Ein Jahr Kabinett Faymann II

Angelobung neuer Regierungsmitglieder am 1. September 2014
Große Koalition: Die Aufsteiger und Verlierer in der rot-schwarzen Regierungsmannschaft.

Übermorgen ist es so weit: Am Dienstag jährt sich die Angelobung des Kabinetts Werner Faymann II.

Die vergangenen zwölf Monate waren für die rot-schwarze Regierungstruppe vergleichsweise turbulent. So spitzten sich die inner-koalitionären und VP-internen Konflikte um die Steuerreform derart zu, dass ÖVP-Chef Michael Spindelegger im August keinen anderen Ausweg sah, als alles hinzuschmeißen. Die ÖVP-Mannschaft wurde umgebaut, auch das SPÖ-Team musste nach dem Tod Barbara Prammers verändert werden. Die Wechsel waren nicht nur zum Schaden der Koalition, Spindeleggers Nachfolger an der Parteispitze und im Finanzministerium vermochten bislang zu überzeugen – wie auch manch’ anderer Regierer.

Wer hat sich im vergangenen Jahr bewährt, wer spielte kaum eine Rolle – und wer enttäuschte? Der KURIER hat die einzelnen Regierungsmitglieder unter die Lupe genommen.

Einen Kommentar von KURIER-Politikchef Josef Votzi zur Koalitions-Bilanz lesen Sie hier.

