Bildung: Das Tauziehen um die große Reform

Ob die Reform 1a wird, wird sich weisen - Eltern und Lehrer haben Zweifel.
Heute startet Arbeitsgruppe zur Bildungsreform. Landeshauptmann Niessl will „kein Reförmchen“, die Erwartungen von Lehrern und Eltern sind niedrig.

Eigentlich hätte die Arbeitsgruppe schon im Oktober das erste Mal tagen sollen – gedauert hat es allerdings bis heute, dass die Gruppe aus acht Bundes- und Landespolitikern sich einem der zentralen Reformthemen der vergangenen Jahre widmet: der Bildung.

Die Landeshauptleute Pröll, Niessl, Kaiser und Haslauer sind für die Länderseite dabei, der Bund ist mit Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner und Wissenschafts-Staatssekretär Harald Mahrer vertreten. Die Erwartungen der Politik sind hoch: „Wir haben das Ziel, Strukturveränderungen zu machen, kein Reförmchen", sagt Niessl im Interview mit dem KURIER (mehr dazu lesen Sie weiter unten).

Bund-Länder-Konflikt

Stolpersteine gibt es aber genug. Es geht vor allem darum, die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden zu entflechten – während die Länder etwa den Wunsch hegen, dass die jetzigen Bundeslehrer künftig auch von den Ländern verwaltet werden, will der Bund es genau andersrum. Dies soll bei einem der nächsten Treffen diskutiert werden, heute wird man sich zum Aufwärmen mit der Schulautonomie auseinandersetzen. Auch eine Klarstellung der Ministerin, dass Schulen unter 300 Schülern nicht zugesperrt werden, fordert Niessl für heute ein.

Dazu kommt die leidige Budgetfrage: Mehr als 100 Millionen Euro allein heuer im Bildungsetat fehlen - unter anderem wegen der steigenden Lehrergehälter – könnten sich auch andere, möglicherweise mit Kosten verbundene Punkte der Reform zum Streitpunkt entwickeln.

Wenig Hoffnung

Dass dabei viel herauskommt, glaubt derzeit noch nur die Politik – bei Eltern und Lehrerschaft ist die Vorfreude verhalten: „Ich sehe das weder zu optimistisch noch zu pessimistisch. Meine Erwartungen sind in einem sehr pragmatischen Bereich", so der es der Chef der Lehrergewerkschaft, Paul Kimberger, gegenüber der APA. Der Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft, Eckehard Quin, kommentiert die Tagung etwas boshafter: "Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis", meint er. "Die Politik ist im Moment ein Opfer ihrer selbst. Sie redet ständig die Notwendigkeit einer Bildungsrevolution herbei und treibt sich damit in eine Reformspirale - obwohl es ohnehin funktioniert."

Ebenfalls wenig von einer großen Verwaltungsreform-Diskussion halten Eltern- und Schülervertreter – sie wollen an der Aus- und Weiterbildung der Lehrer sowie bei den Lehrplänen ansetzen.

Am Donnerstag trifft sich zum ersten Mal die neue Arbeitsgruppe zur Schulreform. Ihr gehören politische Kapazunder wie die vier Landeshauptleute Erwin Pröll, Hans Niessl, Peter Kaiser und Wilfried Haslauer an. Die Chancen, dass diesmal etwas herauskommt, sind groß – bestätigt Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl. "Wir haben das Ziel, Strukturveränderungen zu machen, kein Reförmchen", sagt Niessl im Interview mit dem KURIER.

Niessl kann persönlich auf Jahrzehnte an Schulreform-Diskussionen zurückblicken. "Ich war schon im Österreich-Konvent dabei, als Elisabeth Gehrer noch Unterrichtsministerin war", erinnert sich der Landeshauptmann. Das war 2003, ist mehr als zehn Jahre her. "Die große Reform ist wirklich überfällig", legt Niessl die Latte für die neue Arbeitsgruppe hoch. Auch, was den Zeitrahmen betrifft: "Wir sollten vor dem Sommer zu herzeigbaren Ergebnissen kommen."

Das Ziel der Reform definiert Niessl so: "Strukturelle Änderungen mit dem Zweck, die Bildungsqualität zu heben. Von dem für die Bildung ausgegebenen Steuergeld soll mehr im Klassenzimmer ankommen."

Laut Niessl besteht die strukturelle Reform aus folgenden Elementen:

Autonomie stärken Die Autonomie der Schulen und die Mitsprache der Direktoren bei der Auswahl der Lehrer sollen gestärkt werden.

Entflechten Die Zuständigkeiten Bund/Länder/Gemeinden seien zu entflechten, um zu sparen. Niessl: "Die Verhandlungsbasis für die Länder sind die Beschlüsse von Frauenkirchen und St. Pölten." Darin sprechen sich die Länder dafür aus, dass Gesetzgebung und Kontrolle beim Bund liegen, die Schulverwaltung bei den Ländern. Niessl: "Der Bund soll die Dienstposten streng kontrollieren dürfen, und auch, ob die Qualität passt und die Bildungsziele erreicht werden. Der Bund soll die Gesetzgebung machen, es soll nicht unterschiedliche Schulsysteme in Österreich geben." Im Gegenzug sollten alle Lehrer – auch die derzeitigen Bundeslehrer – in Länderverwaltung kommen.

Diese Reform würde bewirken, dass man die Landesschulräte abschaffen kann. Die Schulverwaltung würde entweder von der Landesregierung ausgeübt oder von Bildungsdirektionen, in denen die derzeitigen Bildungsabteilungen der Länder aufgehen. "Die Bildungsdirektionen würden für alle Schulen, auch die Landwirtschafts- und Berufsschulen, zuständig sein", sagt Niessl.

Gordischer Knoten

Den gordischen Knoten bei der Gesamtschule werde die Arbeitsgruppe nicht durchschlagen. "Das ist unrealistisch", so Niessl. Aber ein Schritt zur Lösung des Konflikts sei möglich. So könne die Gesamtschule in Modellregionen erprobt werden. Etwa in Güssing und Jennersdorf im Burgenland. Dort gibt es kein Unterstufengymnasium, nur eine Neue Mittelschule. Viele Schüler würden nach der NMS Maturaschulen besuchen. Niessl: "Man könnte diese Neue Mittelschule, die eine echte Gesamtschule ist, wissenschaftlich begleiten und mit einem Unterstufengymnasium anderswo vergleichen."

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