Was sich für Schüler und Lehrer ändert

Was sich für Schüler und Lehrer ändert
Wie wird der Schulalltag künftig aussehen – und was wird sich ändern? Ein erster Einblick.

Nein, fertig verhandelt ist die große Bildungsreform noch nicht. "Das Henderl wird erst in den letzten Minuten schön knusprig", verweisen versierte Verhandler auf ein altes Sozialpartner-Sprichwort. Aber die Eckpunkte der Reform zeichnen sich bereits ab. Was bringt die Bildungsreform, die am 17. November im Ministerrat vorgestellt werden soll, für Lehrer, Schüler und Eltern?

Schulautonomie

Es gab sie in Teilbereichen schon bisher, aber fix ist, dass die Schulautonomie massiv ausgebaut werden soll. Damit wird die Schulwahl zweifellos noch wichtiger. Offen ist, ob die Schulsprengel (Schulwahl eng mit dem Wohnort verknüpft) abgeschafft werden.

Die Schulautonomie hängt massiv vom Direktor/der Direktorin ab: Die Auswahl der Direktoren soll nicht mehr wie bisher durch parteipolitisch besetzte Gremien in den Landesschulräten geschehen (diese Gremien sollen ganz abgeschafft werden), sondern eine einfache Entscheidung von je zwei Vertretern der Dienstgeber und Dienstnehmer werden. Grundlage der Entscheidung sind eine Ausschreibung und ein Hearing. Direktoren werden nicht mehr unbefristet bestellt, ihre Amtszeit wird auf fünf Jahre begrenzt. Danach gibt es keine automatische Verlängerung, sondern jeder Schulleiter muss sich erneut einer Ausschreibung und einem Hearing stellen. Die bisherige Arbeit wird dabei anhand der Bildungsdaten evaluiert: Gab es viele Drop-outs oder nachvollziehbare Beschwerden der Eltern? Hat sich die Schule bei den Vergleichstests verbessert?

Schwerpunktschulen

Der Direktor muss der Schule ein klares Profil geben und Schwerpunkte setzen: Etwa Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Technik, er kann neue Unterrichtsfächer erfinden oder auch auf regionale Besonderheiten setzen.

Eine Vollautonomie bei der Personalauswahl wird der Direktor nicht bekommen, aber mehr Mitsprache bei der Auswahl, sogar ein Vetorecht soll möglich werden. Und ein kleiner Teil der Lehrplanstellen – die Rede ist von rund drei Prozent – soll der Schulleiter in Unterstützungspersonal umwandeln dürfen. Dazu zählt etwa Verwaltungspersonal, Psychologen oder Sozialarbeiter. Aber es sollen auch ganz neue Wege möglich werden, und je nach Schwerpunkt auch Sportler, Künstler oder Kunsttherapeuten angeworben werden können.

Kleinschulen – davon gibt es in Österreich reichlich – sollen weiter bestehen. Sie sollen nur in sinnvollen größeren Verwaltungseinheiten zusammengefasst werden, so sollen viele Leitungsposten eingespart werden.

Tagesablauf

Geplant ist ein flexibles System, in dem unterschieden wird, wann eine Schule geöffnet hat, wann unterrichtet wird, wann es betreute Lernzeiten gibt und wann die Schüler Freizeit haben. So kann zum Beispiel die erste Stunde nur zur Vorbereitung und als Lernzeit genutzt werden. Das alles soll am Schulstandort autonom entschieden werden.

Da gleichaltrige Kinder selten den gleichen Wissensstand haben, soll es künftig auch mehr jahrgangsübergreifende Klassen geben. In höher bildenden Schulen könnte der starre Stundenplan ganz fallen und ein Uni-ähnliches System eingeführt werden. Bei reinen "Vorlesungen" könnten dann viele Schüler in einer Klasse sitzen, Projektarbeit dafür in Kleingruppen stattfinden.

Zukunft

Seit März werden in Expertengruppen Modelle ausgearbeitet, wie Österreichs Schulsystem künftig aussehen soll. Entschieden wird in der großen Bildungs- reformgruppe der Regierung, die aus je 4 SPÖ- und ÖVP-Vertretern von Bund und Land zusammengesetzt ist. Heute, Diens- tag, trifft sich die große Runde. Am 17.11. sollen Ergebnisse präsentiert werden.

