Steuerreform, bitte warten

Am 26. September wollen Schelling (Finanzminister), Faymann (Kanzler) und Mitterlehner (Vizekanzler) erste Entlastungspläne präsentieren
Die Entlastung dürfte später kommen, als viele wollen – und auch kleiner ausfallen.

Die fix und fertige Steuerreform, mit allen Details, sie kann in Schladming wohl nicht verkündet werden – dazu sind zu viele Fragen offen, vor allem die Finanzierung.

Doch zumindest das Volumen der Reform, nämlich vier bis fünf Milliarden Euro, dürfte auf der Regierungsklausur am 26./27. September als Ziel fixiert werden. Das sickerte aus Koalitionskreisen durch und bedeutet: Die nächste Steuerreform fällt wesentlich kleiner aus, als viele wahrhaben wollen. Im Gespräch ist zunehmend auch eine Reform in mehreren Etappen.

Der ÖGB fordert dem Vernehmen nach sechs Milliarden Euro Entlastungsvolumen. Am Dienstag wird das Arbeitnehmer-Papier inklusive einer "Millionärssteuer" zur Gegenfinanzierung vorgestellt.

Milliarden-Lotterie

Mehr geht aber immer: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nannte schon einmal sieben Milliarden, IHS-Chef Christian Keuschnigg sprach von zwölf Milliarden Euro, um die es langfristig gehe. Und die Industriellenvereinigung (IV), die ihr Steuerkonzept ausgerechnet am Tag vor der Regierungsklausur präsentiert, kommt "bei einer wirklich großen Steuer-Strukturreform" auf Kosten von zwölf bis 15 Milliarden Euro. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer sagt zum KURIER: "Das wäre nur in mehreren Schritten umsetzbar, denn mehr als das Volumen, das die Regierung jetzt nennt, ist momentan budgetär nicht drin. Wir bekommen ja kein Wachstum zusammen."

Das ist der zweite zentrale Punkt: Angesichts des Wachstumseinbruchs in Europa und der Auswirkungen der Ukraine-Krise sind selbst die vier bis fünf Milliarden Euro derzeit kaum darstellbar. Spielraum in den Budgets 2014/’15 gibt es keinen.

Als Zeitpunkt der Steuerreform sieht EcoAustria-Chef Ulrich Schuh daher frühestens 2016 als realistisch an. Schuh: "Wie man es dreht und wendet: Das Volumen muss erst aufgebracht werden. Eine überstürzte Steuerreform wäre ein gefährliches Spiel, das Defizit könnte wieder aus dem Ruder laufen."

Riskiert Österreich ein neuerliches Defizitverfahren, könnte dies nach den verschärften EU-Regeln Strafzahlungen von bis zu 620 Millionen Euro bedeuten.

WIFO warnt vor Defizitproblem

Auch der langjährige WIFO-Budgetexperte Gerhard Lehner warnt vor einem neuen Defizitproblem. Denn die "zeitliche Asymmetrie" von zwei bis drei Jahren zwischen einer raschen Entlastung und erst Jahre später wirkenden Reformen dürfe nicht unterschätzt werden. Dieses Problem sei auch bei Vermögenssteuern gegeben, sagt Lehner. Ein Beispiel: Weil es bei Erbschaften oft Jahre dauert, bis alle Verfahren abgeschlossen sind, lukriert der Bund heute noch Einnahmen aus der 2008 abgeschafften Erbschaftssteuer. Daher geht es momentan vor allem um die kurzfristigen Einsparungsmöglichkeiten, die Experten am ehesten bei Förderungen und Steuer-Ausnahmen sehen.

Förderungen Österreich ist Förderweltmeister, in den 15 Milliarden, die hier jährlich fließen, sind aber auch Förderungen für Familien, die ÖBB oder Spitäler enthalten. Querbeet kürzen geht also nicht. Würde man den Förderdschungel erfolgreich durchforsten und das Ausgaben-Niveau auf den EU-Schnitt senken, ließen sich bis theoretisch zu 4 Milliarden Euro sparen, sagt Eco-Austria-Mann Schuh. "Man könnte wenigstens versuchen, die vielen Widersprüche wegzubekommen – etwa zwischen der Umwelt-und Pendlerförderung."

