als Betriebskosten den Mietern verrechnen.

Massive Differenzen zeichnen sich bei den Einsparungen ab. Spindelegger will unter dem Titel "Einsparung" alle möglichen Ausnahmen für Arbeitnehmer im Steuerrecht streichen. Dagegen läuft ÖGB-Boss Erich Foglar Sturm. "Das ist keine Einsparung, sondern eine Steuererhöhung. Die Arbeitnehmer werden sich die Lohnsteuersenkung nicht selbst finanzieren. Das Lohnsteueraufkommen ist ist ohnehin auf Rekordniveau", soll Foglar in den Gesprächen deponiert haben.

Konsens herrscht, dass Förderungen gestrichen werden sollen, aber wen das trifft, ist dem Vernehmen nach offen. Die Wohnbauförderung soll wieder zweckgebunden in den Wohnbau fließen.

Umstritten ist der Zeitplan. Spindelegger will an dem akkordierten Fahrplan festhalten: Politische Gespräche bis Jahresende, legistische Ausarbeitung bis März 2015, parlamentarische Umsetzung bis 1. Juli 2015, Inkrafttreten der Steuersenkung ab 1. Jänner 2016.

Der SPÖ, aber auch vielen Politikern der ÖVP geht das viel zu langsam. Sie wollen in ihren Landtagswahlen keinen negativen Bundestrend, sondern Rückenwind durch eine Steuersenkung. Faymann und Spindelegger werden daher gedrängt, sich noch im Herbst auf konkrete Zusagen mit Umsetzungs-Datum zu einigen, beispielsweise, dass der Eingangssteuersatz von derzeit 36,5 Prozent ab 1. Juli 2015 auf 25 Prozent sinken wird.

Offen ist auch das Volumen. Faymann und Spindelegger sollen mit vier Milliarden zufrieden sein, diverse Interessensgruppen haben allerdings Wünsche in höherem Ausmaß angemeldet.

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