Bankgeheimnis: "Keine Willkür, keine Schnüffelei"

Finanzminister Hans Jörg Schellings Gesetze zur Steuerreform stoßen auch in den Reihen der Regierung auf Kritik
Kanzler, VP-Chef und Finanzminister wollen internen Kritikern trotzen - und hoffen auf Ja der Grünen.

Vor der Regierungssitzung sprachen der rote Kanzler und der schwarze Vizekanzler lange miteinander. Die Unterredung war nötig – ob des Tohuwabohus rund um das geplante Ende des Bankgeheimnisses. Vor allem ÖVP-Minister, ÖVP-Länderchefs, der ÖVP-Klubobmann, aber auch Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl verwahren sich dagegen, dass die Finanz fortan bei "begründetem Verdacht", aber ohne Sanktus eines Richters auf Konten schauen können soll. Sie bemängeln damit einen Teil der Steuerreform, die ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling federführend entworfen hat. Phalanx gegen Kritiker Das missfällt nicht nur diesem, sondern auch den Koalitionsspitzen Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner. Und so bilden sie eine Phalanx gegen die Kritiker aus den eigenen Reihen.

Vier-Augen-Prinzip

Diese Form der Betrugsbekämpfung sei "internationaler Standard"; und international sei "nicht üblich, Gerichte einzuschalten", sagen Faymann und Mitterlehner: "Das wäre eine Verschärfung des Status quo." Abgesehen davon werde nicht willkürlich auf Konten geblickt. "Es gibt keine Schnüffelei. Es kann niemand hineinschauen ohne Verfahren", sagt Schelling. "Kontrolliert" werde das von Statten gehen, beteuern Faymann und Mitterlehner. Schelling erläutert das: "Es gibt eine lückenlose Dokumentation, ein Vier-Augen-Prinzip und einen Rechtschutzbeauftragten, wenn das gewünscht ist."

Die Aussage von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, was im Gesetzesentwurf der Regierung stehe, sei lediglich "Wunsch der Spitzenbeamten des Finanzministeriums", ärgert den einstigen Manager Schelling erwartungsgemäß besonders: "Das ist nicht so." Die Beamten hätten "eins zu eins" festgeschrieben, was im Ministerrat beschlossen worden sei. "Sie haben keinen Freilauf. Sie müssen den politischen Willen umsetzen. Das haben sie auch getan."

Darauf verweisen die Regierungsoberen ebenfalls. Mitterlehner: "Es handelt sich nicht um einen Expertenentwurf." Faymann: "Da sind nicht irgendwelche Beamte schuld. Die Politik hat eine klare Haltung."

Grüne Bedingungen

Die Einhelligkeit des Regierungstrios reicht nicht, um die Konto-Einschau in neuer Form zu realisieren. Faymann, Mitterlehner und Schelling müssen nicht nur die eigenen Nationalratsabgeordneten dafür gewinnen (die steirischen ÖVP-Mandatare haben bereits mit Veto gedroht), sondern auch die Grünen. Bei diesem Gesetz bedarf es nämlich einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die hoffen Rote und Schwarze mit Eva Glawischnigs Partei zu finden; die anderen Oppositionellen haben schon abgewunken.

Noch haben Faymann & Co das Ja der Ökos nicht. "Der Regierungsvorschlag ist wenig durchdacht, da er unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Im Strafverfahren ist eine gerichtliche Bewilligung notwendig, im Abgabenverfahren aber nicht", sagt Grünen-Chefin Glawischnig dem KURIER. "Wir schlagen als rechtsschutzkonforme Lösung vor, dass der Rechtsschutz ähnlich ausgestaltet wird wie im gerichtlichen Strafverfahren, wo die Konteneinsicht an eine richterliche Bewilligung gebunden ist." Weiter verhandelt wird mit den Grünen aber erst nach der Gesetzesbegutachtung, die am 5. Juni endet.

Die Betrugsbekämpfung dient den Koalitionären auch zur Gegenfinanzierung der Fünf-Milliarden-Steuerreform. 700 Millionen Euro haben sie an Mehreinnahmen eingepreist – durch raschere Konten-Einsicht bei Firmen und Privaten.

Die Kritiker der raschen Konteneinschau durch die Finanz fordern, dass dies nicht ohne richterlichen Beschluss abgehen dürfe. Das wäre ein Rückschritt zur gültigen Gesetzeslage, sagt Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) – mit Verweis auf entsprechende Aussagen des Finanzrechtlers Werner Doralt. Auch die SPÖ verweist auf Doralt – und zitiert die Gesetzeslage.

Demnach sind die Gerichte in Österreich erst zuständig, wenn es um Steuerhinterziehung in Höhe von mehr als 100.000 Euro geht. Bei einem solchen „gerichtlichen Finanzstrafverfahren“ benötigt der Staatsanwalt eine richterliche Genehmigung für eine Konteneinschau. Unterhalb dieser Schwelle spricht man von einem „verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren“. Hier können die Finanzprüfer per Bescheid der Finanzstrafbehörde – also ohne richterlichen Beschluss – die Banken auffordern, die Konten des Abgabenpflichtigen zu öffnen. Als Finanzstrafbehörde fungiert hier in erster Instanz das Finanzamt, dann das Bundesfinanzgericht.

Anders das Kontenregister, dort werden Name, Anschrift sowie Kontonummer („äußere Kontodaten“) erfasst. Die „inneren Kontodaten“ betreffen Kontostand und Kapitalbewegungen. Hält es das Finanzamt für zweckmäßig, kann es künftig Einsicht in das Kontenregister nehmen und erhält Informationen über die äußeren Kontodaten. Im Rahmen einer gewöhnlichen Steuererklärung soll es grundsätzlich zu keiner Einsichtnahme in die Konten des Steuerzahlers kommen.

Nur bei einem Finanzstrafverfahren soll die Finanz außerdem Fingerabdrücke von den verdächtigten Steuerzahlern nehmen können, um sich über deren Identität absolut sicher zu sein. Wörtlich heißt es im Gesetz, dass die Finanzstrafbehörde befugt sei, „Papillarlinienabdrücke“ abzunehmen. Diese sollen wieder gelöscht werden, wenn das Verfahren abgeschlossen ist.

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