Ein essenzieller Teil der Reform soll die Effizienz des teuren Schulsystems massiv verbessern. Seit den 1960er-Jahren wird über diese Reform diskutiert. Es ist ein Monstervorhaben, an dem bisher alle Reformer gescheitert sind. Und auch dieser Anlauf droht zu scheitern.

Die Experten – keine Politiker – haben seit März Modelle ausgearbeitet, wie eine Verwaltungsreform aussehen könnte. Derzeit gibt es nicht nur teure Doppelgleisigkeiten im System, sondern bis zu vier Stellen, die in der Verwaltung entscheiden. Der Bund zahlt zwar alle Lehrer. Die einfache Frage, wie viele Geografielehrer eigentlich beschäftigt sind, kann die Bildungsministerin aber bis heute nicht beantworten, weil ihr der Einblick von den Ländern verwehrt wird.

Derzeit zeichnen sich zwei Modelle ab: Alle Macht beim Bund – oder mit schlankeren Strukturen, aber viel Einfluss der Länder weiter wie bisher. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht.

Keine guten Nachrichten kommen von den Kindergärten. Zwar ist unbestritten, dass der Kindergarten eine immens wichtige erste Bildungseinrichtung darstellt und nicht nur zur Verwahrung der lieben Kleinen dient. Der Plan, die Kindergärten zum Teil der Bildungsreform zu machen und die Qualität und Öffnungszeiten zu vereinheitlichen, ist offenbar schon wieder am Njet der Länder gescheitert.

Kuriosum

Am Dienstag tagt die große Bildungsreformgruppe zum vierten Mal seit Start der Verhandlungen. Danach werden die Schulpartner – Schüler-, Eltern- und Lehrervertreter – im Ministerium erwartet. Die Einladung erfolgte sehr kurzfristig. Und als besonderes Kuriosum ist der erste Sitzungspunkt nicht eine Erläuterung über den Stand der Verhandlungen, sondern die Schulpartner sollen ihre Ideen für die Bildungsreform darlegen. Drei Wochen vor dem Ende der Verhandlungen. „Eine Frechheit“, beschreibt es ein Schulpartner erbost.

Heute in drei Wochen will die Regierung die große Bildungsreform präsentieren. Mangels irgendwelcher herzeigbaren Erfolge seit Beginn dieser Regierungsperiode haben alle vom Kanzler abwärts dieses Projekt als Herzstück der einst großen Koalition angekündigt.

Genau da liegt schon das erste Problem, und da gleicht diese Reform allen anderen Reformen dieser Regierung. Eine Bildungsreform ist noch kein gemeinsames Projekt. Es zeugt nur vom Willen, etwas ändern zu wollen. Und endet genau da. Die Standpunkte, was geändert werden soll, sind seit Anbeginn der Reform nämlich diametral. Zwischen Bund und Ländern, zwischen Roten und Schwarzen. Und dass der Start der Reform nicht in diesem Frühjahr war, sondern Mitte der 1960er-Jahre.

Wir wissen derzeit nicht, was am 17. November wirklich präsentiert wird. Was aber bisher aus Verhandlerkreisen durchgesickert ist, ist nicht gerade ermutigend. Es droht eine "Ja, eh"-Reform zu werden. Wir Österreicher kennen das mittlerweile gut.

Ja, eh haben sie das eine oder das andere verbessert. Aber die großen Brocken bleiben wieder liegen. Die Doppel- und Dreigleisigkeiten im System, die sinnlos Steuergeld verbrennen, sind einzementiert statt aufgebrochen worden. Niemand hat bei der Reform Federn lassen müssen, alle Pfründe wurden erfolgreich verteidigt.

Ja, eh werden die Schulen autonomer arbeiten können. Aber da kaum zusätzliches Geld in das ohnehin teure Schulsystem fließen wird und die vorhandenen Mittel nicht effizienter eingesetzt werden, droht eine autonome Mängelverwaltung. Die Effizienz, werden sie uns versprechen, wird im nächsten Schritt verbessert.

Ja, eh.


zu we

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