Regierungsspitze auf Distanz zu Fekter-Kurs

APA12488474 - 26042013 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Maria Fekter am Freitag, 26. April 2013, im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Die Finanzministerin leistete sich einen Alleingang. Faymann und Spindelegger korrigierten das – mit einer gemeinsamen Erklärung.

In elf Jahren als Bundeskanzler sei ihm „Derartiges nie widerfahren“, sagt Franz Vranitzky im KURIER. „Wenn Fekter von der SPÖ wäre, wäre das ein Entlassungsgrund“, sagt Hannes Swoboda, Fraktionsführer der SPE im EU-Parlament.

Tatsächlich kristallisierte sich am Freitag heraus, dass sich Finanzministerin Maria Fekter beim Bankgeheimnis einen kühnen Alleingang geleistet hat – nicht nur ohne Absprache mit dem Bundeskanzler, sondern ohne Wissen ihres eigenen Parteichefs Michael Spindelegger.

Was war passiert? Fekter hatte am Donnerstag einen Brief mit Bedingungen für das Abrücken vom Bankgeheimnis für ausländische Bankkunden formuliert, und diesen Brief als „Österreichs Verhandlungsmandat“ mit Brüssel an diverse Medien lanciert. So berichtete die Kronen Zeitung, sie habe den Brief eine Stunde vor dem Kanzler erhalten. Auch Vizekanzler Spindelegger räumte gestern ein, er habe Fekters Brief zeitgleich mit dem Kanzler bekommen.

Ein sichtlich empörter Werner Faymann attestierte Fekter deshalb schon am Donnerstag „schlechten Stil“; insbesondere Fekters Blockade-Drohung (wenn die Bedingungen nicht erfüllt sind, will Österreich nicht verhandeln), sorgten im Kanzleramt für Kopfschütteln.

Dennoch bleibt Faymann optimistisch und hofft auf eine Einigung zwischen EU und Österreich bis 22. Mai. "Wir wollen, dass ein Ergebnis zustande kommt für den Datenaustausch im Interesse einer Betrugsbekämpfung in Europa", sagte der Kanzler Samstagfrüh im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio. Faymann erläuterte die am Freitag veröffentlichte Erklärung von ihm und Vizekanzler Michael Spindelegger: "Wir brauchen niemanden erpressen, sondern wir wollen selber, dass der Datenaustausch die Betrugsbekämpfung erleichtert." Österreich habe zwar auch "gute Positionen", aber das seien "keine Bedingungen", und darüber stehe der Wunsch nach einem konstruktiven Ergebnis, erläuterte Faymann den Unterschied zwischen der nunmehrigen gemeinsamen Erklärung zum in die Öffentlichkeit gelangten Briefentwurf der Finanzministerin.

Suche nach Ausweg

Den ganzen Freitag lang suchten der Regierungschef und sein Stellvertreter einen Ausweg aus der prekären Lage. Man telefonierte, beriet – und fand die Lösung in einer gemeinsamen „Erklärung“. Das Wichtigste daran: Anstatt wie Fekter die EU mit „Bedingungen“ zu konfrontierten, bekennen sich die Parteichefs zu einer „konstruktiven Teilnahme“ an Verhandlungen. Was die Inhalte angeht, einigten sich Faymann und Spindelegger auf drei Punkte:

1. Der mit der EU zu verhandelnde Informationsaustausch muss zumindest dem OECD-Standard unterliegen.

2. Das Verhandlungsmandat Österreichs beinhaltet, dass die wirtschaftlichen Eigentümer von Briefkastenfirmen und Trusts identifiziert werden (Trustregister).

3. Österreichs Steuer-Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein wird gesondert berücksichtigt.

Insbesondere der letzte Punkt weicht klar von Fekters Vorstellungen ab. Fekter wollte ja an der Quellenbesteuerung für österreichisches Geld auf Schweizer Konten festhalten – eine unhaltbare Bedingung.

Die Sprecherin von EU-Steuerkommissar Algirdas Šemeta erklärte dazu am Abend: „Wenn es wahr ist, dass Österreich bereit ist, das Verhandlungsmandat für ein stärkeres EU-Schweiz-Abkommen zu unterstützen, sind das für uns sehr gute Neuigkeiten.“

Am Abend hat Spindelegger gegenüber dem ORF jegliche Kritik an seiner Finanzministerin vermieden. Er habe nicht vor, sie aus ihrem Amt zu entfernen.Ob sie auch nach der Nationalratswahl im Herbst Finanzministerin bleibe, ließ er unbeantwortet. Übrigens war laut ÖVP Fekter in das Entstehen der Erklärung eingebunden. Da Faymann mit Spindelegger verhandelte, bedeutet das: Der Vizekanzler hat Fekter, je nach Lesart, auf Linie gebracht oder aber Fekter hat Einsehen gezeigt.

Steuer-Abkommen

Was derzeit gilt Das Abkommen mit der Schweiz, an dem Maria Fekter festhalten will, funktioniert so: Für Vermögen, das Österreicher in der Schweiz haben, bekommt Wien einmalig eine Pauschale (15–38 %). Zusätzlich gibt es jährlich 25 % auf die Zinserträge. Die Steuerschuld der betroffenen Österreicher ist damit getilgt.