Steuer-Ausnahmen Nicht minder heikel ist der Bereich der steuerlichen Ausnahmen. Auch hier verbergen sich hinter den zweistelligen Milliarden-Beträgen nicht selten handfeste Interessen und politische Tabus – wie etwa die Steuerförderung für den 13./14. Monatsgehalt, die allein fünf Milliarden verschlingt. Dennoch schätzt Experte Lehner, dass hier eine Milliarde Euro zusammengekratzt werden könnte.

Unterm Strich entscheidend wird, dass die Steuerreform auch gut verkauft wird, sagen die Fachleute. Soll heißen: Die Steuerzahler müssen sich entlastet fühlen, idealerweise gehe ein Optimismus-Ruck durchs Land. Dann, schätzt Schuh, könnte sehr viel Geld sofort wieder zurück in die Wirtschaft fließen und die Steuerreform einen "Selbstfinanzierungsgrad von bis zu 40 Prozent" erreichen. Lehner: "Gelingt das nicht, besteht die große Gefahr des Angstsparens."

Natürlich hätten wir unseren Leserinnen und Lesern am verregneten Samstag gerne eine positive Schlagzeile geliefert. Aber leider, die Umstände lassen es nicht zu. Die Steuerreform, die nicht nur jeder Einzelne dringend braucht, weil wir durch die kalte Progression ständig mehr an den Staat abliefern, kommt später und wird nicht allen Steuerzahlern große Freude machen. Das haben unsere Recherchen ergeben.

Dabei werden die Menschen in unserem Höchststeuerland mit Grund ungeduldig – und die Enttäuschung über die Politik wächst weiter. Der brave Wähler und die regelmäßige Wählerin haben sich ja damit abgefunden, dass die Wahlversprechen mit den Regierungsprogrammen wenig zu tun haben. So nachtragend wie die Amerikaner, die George Bush – "Read my lips, no more taxes" – nicht wieder wählten, weil er eben doch die Steuern erhöhte, sind wir Österreicher sicher nicht. Wobei Wahlversprechen ohnehin absurd sind, wenn keine Partei mit einer absoluten Mehrheit rechnen kann.

Jeder, der in Österreich sein Geld durch Arbeit verdient, hat in den letzten Jahren gewaltige Veränderungen mitmachen müssen. Die Strukturen der Unternehmen schauen heute ganz anders aus, ebenso die Arbeitsabläufe. Viele, die früher angestellt waren, sind heute selbstständig. In der Regel geht es um Einsparungen durch veränderte Prozesse und höhere Produktivität. Und die große Zahl von erfolgreichen Unternehmen, von denen einige Weltmarktführer sind, beweist, dass unsere Wirtschaft im globalen Wettbewerb durchaus mitkommt. Bei der AUA wird der Betriebsrat mit den Mitarbeitern besprechen müssen, ob das Bestehen des Unternehmens nicht doch wichtiger ist als früher einmal vereinbarte Privilegien. Da hilft es nichts, wenn so manches mit viel Druck auf Papier geschrieben wurde.

Geschenke, die wir selbst bezahlen

Nur die Politik funktioniert noch so langsam wie zur Zeit des regelmäßigen Wirtschaftswachstums. Da konnte man trefflich streiten, wer von der zusätzlichen Produktivität mehr profitieren soll. Aber heute ist eine Steuerreform eben nicht durch wachsende Einnahmen zu finanzieren, sondern nur durch Einsparungen. Aber das, was jeder von uns in seinem Betrieb erlebt, findet in der Politik nicht statt. Keiner freut sich über Geschenke, die er selbst bezahlen muss. Die Politik hat kein Geld mehr für großzügige Gaben. Sie verwaltet vom Bund bis zu den Gemeinden mehr Geld als je zuvor. Und da soll es nicht möglich sein, durch Einsparungen eine Steuerreform zu finanzieren? Und diese durch ein gerechteres Steuersystem, das die Arbeit entlastet, noch aufzufetten?

Noch eine Bitte: Wir Wähler wissen, dass wir oft nicht die Wahrheit erfahren. Aber wir wollen nicht ganz dumm angelogen werden. Wenn die rot-grüne Wiener Stadtregierung die Erhöhung des Werbebudgets mit dem Song Contest begründet und den wahren Grund, die Wiener Wahl, nicht nennt, dann ist das eine Beleidigung für die Intelligenz der Staatsbürger.

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