Ein Jahr Kabinett Faymann II

Werner Faymann Er hat fast alles versucht, der Kanzler. Er hofierte die Landesparteien und Teil-Organisationen, das Steuerkonzept des ÖGB machte er kurzerhand zur SPÖ-Linie. Am Ende half es nichts: Nicht einmal 84 Prozent Zustimmung beim Parteitag waren ein übler Dämpfer. Die Partei murrt, um die Steuerreform wird mehr gezankt denn verhandelt, gleichzeitig steigen die Umfragewerte des ÖVP-Vizekanzlers. Noch ist Faymann nicht ganz abzuschreiben. Aber angezählt ist er allemal.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-60228011.jpg/52.159.268 APA/GEORG HOCHMUTH MINISTERRAT: MITTERLEHNER APA17058186 - 18022014 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Reinhold Mitterlehner vor Beginn eines Ministerrates am Dienstag 18. Februar 2014, im Bundeskanzleramt in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH Reinhold Mitterlehner Beim Vizekanzler läuft es derzeit einfach. Die Stimmung in der ÖVP ist vergleichsweise gut, selbiges gilt für die Imagewerte beim Vertrauensindex. Fast symptomatisch: der Erfolg im Wissenschaftsministerium. Mitterlehner machte nie einen Hehl daraus, dass das Ressort ursprünglich nicht sein Liebkind war. Trotz Sparkurs stellte er nun zusätzliche 650 Millionen Euro für das Budget der Unis auf. Kein Wunder, dass ihn mittlerweile auch die Universitätenkonferenz über Gebühr lobt.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-54488031.jpg/40.587.772 KURIER/Jürg Christandl Josef Ostermayer Interview mit Josef Ostermayer am 22.03.2013 in seinem Büro. Josef Ostermayer Für die Partei wie das rote Regierungsteam gilt: Ohne ihn geht nichts. Kaum im Amt, musste er als Kulturminister die schwerste Krise bewältigen, die das Burgtheater in seiner 250-jährigen Geschichte erlebt hat. Ostermayer meisterte dies still und souverän, ebenso die Re-Organisation der Bundestheater-Holding. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz hat er endlich das Ende des Amtsgeheimnisses eingeläutet. Manko: Bei der Medienpolitik (z. B. ORF) setzte er bislang kaum Duftmarken.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-53051425.jpg/2.906.591 Deutsch Gerhard Johanna Mikl-Leitner, Mikl Leitner, Ministerin, Bu… Johanna Mikl-Leitner, Mikl Leitner, Ministerin, Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner Wie ihre Vorgängerin legt die Innenministerin keinen übergroßen Wert darauf, sich rasend populär zu machen. Die Niederösterreicherin ist laut APA-OGM- Vertrauensindex das unbeliebteste Regierungsmitglied der ÖVP. Das liegt auch daran, dass sie unwillkommene, fachlich aber nötige Maßnahmen (z. B. Schließung kleinerer Polizei-Posten) durchzog. Bei der immer noch nicht nachhaltig gelösten Unterbringung der Asylwerber scheitert sie – auch – an den Bundesländern.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-59713334.jpg/47.293.882 APA/HERBERT NEUBAUER MINISTERRAT: HUNDSTORFER APA16564098 - 21012014 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Rudolf Hundstorfer am Dienstag, 21. Jänner 2014, vor Beginn des Ministerrates in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER Rudolf Hundstorfer Der rote Sozialminister mag sein Ressort, und das merkt man. Als Ex-ÖGB-Präsident ist Hundstorfer fachlich sattelfest. Das ändert freilich nichts daran, dass ihm der Spardruck tendenziell unpopuläre Maßnahmen abverlangt. Als der potenzielle Präsidentschaftskandidat kürzlich den Zugang zum Pflegegeld verschärfte, kamen auch aus der SPÖ kritische Töne. Dem nicht genug, erbost die ÖVP, dass Hundstorfer beim Thema „Pensionen“ die Probleme „schönredet“. Der Wind wird rauer.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-59776938.jpg/51.993.489 APA/ERWIN SCHERIAU ÖVP-KLUBKLAUSUR IN LOIPERSDORF: RUPPRECHTER APA16620356 - 24012014 - LOIPERSDORF - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) am Freitag, 24. Jänner 2014, anl. der ÖVP-Klubklausur in Loipersdorf. APA-FOTO: ERWIN SCHERIAU Andrä Rupprechter Mit dem Zusatz „beim Heiligen Herzen Jesu“ bei der Angelobung hat der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) gehörig irritiert. Seine damaligen Versprechen, nämlich die Bienen vor den giftigen Neonicotinoiden und die Almbauern vor den Rückzahlungen an die EU zu schützen, hat er gehalten. Den Apfelbauern half der EU-Auskenner, neue Absatzmärkte zu finden, und mit seiner bisweilen unkonventionellen Art sorgte er für einen neuen Stil. Ein Gewinn.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-62969271.jpg/71.806.262 APA/GEORG HOCHMUTH MINISTERRAT: HEINISCH-HOSEK APA19025230_24062014 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Gabriele Heinisch-Hosek am Dienstag, 24. Juni 2014, anl. einer Sitzung des Ministerrates im Bundeskanzleramt in Wien. FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH Gabriele Heinisch-Hosek Es war so gar nicht ihr Jahr. Erst die Aufregung um ein Datenleck im Institut für Bildungsforschung, dann die Pannen bei der Generalprobe zur Zentralmatura. Das Krisenmanagement der Roten war überschaubar, wie die Fortschritte bei der Gemeinsamen Schule. Mit Vorhaben wie der Kürzung der Vorbereitungsstunden für die Matura, treibt die Ex-Lehrerin Eltern, Schüler und Lehrer auf die Barrikaden. Die als Frauenministerin einst Wohlgelittene hat die Fortune verlassen.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-59198298.jpg/44.854.939 KURIER/Jeff Mangione Sophie Karmasin Sophie Karmasin, die neu angelobte Familienministerin im Porträt. Wien am 19.12.2013. Sophie Karmasin Der größte Verdienst der Familienministerin ist wohl, der mitunter als verzopft geltenden Volkspartei einen progressiveren Anstrich verpasst zu haben. Während Funktionäre bei Themen wie dem Rechtsanspruch für Kinderbetreuungsplätze mitunter noch die Nase rümpfen, ist Karmasin dafür offen. Ihr Problem: Sie hat de facto kein Budget, als Nicht-Parteimitglied kaum Rückhalt in der ÖVP, und ob ihr die wichtige Reform des Kindergeldes gelingt, ist vorerst offen.