Was kommen könnte Der von der EU geplante Datenaustausch bedeutet, dass Österreich kein Geld, sondern nur noch die Daten bekommt – und selbst die Steuern festsetzen und auch eintreiben muss.

Maria Fekter hat es in Brüssel zweifelsohne zu Bekanntheit geschafft: Wenn sie zum Treffen der Finanzminister anreist, steht die internationale Presse Spalier. Doch es ist eine zweifelhafte Ehre, die der Erwartung eines weiteren Lapsus geschuldet ist. Während ihren Amtskollegen selten eine konkrete Ansage zu entlocken ist, ist Fekter selbst bei Krisensitzungen immer für einen Sager gut.

Vorwürfe, sie würde in Europa oft undiplomatisch agieren, weist Fekter auch gar nicht zurück: „Ich habe halt nicht den typischen diplomatischen Politsprech.“

Bei Finanzministern kann Klartext zu reden ein gefährlicher Charakterzug sein. In Brüssel gilt Fekter darob als unguided missile (eine ungeleitete Rakete). „Sie hat manchmal keine Ahnung und nur selten ein Gespür dafür, was sie wann sagen kann“, klagt ein EU-Diplomat.

Verstimmungen

Der wohl bekannteste Ausrutscher stammt vom März des Vorjahres, als die Eurogruppe die Aufstockung des Rettungsschirms beschloss. Während die Sitzung noch lief, gab sie vor der Tür schon die Details bekannt. Dass Jean-Claude Juncker daraufhin die übliche Pressekonferenz absagte („Ich mach’ mich doch nicht zum Idioten“), führte Fekter öffentlich auf seine schlechte Laune wegen Nierenschmerzen zurück. Ein doppelter Affront.

Bei Wolfgang Schäuble sorgte Fekter schon im September 2011 für Kopfschütteln. Die EU-Finanzminister berieten mit ihrem US-Kollegen Geithner die Krisenlage, dieser forderte ein Aufstocken des Rettungsschirms, was Schäuble zurückwies. Dass Fekter verkündete, Geithner sei „abgeblitzt“, war zwar inhaltlich richtig, sorgte aber für Verstimmungen.

Wie schnell so ein Sager heikel werden kann, zeigte sich im Juni 2012, als Fekter live im TV nicht ausschloss, dass Italien bald unter den Rettungsschirm schlüpfen müsse: „Es kann natürlich sein, dass in Hinblick auf die hohen Zinsen, die Italien zahlt, dass es da zu Hilfsunterstützungen kommen kann.“ Der Satz ging um die Welt, Ministerpräsident Mario Monti tobte – und die Zinsen für italienische Staatsanleihen stiegen. Fekters Reaktion verdeutlichte die Sache mit dem Gespür: Sie verstehe die Aufregung nicht, habe sie doch ohnehin nur im Konjunktiv gesprochen.

Hat Werner Faymann überreagiert, als er Maria Fekter schlechten Stil attestierte? Oder war ihr für Brüssel gedachter, mit dem Kanzler aber nicht abgestimmter Brief tatsächlich ein Tabu-Bruch? Für Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky ist die Sache klar: Maria Fekter hat Österreich geschadet.

KURIER: Herr Vranitzky, haben Sie in Ihrer Zeit als Regierungschef Ähnliches erlebt wie nun Werner Faymann mit der Finanzministerin?

Franz Vranitzky: Nein. In elf Jahren als Bundeskanzler ist mir etwas Derartiges nie widerfahren. Natürlich haben wir damals in der Bundesregierung immer wieder harte Debatten geführt. Aber niemand hätte sich so ungestüm verhalten wie jetzt Fekter.

Ist Faymann zu Recht empört?

Aus meiner Sicht ja. Werner Faymann bleibt ja für gewöhnlich zurückhaltend. Aber in diesem Fall war seine Reaktion gerechtfertigt. Der forsche Alleingang der Ministerin war unprofessionell und stellt in einer Kette an Ungeschicklichkeiten den hoffentlich letzten Höhepunkt dar. Wir können derzeit nicht behaupten, in der EU eine gute Figur zu machen.

Geht’s nur um den Stil? Oder auch um die Inhalte?

Um beides. Ein solches Vorgehen sorgt nicht nur für schlechte Presse, man setzt auch eine gewisse Dynamik in Gang. Wenn ich vor Verhandlungen derartige Bedingungen stelle, gibt es eine Reaktion vom Gegenüber. Die führt dazu, dass Leute in Österreich sagen: Lasst euch das von der EU nicht gefallen! Da beginnt eine Spirale zu laufen, die schwierige Verhandlungen zusätzlich belastet.

Ist Fekter rücktrittsreif?

Sagen wir so: Ein derart forsches Vorgehen geht nahe in Richtung Rücktritt.

Wie geht’s weiter?

Jetzt sind Vizekanzler Spindelegger und die Finanzministerin gefordert. Die beiden müssen sich auf ihren Hosenboden setzen und eine gemeinsame Linie finden, denn eines ist klar: Was da passiert ist, nutzt weder ihrer Partei noch dem Land.

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