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-60489843.jpg/78.055.591 APA/ROLAND SCHLAGER MINISTERRAT: STÖGER APA17296092 - 04032014 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Alois Stöger im Gespräch mit Journalisten vor Beginn einer Sitzung des Ministerrates in Wien am Dienstag, 4. März 2014. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER Alois Stöger Im Führungskreis der SPÖ kursiert das Ondit, im Infrastruktur-Ressort gelte für Minister grundsätzlich eine Regel: Nur keine Probleme machen. Tunnel und Straßen seien Milliarden-Projekte, die finanziellen Mittel dafür ohnehin auf Jahrzehnte verplant. Tatsächlich gab es bis auf den Ausbau des Breitband-Netzes zuletzt kaum Themen, mit denen der Ex-Gesundheitsminister hätte reüssieren können. Vielleicht liegt die Zurückhaltung auch daran, dass er erst seit September im Amt ist.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-62897410.jpg/71.876.461 KURIER/Gilbert Novy Sebastian Kurz Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres im Interview. Wien, 20.06.2014 Sebastian Kurz „Er macht das kleine Österreich ziemlich groß.“ Wenn „Der Spiegel“ derlei in einem Porträt über einen Außenminister schreibt, dann hat das Gewicht. Tatsächlich fiel der junge ÖVP-Minister nicht mit Peinlichkeiten, sondern mit spannenden Initiativen wie dem Islamgesetz auf. Nebenbei initiierte er diplomatische Treffen auf heimischem Boden (z. B. die Atom-Ausstiegsgespräche mit dem Iran). Kurz kann Parteichef werden und hat als erst 28-Jähriger noch jede Menge Zeit.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-54543957.jpg/11.824.605 KURIER/Jeff Mangione Gerald Klug Verteidigungsminister Mag. Gerald Klug im Gespräch mit Grundwehrdienern über Verbesserungspotentiale im Grundwehrdienst im Österreichischen Bundesheer. Ort: Maria-Theresien-Kaserne, am 26.03.2013. Gerald Klug Der Steirer ist im Verteidigungsressort hart aufgeschlagen. Konnte sich Klug am Beginn der Amtszeit mit demonstrativer Nähe zur Armee in die Herzen der Soldaten manövrieren, macht ihm die finanzielle Situation des Heeres nun zu schaffen. Klug muss einen beispiellosen Sparkurs fahren, es fehlt Geld für Benzin und Munition. Von der Attraktivierung des Grundwehrdienstes spricht kaum jemand, dafür steigt der Frust in der Armee. Mangels Aussicht auf Besserung ist Klugs Stern im Sinken.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-64569306.jpg/83.189.649 APA/RUBRA PK ÖVP-BUNDESPARTEIVORSTAND: SCHELLING APA20062706-2_31082014 - LINZ - ÖSTERREICH: Der designierte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) am Sonntag, 31. August 2014, anlässlich einer Pressekonferenz im Rahmen des ÖVP-Bundesparteivorstandes in Linz. FOTO: APA/RUBRA Hans Jörg Schelling Den Ex-Manager unterscheidet ganz Wesentliches vom Vorgänger: Schelling ließ von Beginn an keinen Zweifel daran, dass er sich in der Welt der Zahlen und Bilanzen wohlfühlt. Die Frage „Kann der Finanzminister?“ stellte kaum jemand. Zudem ist Schelling materiell unabhängig, er muss also auf niemanden in Politik oder ÖVP über Gebühr Rücksicht nehmen. Seine bisherige Vorstellung ist weitgehend fehlerfrei. Bleibt „nur noch“ die Steuerreform.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-59206933.jpg/43.967.649 KURIER/Franz Gruber Sabine Oberhauser Interview mit Sabine Oberhauser in der ÖGB-Zentrale in Wien am 19.12.2013. Sabine Oberhauser Die Sozialdemokratin im Gesundheitsressort macht bislang eine gute Figur, und das ist nicht weiter überraschend: Als Ärztin weiß Oberhauser, worauf es Patienten bzw. Bürgern im Gesundheitswesen ankommt; als vormals stellvertretende ÖGB-Chefin kennt sie das „politische Spiel“, sprich Begehren und Befindlichkeiten aller Beteiligten. Politisch ist im Ressort weniger zu bewegen als anderswo – viel Geld und damit Einfluss liegen bei Ländern und Hauptverband.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-59959923.jpg/50.318.527 APA/HERBERT PFARRHOFER INTERVIEW MIT JUSTIZMINISTER WOLFGANG BRANDSTETTER APA16792680-2 - 05022014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Justitzminister Wolfgang Brandstetter am Dienstag, 4. Jänner 2014, im Rahmen eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER Wolfgang Brandstetter Der Uni-Professor ist fachlich beschlagen und schöpft daraus eine gewisse Sicherheit. Um allfällige Befangenheiten bei laufenden Verfahren auszuschließen (Brandstetter war ein gefragter Verteidiger), installierte der Niederösterreicher einen Weisenrat, der nun als fixe Einrichtung bleiben soll. Juristisch wie ethisch heikle Materien (Fortpflanzungsmedizin-Gesetz) sind weitgehend gelungen. Seine Bilanz trüben bloß die von ihm selbst thematisierten Missstände im heimischen Strafvollzug.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-59487777.jpg/55.305.602 KURIER/Jeff Mangione Sonja Steßl Interview mit Sonja Steßl, Staatssekretärin im Bundesministerium für Finanzen, am 08.01.2014 in Wien. Sonja Steßl Die Staatssekretärin fühlt sich noch nicht wohl in ihrer Rolle. Sehr deutlich wurde das im Sommer bei einem ZiB2-Auftritt, wo sich die Steirerin ungelenk weigerte, das rote Modell für die Millionärssteuer zu beschreiben. Formal ist sie zwar nicht mehr für Finanzen, sondern für die Verwaltung zuständig. Real überlässt es ihr die Partei aber weiter, die ÖVP mit kontroversiellen Wünschen in Sachen Steuerreform (Registrierkassenpflicht) zu provozieren. Doch wie gesagt: Irgendwie fühlt sie sich dabei nicht wohl.Leistungsbilanz:

https://images.kurier.at/46-54926899.jpg/82.471.159 Julius-Raab-Stifung/Richard Tanzer Harald Mahrer, Präsident der Julius-Raab-Stiftung.… Harald Mahrer, Präsident der Julius-Raab-Stiftung. Harald Mahrer Der Staatssekretär im Wissenschaftsressort muss seine Rolle noch finden. Mahrer will den liberalen Flügel der ÖVP und die inhaltliche Flanke zu den Neos abdecken. Dabei kommt er Ministerin Karmasin ins Gehege – wie sich etwa bei Forderungen zur Ausbildung der Kindergärtner zeigte (Mahrer: pro Akademisierung, Karmasin: contra). Die spannendste Frage bleibt, wie sehr der Liberale den laufenden Erneuerungsprozess der ÖVP (Evolution) beeinflussen kann.Leistungsbilanz:

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